Augsburg, Bahnhofstraße 18 1/5
Freitod am 6. November 1941
Am 28. Juni 2017 wurde ein Erinnerungsband für Karolina und Hugo Steinfeld in der Bahnhofstraße 18 angebracht.
(Archiv des Leo Baeck Instituts New York/USA, Sammlung John L. Englaender.)
Wiedergabe des Abschiedsbriefs mit freundlicher Genehmigung von George Sturm; das Original des Briefs befindet sich im Archiv des Leo Baeck Institute New York/USA, Sammlung John L. Englaender.
Transkription:
Mein liebes Hedele
lieber Paul!
Wie oft waren wir im Laufe des letzten Jahres schon entschlossen[,] dieser schönen Welt Lebewohl zu sagen, immer hat uns die Rücksicht auf Euch zurückgehalten. Aber nun sind wir beide körperlich & seelisch zermürbt & die Zukunft wäre so unerträglich, daß wir nur noch den einen Wunsch haben, schnell & wenn möglich schmerzlos hinüberzuschlafen. Wenn es uns gelingt[,] dann sind wir von allem Erdenleid erlöst und wenn Ihr den ersten Schmerz überwunden habt, dann werdet Ihr auch froh sein, uns nicht in diesem Zustand verlassen zu müssen.
Wir hoffen & wünschen von ganzem Herzen, daß Ihr nun doch diesmal Euer Ziel erreicht, daß Ihr einer glücklichen Zukunft entgegengeht. Verwendet unsere Sachen in Euerm Sinn, gebt Frau J. von Schuhen und Kleidern was sie will. Die Hauptsachen stehen im Testament. – An mein Annele will ich nicht schreiben, da ich ja nicht weiß, wie die Sache hinausgeht. Aber daß meine Gedanken & Wünsche bei ihr & all unsern Lieben drüben sind, das sagt ihr bitte. – In die Zeitung soll es nicht kommen & Grabrede möchten wir auch nicht; ich möchte nur bestimmt mit dem l[ieben] Papa verbrannt werden & so zum ewigen Frieden eingehn. Lebt wohl, seid tapfer wie es von Herzen wünscht
Eure Euch innigst liebende
Mutti Lina.
Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.