Roman Filasiewicz

Date of Birth:
29.06.1903, Krakau
Deceased:
14.10.1942, Hartheim bei Linz

Residencies

Krakau/Polen
Augsburg, Inneres Pfaffengäßchen 14

Last voluntary residence

Places of persecution

„Schutzhaft“ in Augsburg
KZ Buchenwald
KZ Dachau
Tötungsanstalt Hartheim bei Linz

Memorial sign

Für Roman Filasiewicz wurde am 25. Oktober 2021 vor dem Inneren Pfaffengäßchen 14 ein Stolperstein verlegt.

Biography

Roman Filasiewicz, geb. 29.06.1903 in Krakau,
Pole, Hoch- und Tiefbauingenieur, r.k., 4 Kinder,
ermordet am 14.10.42 in Hartheim,
Opfer der Aktion 14f13;
letzter freier Wohnsitz: Augsburg, Inneres Pfaffengäßchen 14

Familie und Ausbildung

Roman Filasiewicz wird am 29. Juni 1903 in Krakau geboren. Seine Eltern sind Claudius und Julia Filasiewicz, geb. Rettinger aus Lemberg.1 Roman ist mit Sabina Rosa Marja, geb. Drojecka verheiratet, mit der er in Warschau eine Wohnung hat.2 Das Ehepaar hat nachweislich 3 Kinder, vielleicht sogar 4.3

Seine um 5 Jahre jüngere Schwester Renata ist Kunstgewerblerin und Modezeichnerin. Sie verheiratet sich 1934 mit dem aus Lemberg stammenden polnischen Ingenieur Ladislav Hans Hassmann, mit dem sie einen Sohn Konrad Anton hat. Wie Roman ist die Familie seiner Schwester ebenfalls in Warschau wohnhaft.4 Seit 1941 läuft in Warschau ihr Naturalisierungsverfahren. Wir wissen allerdings nicht, ob sie die polnische Staatsbürgerschaft erhalten hat.

Gründe für seinen Aufenthalt in Deutschland

Herberge zur Heimat Augsburg. (Grundstein 1895)

Roman ist Tiefbauingenieur. Wir wissen nicht, wie und aus welchen Gründen er während des Krieges nach Deutschland gekommen ist, jedenfalls ist er in Deutschland nicht zwangsinterniert, sein Wohnsitz in Augsburg ist ab dem 13. Juni 1940 die „Herberge zur Heimat“ der Inneren Mission im Inneren Pfaffengäßchen 14.5

Es ist möglich, dass Roman Filasiewicz zu den wenigen Polen gehörte, die sich ab Oktober 1939 freiwillig zur Arbeit nach Deutschland anwerben ließen6 , möglicherweise zählte er über seine Mutter zur deutschen Minderheit in Polen? Ebenso denkbar ist es, dass Roman nach der Annexion von Schlesien und Ostpreußen und der Zusammenfassung der Gebiete von Krakau, Warschau, Radom und Lublin zum „Generalgouvernement“ unter der Führung von Hans Frank7 als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert wurde.8

Dennoch bleibt es erklärungsbedürftig, weshalb Roman Filasiewicz sich relativ frei in Deutschland bewegen und seinen Wohnsitz selbst wählen durfte. War dies auf seine hohe berufliche Qualifikation und den Arbeitskräftebedarf oder auf seine Abstammung (siehe Vita seiner Schwester, Naturalisierungsverfahren) zurückzuführen?

Verhaftung und Einlieferung ins KZ

Jedenfalls gerät Roman alsbald ins Visier der Nazis. Die Gestapo Augsburg nimmt ihn am 14. September 1940 in „Schutzhaft“9 . Als Grund wird angegeben, er sei arbeitsunwillig, habe Sabotage betrieben und sich mit gefangenen Franzosen unterhalten.10

KZ Dachau: Haftgründe. (ITS Bad Arolsen)

Roman wird am 26. November 1940 ins KL Buchenwald mit der Häftlingsnummer 1328 eingewiesen. Seine Unterschrift lässt auf einen selbstbewussten, intelligenten und gebildeten Mann schließen. In der Effektenkammer muss er einen Hut, ein Paar Schuhe, einen Mantel, einen Kittel, ein Hemd, Brieftasche, Zigaretten, Geldbörse, eine Zigarettenspitze und eine Uhr abliefern. Er verrichtet in Buchenwald Zwangsarbeit.11

KZ Dachau: Familienverhältnisse und Effekten. (ITS Bad Arolsen)

Wir kennen die 5 Arbeitskommandos, zu denen Roman ab 3. Dezember 1940 abgestellt ist. Dem letzten Arbeitskommando in Buchenwald wird er am 18. Juni 1942 zugeteilt.12

Am 7. Juli 1942 wird Roman Filasiewicz von Buchenwald ins KL Dachau überstellt und als Häftling 30937 registriert.13

Überführung von KZ Buchenwald nach Dachau 6.7.42. (ITS Bad Arolsen)

Erfassung durch die „Aktion 14f13“14

Ab 1934 sinkt der Anteil der politischen Häftlinge im KL Dachau, ab dieser Zeit richtet sich der SS-Terror gegen die sog. „Asozialen“, Obdachlose, Wanderarbeiter, Fürsorgeempfänger, Sinti und Roma.15

Ab Ende 1936 entwickelt sich das KL-System endgültig zum rechtsfreien Raum, indem alle Personen weggesperrt und ermordet werden sollen, die nicht ins Konzept der rassistischen Gesellschaft des NS-Regimes passen.16

Am 14.10.1942 wird Roman Filasiewicz nach 3 Monaten im KZ Dachau mit einem sogenannten „Invalidentransport“ mit weiteren polnischen Häftlingen in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz „verlegt“.17

Nach Einstellung der Krankenmorde („Aktion T4“) im August 1941 werden unter der „Aktion 14f13“ nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge zu ihrer Ermordung nach Hartheim bei Linz gebracht und meist am gleichen Tag durch Gas ermordet18

Der Hauptgrund für die nach dem Aktenzeichen „14f13“ benannte Mordaktion im Frühjahr 1941 war der stark steigende Anteil kranker und entkräfteter Häftlinge in den Konzentrationslagern. Ausgezehrt von den unmenschlichen Arbeits-und Lebensbedingungen galten diese als „arbeitsunfähig“ und sollten, wie es im nationalsozialistischen Sprachgebrauch hieß, einer „Sonderbehandlung“ unterzogen, d.h. physisch vernichtet werden.

Die Aktion ging auf eine Anordnung des Reichsführers SS, Heinrich Himmler zurück, nach der Häftlinge durch Ärzte der „Aktion T4“ („Euthanasie“-Aktion) ausgewählt und in den Tötungszentren der „Aktion T4“ ermordet werden sollten.19

Selektion in Dachau

Die für die „Sonderbehandlung 14f13“ in Betracht gezogenen Häftlinge wurden bereits vor Eintreffen einer für die Aussonderung zuständigen Ärztekommission auf Meldebogen erfasst. Die Lagerkommandanten erhielten dazu ein Muster des Meldebogens mit der Aufforderung, dort Fragen zu den in Betracht kommenden Häftlingen zu beantworten, zum Beispiel zur Diagnose bei körperlichen „unheilbaren Leiden“ oder zum Einweisungsgrund.

Sodann mussten die in der Vorauswahl in den KZ erfassten Häftlinge vor der Ärztekommission antreten. Eine ärztliche Untersuchung fand nicht statt. In der Rubrik „Diagnose“ auf den Meldebogen finden sich unter anderem Eintragungen wie „Rasseschänder“, „Hetzer und Deutschenfeind“, „berüchtigter Kommunist“. Als Ort der Tötung der im KZ Dachau ausgewählten Häftlinge war die Tötungsanstalt Hartheim/Linz vorgesehen, in der bereits im Rahmen der „Euthanasie“-Aktion („Aktion T4“) Behinderte ermordet worden waren.

Abtransport nach Hartheim

Einige Zeit nach der „ärztlichen Erfassung“ wurden die Häftlinge abtransportiert. Kurz nach ihrer Ankunft in Hartheim wurden sie dem Anstaltsarzt vorgeführt, auf Goldzähne untersucht, entsprechend gekennzeichnet und anschließend in der Gaskammer ermordet. Den Leichen wurden die Goldzähne entfernt, die päckchenweise in die Zentraldienststelle in Berlin geschickt wurden. Anschließend wurden die sterblichen Überreste der Ermordeten verbrannt.

Fünf „Transportwellen“ der Häftlinge nach Hartheim

Die erste der 5 Wellen (15.1.-3.3.42) umfasste 15 Transporte mit 1452 Häftlingen, die zweite (4.5.-11.6.42) sechs Transporte mit 561 Häftlingen, die dritte (10.8.-12.8.42) zwei Transporte mit 181 Häftlingen, die vierte (7.10. – 14.10.42) drei Transporte mit 330 Häftlingen, die fünfte (27.11.-8.12.42) sechs Transporte mit 69 Häftlingen.

Ermordung von Roman Filasiewicz

Todesanzeige Roman Filasiewicz. (ITS Bad Arolsen)

Gemäß den Erhebungen des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes in Bad Arolsen fielen der Sonderbehandlung 14f13 insgesamt 2593 Häftlinge des KZ Dachau zum Opfer.20

Roman Filasiewicz gehörte zur vierten Welle der Häftlingstransporte von Dachau nach Hartheim mit insgesamt 330 Häftlingen, darunter viele seiner Landsleute. Am Tage seiner Ankunft, am 14.10.1942, wird Roman Filasiewicz dort mit Gas ermordet.21

Die Sterbeurkunde von Roman Filasiewicz vom 18. November 1942 indizierte als Todesursache „Kreislaufschwäche bei eitriger Mandelentzündung mit Sepsis“.

Todesursache, Todesort und Todeszeitpunkt waren frei erfunden. Das Standesamt Dachau stellte für die in Hartheim bei Linz ermordeten Personen die Totenscheine aus.22

© Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann, Gegen Vergessen - Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben, alle Rechte beim Autor.
2021

Footnotes
  1. ITS Bad Arolsen, Online-Abfrage vom 26.10.20, https://collections.arolsen-archives.org/archive/5856418/?p=1&s=Filasiewicz%20Roman&doc_id=5856419.
  2. Ebenda. Er wohnt mit seiner Frau und den 3 Kindern in der Plonskastraße 8m6. Die Vornamen der Eltern von Sabina lauten auf Kaludiusz and Julia Drojecka. Auskunft des polnischen Instituts der nationalen Erinnerung in Warschau, Auskunft Grzegorz Perzyński vom 10. und 11.3.21.
  3. ITS Bad Arolsen, Online Abfrage der Dokumente, https://collections.arolsen-archives.org/archive/72226412/?p=1&s=Filasiewicz%20Roman&doc_id=72226413. Hier widersprechen sich die einzelnen Dokumente. Von den polnischen Archiven erhielt ich monatelang leider keinerlei Auskunft über die Kinder bzw. die Todesdaten von Rosa Filasiewicz.
  4. ITS Bad Arolsen, Renata Filiasewicz, geb. am 22.5.1908 in Krakau. Ihr Sohn Konrad Anton ist am 16.11.1937 in Warschau geboren. Die Familie Hassmann zieht 1943 nach Wien und erhält 1947 die österreichische Staatsbürgerschaft. Ladislav und Renata Hassmann lassen sich am 16.12.1950 vom Landgericht Wien rechtsgültig scheiden. Da ihr Ex-Ehemann keine Alimente für den Sohn bezahlt, ist sie seit 1850 auf Sozialhilfe angewiesen und beantragt am 10. Mai 1951 dank eines Affidavits ihres Cousains Constantine de Starschedal die Ausreise nach Lima, Peru: https://collections.arolsen-archives.org/archive/80649392/?p=1&s=filasiewicz&doc_id=80649394.
  5. StadtAA, Ausländerkartei, Filasiewiecz, Roman (Kopie Arolsen Archives), https://collections.arolsen-archives.org/archive/72226412/?p=1&s=Filasiewicz%20Roman&doc_id=72226413.
  6. Zu diesem weitgehend gescheiterten Unternehmen vgl. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/zwangsarbeit-in-polen.html.
  7. Zu Hans Frank vgl. https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/hans-frank/. Im Dezember 1939 verhängte Frank eine Arbeitspflicht für die polnische Bevölkerung, um die vom Deutschen Reich geforderte Anzahl an Land- und Industriearbeitern bereitzustellen. Im Mai 1940 ordnete Frank die Liquidierung der polnischen Intelligenz und des Widerstandes an.
  8. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/besatzungsregime-in-polen.html; ebenso: https://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/auslaendisch/polen/index.html.
  9. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/schutzhaft.html: Mit der „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 wurde das Repressionsinstrument der so genannten „Schutzhaft“ eingerichtet. Damit war die gesetzliche Grundlage gegeben, Gegner des NS-Regimes ohne richterliche Kontrolle und Verurteilung zu verhaften und auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren. Seit März 1933 entstanden zahlreiche „Schutzhaftabteilungen“ in den Polizeigefängnissen und Gestapogefängnissen, aber auch in regulären Gefängnissen und Zuchthäusern, die zu diesem Zweck von der Justiz zur Verfügung gestellt wurden. Die Bewachung der Inhaftierten stellten sowohl Polizeibeamte als auch Angehörige der SA und SS. Die „Schutzhaft“ und die nach Kriegsbeginn entstehende „Arbeitserziehungshaft“, die zur Gründung polizeilicher Sonderlager – der „Arbeitserziehungslager“ – führte, waren ebenso wie die „Vorbeugehaft“ eine Kategorie präventiver Verfolgung und Repression im Nationalsozialismus.
  10. ITS Bad Arolsen, online Abfrage vom 26.10.2020: https://collections.arolsen-archives.org/archive/72226412/?p=1&s=Filasiewicz%20Roman&doc_id=72226413. Roman Filasewicz sei vorbestraft mit 7 Jahren Gefängnis, hiervon seien 4 auf Bewährungsfrist ausgesetzt, er habe verbotenen Handel (?) betrieben (? Hier ist die Handschrift unleserlich).
  11. Zur Genese des KL Buchenwald und Zwangsarbeit dort https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/252527/kz-buchenwald.
  12. ITS Bad Arolsen, Online-Abfrage vom 26.10.20, https://collections.arolsen-archives.org/archive/5856418/?p=1&s=Filasiewicz%20Roman&doc_id=5856422.
  13. ITS Bad Arolsen, Online-Abfrage vom 26.10.20, https://collections.arolsen-archives.org/archive/5856418/?p=1&s=Filasiewicz%20Roman&doc_id=5856419.
  14. Die Ziffern- und Buchstabenkombination resultierte aus dem SS-Einheitsaktenplan und setzt sich zusammen aus der Ziffer „14“ für den Inspekteur der Konzentrationslager, dem Buchstaben „f für Todesfälle und der Ziffer „13“ für die Todesart, hier für die Tötung durch Gas in den Tötungsanstalten der T-4 Organisation. „Sonderbehandlung“ war der gängige Begriff für Tötung: http://www.ns-euthanasie.de/index.php/aktion-14f13. Die natürlichen Todesfälle verzeichnete man z.B. als 14f1, Selbstmord mit 14f2, Erschießung auf der Flucht mit 14f3, die Unfruchtbarmachung mit 14h7, die Aktion 14f14 wiederum stand für die Exekution sowjetischer Kriegsgefangener.
  15. Dirk Riedel, Vom Terror gegen politische Gegner zur rassischen Gesellschaft. Die Häftlinge des Konzentrationslager Dachau 1933-1936, in: Jörg Osterloh, Kim Wünschmann (Hg.): „… der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert“. Häftlinge der frühen Konzentrationslager 1933-1936, Frankfurt/Main 2017, S. 73-96, hier S. 93.
  16. Dirk Riedel, a.a.O., S. 95.
  17. Ebenda.
  18. Florian Schwanninger, „Wenn du nicht arbeiten kannst, schicken wir dich zum Vergasen.“ Die „Sonderbehandlung 14f13“ im Schloss Hartheim 1941–1944, in: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2. Auflage, Linz 2008, S. 155-208.
  19. Zur Aktion 14f13 vgl. Florian Schwanninger, 2008, S. 155-208.
  20. Ebenda, S. 192ff.
  21. https://collections.arolsen-archives.org/archive/10043453/?p=1&s=Filasiewicz%20Roman&doc_id=10043457.
  22. Siehe hierzu: Zur Aktion 14f13 vgl. Florian Schwanninger, 2008, S. 155-208.
Sources and literature
Unpublished sources:

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
– Ausländerkartei, Filasiewicz, Roman (Kopie Arolsen Archives)

Internet:
Literature:

Dirk Riedel, Vom Terror gegen politische Gegner zur rassischen Gesellschaft. Die Häftlinge des Konzentrationslager Dachau 1933-1936, in: Jörg Osterloh, Kim Wünschmann (Hg.): „… der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert“. Häftlinge der frühen Konzentrationslager 1933-1936, Frankfurt/Main 2017, S. 73-96.

Florian Schwanninger, „Wenn du nicht arbeiten kannst, schicken wir dich zum Vergasen.“ Die „Sonderbehandlung 14f13“ im Schloss Hartheim 1941–1944, in: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2. Auflage, Linz 2008, S. 155-208.