Mina Einstein, geb. Schlossberger

Geboren:
01.03.1889, Unterdeufstetten/Baden-Württemberg
Gestorben:
Todestag nicht bekannt, Auschwitz

Wohnorte

Unterdeufstetten
Augsburg, Ulmer Straße 151
Augsburg, Ulmer Straße 139
Augsburg, Ulmer Straße 121
Augsburg, Ulmer Straße 228

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 8. oder 9. März 1943
von Augsburg
über München-Berg am Laim
nach Auschwitz

Erinnerungszeichen

Am 29. Juni 2017 wurde ein Erinnerungsband für Mina und Hermann Einstein in der Ulmer Straße 139 angebracht.

Biografie

Mina Einstein, geborene Schlossberger wurde am 01.03.1889 in Unterdeufstetten bei Crailsheim in Württemberg geboren.1 Ihre Eltern waren Ernestine Schlossberger, geborene Neumetzger (geb.22.12.18622 ) und Simon Schlossberger (geb. 18583 ), der als Vieh- und Güterhändler tätig war.4 Sie heirateten im Jahr 1884 und Ernestine bekam neben Mina noch sechs weitere Kinder, von denen jedoch drei bereits im frühen Kindesalter starben. Aufgewachsen ist Mina mit einem älteren Bruder, Siegfried (geb. 09.06.18875 ), einer älteren Schwester Ida (geb. 01.06.18906 ) und einem jüngeren Bruder, Sigmund (geb. 1894). Von Unterdeufstetten zog die Familie um 1914 nach Crailsheim, die nächstgelegene Ortschaft. Dort wohnten sie in der Langen Straße 11, im 3. Stock über einer Apotheke.7 Doch bereits drei Jahre früher verließ Mina ihr Elternhaus, um im Jahr 1911 Hermann Einstein (geb. 01.08.18808 ) zu heiraten. Zusammen mit ihrem aus Kriegshaber bei Augsburg stammenden Ehemann zog sie in eine Wohnung in der Ulmer Straße 151 in dem heutigen Stadtteil von Augsburg.9

Auch ihre Geschwister verließen das Elternhaus. Während Siegfried Schlossberger nach Nürnberg zog und Sofie Feuchtwanger (aus Schwabach, geb. 29.09.1897) heiratete10 , vermählte sich Ida im Jahr 1912 mit Isak Einstein, dem Bruder von Hermann Einstein, und zog ebenfalls zu ihm nach Kriegshaber.11 Ihren Bruder Sigmund Schlossberger verlor Mina während des 1.Weltkrieges, er fiel als Angehöriger des 8. Bayerischen Feldartillerie-Regiments im Jahr 1916 in Frankreich. Ihre Eltern lebten bis zum Tod des Vaters am 3. März 1935 weiterhin in der Langen Straße in Crailsheim. Nach dessen Tod zog die Mutter zu ihren Töchtern nach Kriegshaber12 und lebte dort im Haus von Ida und Isak in der Ulmer Straße 185.13 Den Leichnam ihres Mannes ließ Ernestine Schlossberger ebenfalls dorthin überführen, um ihn auf dem dortigen jüdischen Friedhof zu begraben.14

Minas Ehemann Hermann Einstein war ein Teilhaber der Firma Gebrüder Einstein, welche eine der führenden Viehhandelsunternehmen in Schwaben war. Zusammen mit seinen sieben Brüdern war er in der gemeinsamen Firma tätig. Er betrieb die Firmenfiliale in Schongau und war meistens unter der Woche nicht zuhause. Zudem gehörte ihm eine Wiese in Kriegshaber (Plan Nr. 372). Ebenso wie fast alle seiner Brüder diente Hermann als Soldat im ersten Weltkrieg für Deutschland.15 Während des Krieges kam am 30.01.1916 die gemeinsame Tochter Brunhilde zur Welt.16 Diese besuchte von 1926 bis 1933 die Maria-Theresia-Schule in Augsburg.17 In dieser Zeit lief das Viehhandelsunternehmen Einstein gut. Und auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 konnten die Brüder Einstein ihr Handelsgeschäft trotz Boykottaufforderungen zunächst weiterführen. Zwar kam es weder beim Aprilboykott 1933 noch später zu irgendwelchen Übergriffen, doch mussten sie immer größere Umsatzeinbußen hinnehmen.18 Ab Mitte 1937 lebten Mina und Hermann Einstein in der Wohnung von Ludwig Einstein in der Ulmer Straße 139, der im Jahr zuvor verstorben war.19

Trotz der staatlichen Diskriminierung fühlte sich die Familie Einstein auf Grund des positiv gestimmten sozialen Umfelds in Kriegshaber nicht ernsthaft gefährdet. Sie vertrauten auf den guten Ruf der Familie und planten daher keine Emigration. Nach dem Novemberpogrom 1938 wuchs der finanzielle Druck auf das Familienunternehmen. Das NS-Regime begann mit der Enteignung jüdischen Vermögens und so mussten die Brüder Einstein das Anwesen in der Ulmer Straße 135 zu einem sehr günstigen Preis verkaufen. Zusätzlich mussten sie im Jahr 1939 schließlich auch ihre Wertsachen wie Gold und Silber abgeben. Diese Ereignisse machten der Großfamilie Einstein ihre Lage bewusst und sie beschlossen Deutschland gemeinsam zu verlassen. Da sich die Brüder aber eine getrennte Emigration nicht vorstellen konnten und sie kein Land fanden, das alle zusammen aufnahm, wurde aus diesen Plänen nichts.20 Doch Brunhilde, die nach der Schule eine Zeit lang als Kindermädchen in Köln gearbeitet hatte, emigrierte im Jahr 1939 nach England. Dort arbeitete sie zusammen mit ihrer Cousine Liese Einstein (die auch emigriert war) in dem Haushalt einer Familie in Manchester.21

Für ihre Eltern und für die anderen Juden in Deutschland verschlechterte sich die Lage erheblich. Ab Anfang 1940 war Hermann Einstein, wie auch seine Brüder in Augsburger Firmen als Zwangsarbeiter tätig.22 Ab November 1941 kam es zu den ersten Deportationen Augsburger Juden. Ab diesem Zeitpunkt lebte die Familie ständig in der Angst deportiert zu werden. Im Januar 1942 zogen Mina und Hermann in die Ulmer Straße 121, in das Haus von Samuel Einstein, dem Bruder von Hermann, der drei Jahre zuvor verstorben war und in dem auch bereits mehrere andere Juden ein Notquartier erhielten. Ab dem 03.02.1942 musste auch Mina zusammen mit ihrer Schwester und Lydia Einstein, der Ehefrau eines weiteren Bruders ihres Mannes (Moriz Einstein) Zwangsarbeit in der Augsburger Ballonfabrik leisten. Minas Bruder Siegfried wurde zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im März 1942 von ihrer Heimatstadt Nürnberg aus in das Ghetto Izbica transportiert, und werden seitdem vermisst.23 Die ersten Familienmitglieder aus der in Kriegshaber lebenden Großfamilie Einstein wurden im April 1942 nach Piaski deportiert.24 Am 31.07.1942 wurde Minas und Idas Mutter Ernestine Schlossberger nach Theresienstadt gebracht.25 Ab dem 09.09.1942 wurden Mina und Heinrich in die Wohnung im Haus der Synagoge in der Ulmer Straße 228 zwangseinquartiert, in der bereits Moriz und Lydia Einstein einige Monate lebten. Am 03.03.1943 endete die Zwangsarbeit, doch bereits am 8. oder 9. März wurde das Ehepaar deportiert. Nach einem fünftägigen Zwischenstopp in einem Lager in Berg am Laim bei München wurde Mina Einstein zusammen mit ihrem Mann, ihrer Schwester und deren Mann und einem weiteren Einstein-Paar nach Auschwitz deportiert.26 Dort wurden sie zusammen mit vielen anderen Augsburger Juden kurz nach ihrer Ankunft höchstwahrscheinlich in Gaskammern geführt und getötet.27

Auch ihre Mutter überlebte den Holocaust nicht, sie starb am 01.11.1943 in Theresienstadt.28 Von Minas direkten Verwandten überlebte nur ihre Tochter Brunhilde. Diese wanderte von England in die USA aus und heiratete dort im Jahr 1949 Martin Lehmann, der aus Rothenburg ob der Tauber stammte. Anfang der 50er Jahre erhielt sie auf Antrag einen kleinen Teil des beschlagnahmten Vermögens ihrer Eltern zurück.29 Sie arbeitete als Masseurin und später in der Metzgerei ihres Mannes. Sie starb 1994 in New York und hinterließ keine Kinder.30

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die Josua Neumann im Wintersemester 2013/2014 an der Universität Augsburg erarbeitet hat. Josua Neumann nahm am Proseminar "Nationalsozialismus in Augsburg. Verfolgungsgeschichte im Spiegel von Lebensgeschichten Augsburger Juden" von Dr. Benigna Schönhagen am Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde teil.

Angehörige
Fußnoten
  1. http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de856633 (aufgerufen am 19.03.2015).
  2. http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de966133 (aufgerufen am 19.03.2015).
  3. http://www.heinz-wember.de/kriegshaber/Quellen/FriedhofJuden.htm (aufgerufen am 19.03.2015).
  4. http://www.swp.de/crailsheim/lokales/landkreis_schwaebisch_hall/Die-Familie-Schlossberger-Kind-im-Krieg-verloren;art5722,1721104 (aufgerufen am 19.03.2015).
  5. http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de966149 (aufgerufen am 19.03.2015).
  6. http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de856581 (aufgerufen am 19.03.2015).
  7. http://www.swp.de/crailsheim/lokales/landkreis_schwaebisch_hall/Die-Familie-Schlossberger-Kind-im-Krieg-verloren;art5722,1721104 (aufgerufen am 19.03.2015).
  8. http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de856563 (aufgerufen am 19.03.2015).
  9. Monika Müller, „Es ist ein hartes Los, das uns getroffen hat." Der Weg der Familie Einstein aus Augsburg-Kriegshaber (Lebenslinien. Deutsch-jüdische Familiengeschichte, Bd. 5), Augsburg 2012, S. 11.
  10. http://www.jewishgen.org:8765/highlight/index.html?url=http%3A//www.jewishgen.org/yizkor/nuremberg/nur011.html&hltcol=one&fterm=%22netra%22&la=en&charset=iso-8859-1&search=../query.html%3Fcharset%3Diso-8859-1%26ql%3Da%26col%3Done%26qt%3D%2522netra%2522 (aufgerufen am 19.03.2015).
  11. Monika Müller (2012), S. 11.
  12. http://www.swp.de/crailsheim/lokales/landkreis_schwaebisch_hall/Die-Familie-Schlossberger-Kind-im-Krieg-verloren;art5722,1721104 (aufgerufen am 19.03.2015).
  13. Adressbuch Stadt Augsburg (I. Teil: Einwohner und Firmen), Augsburg 1938, S. 57 .
  14. http://www.swp.de/crailsheim/lokales/landkreis_schwaebisch_hall/Die-Familie-Schlossberger-Kind-im-Krieg-verloren;art5722,1721104 (aufgerufen am 19.03.2015).
  15. Monika Müller (2012), S. 47.
  16. Geburtsurkunde Brunhilde Einstein, in: StAA, AG Augsburg VI 237, 238 (Nachlassakte Hermann Einstein und Mina Einstein, geb. Schlossberger)
  17. http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/index_extern.html/spurensuche/index_extern.html. (aufgerufen am 19.03.2015).
  18. Monika Müller (2012), S. 27.
  19. StadtAA, MK Hermann Einstein.
  20. Monika Müller (2012), S. 27ff.
  21. http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/index_extern.html (aufgerufen am 19.03.2015).
  22. Monika Müller (2012), S. 44.
  23. http://www.jewishgen.org:8765/highlight/index.html?url=http%3A//www.jewishgen.org/yizkor/nuremberg/nur011.html&hltcol=one&fterm=%22netra%22&la=en&charset=iso-8859-1&search=../query.html%3Fcharset%3Diso-8859-1%26ql%3Da %26col%3Done%26qt%3D%2522netra%2522 (aufgerufen am 19.03.2015).
  24. Monika Müller (2012), S. 44ff.
  25. http://www.swp.de/crailsheim/lokales/landkreis_schwaebisch_hall/Die-Familie-Schlossberger-Kind-im-Krieg-verloren;art5722,1721104 (aufgerufen am 19.03.2015).
  26. Monika Müller (2012), S. 46f.; Maximilian Strnad, Zwischenstation "Judensiedlung". Verfolgung und Deportation der jüdischen Münchner 1941 – 1945 (Studien zur jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Bd. 4), München 2011, S. 140.
  27. Gernot Römer, Ein fast normales Leben. Erinnerungen an die jüdischen Gemeinden Schwabens, Augsburg, S.47; Aussagen Frau Irma Lichtenauer und Eidesstattliche Versicherung Hilde Lehmann geb. Einstein, in: StAA, AG Augsburg Nachlassakte VI 237,238  (Nachlassakte Hermann Einstein und Mina Einstein, geb. Schlossberger).
  28. http://www.swp.de/crailsheim/lokales/landkreis_schwaebisch_hall/Die-Familie-Schlossberger-Kind-im-Krieg-verloren;art5722,1721104 (aufgerufen am 19.03.2015).
  29. StAA, LG Augsburg Wiedergutmachungskammer V WK V 91/51 945 (1).
  30. http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/index_extern.html (aufgerufen am 19.03.2015).
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Staatsarchiv Augsburg (StAA)
Amtsgericht Augsburg (AG Augsburg)
AG Augsburg NA VI 237,238
(Nachlassakte Hermann Einstein)

Landgericht Augsburg (LG Augsburg)
LG Augsburg Wiedergutmachungskammer
V WK V 91/51945 (1)

Stadtarchiv Augsburg (StadtA Augsburg)
Meldekarten (MK)
MK Hermann Einstein

Internet:
Literatur:

Gernot Römer, Ein fast normales Leben. Erinnerungen an die jüdischen Gemeinden Schwabens, Augsburg 1995.

Monika Müller, „Es ist ein hartes Los, das uns getroffen hat." Der Weg der Familie Einstein aus Augsburg-Kriegshaber (Lebenslinien. Deutsch-jüdische Familiengeschichte, Bd. 5), Augsburg 2012.

Josua Neumann, Mina Einstein. Ungedruckte Seminararbeit, Universität Augsburg, Wintersemester 2013/2014.

Maximilian Strnad, Zwischenstation "Judensiedlung". Verfolgung und Deportation der jüdischen Münchner 1941 – 1945 (Studien zur jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Bd. 4), München 2011.