Augsburg, Völkstraße 33
Deportation
am 2. April 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Piaski
Margot Herrmann kam 1921 als älteste Tochter von Josef und Cilli Herrmann in Augsburg auf die Welt. Zusammen mit ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Trude (siehe Biografie Trude Herrmann) wuchs sie im gutbürgerlichen Bismarckviertel in der Völkstraße 33 auf. In der Nachbarschaft wohnten drei ihrer Cousins, die ungefähr gleich alt waren. Die Eltern schickten Margot auf die katholische Volksschule St. Elisabeth, wo sie von Nonnen unterrichtet wurde. Der Großvater Moses/Moritz Stern (1852-1920) hatte als Stoffhändler mit Einrichtungen der katholischen Kirche gearbeitet. Es mag sein, dass dabei das gute Verhältnis zu dem Kloster entstand. Später besuchte Margot in St. Elisabeth auch die Mittelschule. Dort fand sie in Kunigunde Hutzelmann eine gute Freundin, die ihr auch die Treue hielt, als die Nazipropaganda Juden zu Untermenschen erklärte.
Margot war eine sehr gute Schülerin. Wie ihre kleine Schwester und ihre Cousins liebte sie es aber auch, die Freizeit auf dem Sportplatz des jüdischen Sportvereins PTGA (Private Tennisgesellschaft Augsburg) zu verbringen.
Die Jüdische Gemeinde Augsburg hatte den Verein ausgebaut, nachdem die paritätischen Sportvereine schon wenige Wochen nach der Machtübernahme Adolf Hitlers ihre jüdischen Mitglieder ausschlossen. Am Alten Heuweg traf sich die jüdische Jugend nicht nur zum sportlichen Wettkampf, der Sportplatz war auch der einzige Rückzugsort für die aus dem gesamten öffentlichen Leben immer mehr Ausgegrenzten. Sie durften kein Kino mehr besuchen, seit 1935 auch kein Schwimmbad mehr und in den Straßen häuften sich die Schilder „Juden unerwünscht“.1
Nach dem Abschluss der Mittelschule sollte Margot 1937 mit ihrer Freundin Lotte Neuburger zusammen, in Frankfurt eine Haushaltsschule besuchen. Doch sie hatte so Heimweh, dass sie die Schule nach kurzer Zeit abbrach und nach Augsburg zurückkehrte.2 Weil sie sich nicht von den Eltern trennen wollte, nahm sie 1939 auch nicht den Platz auf einem „Kindertransport“ nach England wahr, für den die Eltern sie angemeldet hatten. Sie wartete gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer Schwester auf die Einreisegenehmigung für die ganze Familie nach England. In dieser Zeit fuhr Margot jeden Tag mit ihrem Onkel Justin Stern und dessen Sohn Manfred nach München, um eine Tätigkeit für das Leben in der Emigration zu erlernen.
Als mit Kriegsbeginn der Mieterschutz für Juden aufgehoben wurde, musste die Familie ihre schöne Wohnung in der Völkstraße aufgeben und in die Hermanstraße 10 umziehen. Sie mussten den gelben Stern tragen und lebten nun vollkommen isoliert. Den jüdischen Sportverein gab es nicht mehr und nach 8 Uhr abends durften sie nicht mehr auf die Straße. Ab April 1941 musste Margot wie andere jüdische Frauen Zwangsarbeit in der Ballonfabrik für die Rüstung leisten. Nur ihre Freundin Kunigunde kam sie noch besuchen. Allerdings traute sie sich das nur nach Einbruch der Dunkelheit, da die Nationalsozialisten den Kontakt zu Juden als Verrat an der Volksgemeinschaft brandmarkten. Am 2. April 1942 deportierten die Nationalsozialisten Margot Herrmannn zusammen mit ihrer Schwester und ihren Eltern über das Lager Milbertshofen nach Piaski in das damalige „Generalgouvernement“. Niemand von ihnen hat das Lager überlebt.
Ein Jahr zuvor hatte Margot ihrer Freundin Kunigunde ins Poesiealbum geschrieben:
„An Gott glauben/ ist der Freude Anfang;
Gott anbeten/ der Freude Wachstum;
Gott lieben/ ist der Freude Fülle.“3
Benigna Schönhagen
Ein gewisses jüdisches Etwas. Eine Ausstellung zum Selbermachen vom 12. Juni bis 30. August 2009. Dokumentation der Ausstellung, hrsg. von Benigna Schönhagen, Augsburg 2009, S.14.
Benigna Schönhagen, „… und dann heißt’s Abschied nehmen aus Augsburg und Deutschland.“ Der Weg der Familie Stern aus Augsburg. (Lebenslinien. Deutsch-Jüdische Familiengeschichten 06), Augsburg 2013.