Johann Stegmüller

Date of Birth:
30.10.1910, Augsburg
Deceased:
28.08.1951, Hirblingen

Residencies

Augsburg
Hirblingen, Wertinger Straße 6

Last voluntary residence

Places of persecution

Erbgesundheitsgericht Augsburg

Erbgesundheitsobergericht München

Städtisches Krankenhaus Augsburg

Memorial sign

Für Johann Stegmüller wurde am 19. Juli 2022 in Hirblingen ein Stolperstein verlegt.

Biography

Johann Stegmüller, geb. am 23.10.1910 in Augsburg, ohne Beschäftigung;
Beschluss des EGG vom 26.10.1934, wohnhaft in Hirblingen, Haus Nr. 16, heute Wertinger Straße 6,
zwangssterilisiert nach Beschluss des Erbgesundheitsobergerichts (EGOG) vom 29.1.1935, verstorben am 28.8.1951

Johann Stegmüller ist am 23. Oktober 1910 in Augsburg geboren. Seine Eltern sind der Gablinger Zimmermann Anton Stegmüller1 und Josefa geb. Schweighofer, die aus Hirblingen stammt. Das Paar heiratet am 22. April 18992 in Augsburg-Oberhausen. Johann hat 6 ältere Geschwister, Anna3 (geb. 1898), Josefa (geb. 1900)4 , Philomena5 (geb. 1905), Anton6 (geb. 1906), Johann (geb. 1908), der 10 Tage nach seiner Geburt verstirbt7 , sowie Johanna8 (geb. 1909). Johann hat noch zwei jüngere Geschwister, Adolf9 (geb. 1912, verst. 1913) und Rosina10 , die 1914 geboren ist.11

Die Familie zieht 1907 von Kriegshaber nach Augsburg und wohnt dort 11 Jahre lang. Anton ist bei der Firma F.B. Silbermann12 als Zimmermann beschäftigt.

Unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg meldet sich die Familie im Januar 1919 nach Hirblingen ab.13 Anton verliert das Augsburger Bürgerrecht infolge seines Wegzugs nach Hirblingen.14 Die Familie wohnt in Hirblingen im Haus Nr. 1615 , dem Haus der Eltern von Josefa Schweighofer.

Epileptische Erkrankung Johanns

Seit seinem 6. Lebensjahr wird Johann von epileptischen Anfällen geplagt. Das Gesundheitsamt Augsburg hat zwar eine Karteikarte zu Johann Stegmüller angelegt, allerdings sind keine Aktenvorgänge überliefert. Die Epilepsie von Johann wird folglich erst während der Zeit des Nationalsozialismus 1934 aktenkundig.16

Anfangs hat Johann alle 14 Tage Anfälle, jeweils zehn Mal hintereinander, später im Abstand von 8–10 Tagen jeweils vier bis fünf Mal hintereinander17 . Wegen der Anfälle kann Johann keinen Beruf ausüben, und er bleibt im elterlichen Haus, zuerst in Augsburg, ab 1919 in Hirblingen. Zwischen den Anfällen hilft er im (groß)väterlichen Betrieb so gut es geht mit.

Ob er eine schulische Ausbildung zumindest begonnen hat, wissen wir nicht. Johann selbst führt die Anfälle auf einen Unfall zurück, über den er aber keine näheren Angaben machen kann. Schädel- oder Hirnverletzungen lassen sich bei ihm nicht nachweisen.18

Historisch-politischer Hintergrund der Zwangssterilisationen im Nationalsozialismus

Für die nationalsozialistische Ideologie der Züchtung einer Herrenrasse für den später zu führenden rassistisch-sozialdarwinistischen Lebensraumkrieg sind Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen von Anfang an ein Dorn im Auge. Mit dem am 14. Juli 1933 erlassenen „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde die Idee der eugenischen19 Säuberung der Bevölkerung von vermeintlich minderwertigem Erbgut in praktische Politik umgesetzt. Das Gesetz schrieb fest:

„Wer erbkrank ist, kann durch chirurgischen Eingriff unfruchtbar gemacht (sterilisiert) werden, wenn nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass seine Nachkommen an schweren körperlichen oder geistigen Erbschäden leiden werden … Erbkrank im Sinne dieses Gesetzes ist, wer an einer der folgenden Krankheiten leidet:

  • Angeborenem Schwachsinn
  • Schizophrenie
  • Zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein
  • Erbliche Fallsucht
  • Erblichem Veitstanz (Huntingtonsche Chorea)
  • Erbliche Blindheit
  • Erbliche Taubheit
  • Schwerer erblicher körperlicher Missbildung
    Ferner kann unfruchtbar gemacht werden, wer an schwerem Alkoholismus leidet.“

Nach den Bestimmungen des Gesetzes wurden bis zum Ende des III. Reiches etwa 400 000 Menschen zwangssterilisiert: Die Opfer waren neben Epileptikern, Geisteskranken und körperlich Behinderten eben auch Fürsorgeempfänger, Langzeitarbeitslose, Alkoholiker und sogenannte „Asoziale“.

Diese sog. „Ballastexistenzen“, wie sie von Eugenik-Befürwortern und Nazis insbesondere genannt wurden, sollten sich nicht fortpflanzen dürfen. Ärzte, Sozialarbeiter, Lehrer und Hebammen hatten im Falle angeblich erblich bedingter Auffälligkeiten und Krankheitsbilder die gesetzliche Pflicht zur Anzeige beim Gesundheitsamt. Hier kam es zu Denunziationen in großem Umfang.

Nach Erstellung eines Gutachtens beantragte das Gesundheitsamt beim Erbgesundheitsgericht die Sterilisation. Erbgesundheitsgerichte und Obergerichte wahrten den Schein der Rechtsstaatlichkeit, aber in sämtlichen Fällen spielte die Erblichkeit von Krankheiten nur eine untergeordnete Rolle. Ab 1935 benötigten Heiratswillige ein „Ehetauglichkeitszeugnis“ des Gesundheitsamtes.

In der Praxis wurden auf der Grundlage des Gesetzes in großer Zahl Menschen zwangssterilisiert, die körperlich vollkommen gesund waren. Das Gesetz geriet weitgehend zu einem Instrument der Verfolgung von „rassisch Entarteten“ bzw. „Gemeinschaftsfremden“, pauschal also von „Asozialen“ nach dem Verständnis der rassistisch geprägten Volksgemeinschaftsideologie. Dabei half der Umstand, dass Diagnosen wie „Geistesschwäche“, „Schizophrenie“ oder „schwerer Alkoholismus“ erhebliche Interpretationsspielräume zuließen.

Die Rassisten erfanden weitere angeblich erbliche Merkmale, die bewusst auf die Erfassung gesellschaftlicher Außenseiter gerichtet waren, nämlich „moralischer Schwachsinn“ bzw. „sozialer Schwachsinn“. Betroffen waren unter anderem Mitglieder von Großfamilien der Unterschichten, ledige Mütter, lernbehinderte Kinder (Sonderschülerinnen und Sonderschüler, damals „Hilfsschüler“ genannt), weiter Bettler, Wohnungslose, Fürsorgezöglinge und Vorbestrafte. Sie sind die Hauptzielgruppe der vorgenommenen Zwangssterilisationen.

Den zuletzt Genannten drohte darüber hinaus als „Asozialen“ die Einweisung in ein KZ. An Sinti und Roma wurden ab 1934 Zwangssterilisationen praktiziert, wobei sie unter die Kategorie „Schwachsinnige“ eingeordnet wurden. Sie waren für die Rassenforscher Menschen mit fehlender geistiger und sozialer Entwicklung. An ihnen erprobte man Methoden zur Massensterilisation.

Etwa tausend Menschen, die in die Mühlen des Verfahrens einer Zwangssterilisation gerieten, haben sich selbst getötet.

Johann Stegmüller als Opfer der NS-Ideologie

Der Bezirksarzt zeigt Johanns epileptische Beeinträchtigung beim Gesundheitsamt an, das den Fall an das Erbgesundheitsgericht Augsburg zur Entscheidung weiterleitet. Johann ist 25 Jahre alt.

Unter Berufung auf Art. 1 Abs. 2 Ziffer 4 des Erbgesundheitsgesetzes kommt das Erbgesundheitsgericht Augsburg unter Vorsitz von Amtsgerichtsrat Anhäußer, assistiert von Landgerichtsarzt Obermedizinalrat Dr. Steidle und dem Kinderarzt Dr. Wilhelm Mayr, am 26. Oktober 1934 zum einstimmigen Beschluss, Johann Stegmüller unfruchtbar zu machen. Es sei mit „großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass etwaige Nachkommen des Stegmüller an schweren körperlichen oder geistigen Erbschäden leiden werden.“ Die Krankheit sei „durch einen für das Deutsche Reich approbierten Arzt einwandfrei festgestellt“20 .

Erbgesundheitsgerichtsurteil vom 26.10.1934, bestätigt vom Erbgesundheitsobergericht vom 29.1.1935.

Über das Wesen und die Folgen der Unfruchtbarmachung sei Stegmüller aufgeklärt worden. Verwunderlich ist, dass das Gericht sich nicht einmal annähernd die Mühe macht, die Epilepsie von Johann als Erbkrankheit nachzuweisen. Heute weiß man, dass die Forschung zum damaligen Zeitpunkt die Frage nach der tatsächlichen Erblichkeit definitiv nicht beantworten konnte, stand doch eine erbliche Diagnostik damals noch nicht zur Verfügung.21

Folgerichtig gibt sich die Familie mit dem Urteil nicht zufrieden und legt durch Rechtsanwalt Dr. Frey II am 1.12.1934 Beschwerde gegen das Urteil ein.

Berufung beim Erbgesundheitsobergericht in München

Daher wird der Fall Johann Stegmüller an das Erbgesundheitsobergericht in München verwiesen. Das Gericht tagt am 29. Januar 1935 unter Vorsitz des Oberlandesgerichtsrat Gros, dem Obermedizinalrat Univ. Prof. Dr. Merkel und Univ. Prof. Dr. Ernst Rüdin22 in nichtöffentlicher Sitzung.

Dort wird die Beschwerde der Familie Stegmüller als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt das Gericht an, dass nach den Beobachtungen des Amtsarztes Anfälle seit dem 6. Lebensjahr aufgetreten seien, Zungenbisse und deren Narben festgestellt worden seien. Amtsarzt und Bezirksfürsorgerin hätten Johann laufend beobachtet und seien zur Auffassung gelangt, dass es sich um epileptische Anfälle handle. Der Rechtsanwalt der Familie Stegmüller, Dr. Frey argumentiert, dass Johann 1919 eine Dachplatte ins Genick gefallen sei. Nachdem die Anfälle aber bereits seit 1916 aufgetreten seien, so das Erbgesundheitsobergericht München, käme der Unfall als Ursache für die epileptischen Anfälle nicht in Betracht.

„Das Erbgesundheitsobergericht musste bei diesem Sachverhalt ebenfalls zu der Überzeugung gelangen, dass die Feststellung im angefochtenen Beschlusse, die auf erbliche Fallsucht lautet, zutreffend ist“23 .

Das Erbgesundheitsobergericht führt in der Begründung aus:

„Johann Stegmüller steht im fortpflanzungsfähigen Alter, es ist daher die Gefahr der Entstehung eines Nachwuchses gegeben. Da ferner nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass etwaige Nachkommen des Johann Stegmüller an schweren geistigen Erbschäden leiden werden, musste dem angefochtenen Beschluss beigetreten werden. Die eingelegte Beschwerde war daher, wie geschehen, als unbegründet zurückzuweisen“24 .

Scheinberufung ohne Bemühen um Klärung des Sachverhaltes

Auffällig ist, dass das Erbgesundheitsobergericht sich nicht im Ansatz darum bemühte, der Beschwerde des Rechtsanwaltes und seines Klienten Rechnung zu tragen. Im Gegenteil, das Erbgesundheitsobergericht führt keine erneute Anhörung des Patienten durch und folgt bis in den Wortlaut hinein der Begründung des Erbgesundheitsgerichtes Augsburg.

Die Entscheidung des Gerichts hat massiv in die Lebensperspektive Johann Stegmüllers eingegriffen. Am 3. Juni 1935 wird das Urteil rechtskräftig und Johann Stegmüller sowie dem zuständigen Bezirksarzt Augsburg-Land zugesandt. Johann wird im Städtischen Krankenhaus in Augsburg am 6. Juni 1935 zwangssterilisiert. Wenige Tage später wird er als „geheilt“ entlassen. Welche Ironie!

Wir wissen nicht, wie Johann und seine Familie mit seiner Stigmatisierung und Erniedrigung umgegangen ist. Johann Stegmüller verstirbt am 28. August 1951 in Hirblingen. Seine Mutter Josefa geb. Schweighofer hat sich lebenslang um ihn gekümmert. Sie verstirbt 1952 und ist ebenfalls in Hirblingen beigesetzt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Vater bereits verstorben. Seine Schwester Rosina, mittlerweile als Rosa Hitzler in Augsburg-Oberhausen verheiratet, zeigt den Tod bei der Gemeinde Gersthofen an.25

Ein Familiengrab der Stegmüller ist in Hirblingen nicht mehr vorhanden.

In einem alten Grabbuch des Hirblinger Friedhofs ist Josefa Stegmiller26 , wohnhaft Augsburger Str. 627 , als Besitzerin des Familiengrabs Nr. 81 verzeichnet. Es handelt sich um Johanns ältere Schwester, die am 29.5.1900 geboren ist. 1977 war Josefa Stegmiller, inzwischen verheiratete Schur, für weitere 10 Jahre Inhaberin des Grabes. Zu diesem Zeitpunkt wohnte sie in Augsburg-Oberhausen in der Zollernstr. 34.28

© Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann Gegen Vergessen - Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben bernhard.lehmann@gmx.de

Footnotes
  1. StadtAA, MB Anton Stegmüller: Anton Stegmüller ist am 29.5.1874 in Gablingen geboren, seine Frau Josefa geb. Schweighofer am 17.2.1877 in Hirblingen. Dr. Johannes Krauße, Chronik der Stadt Gersthofen 969-1989; Gersthofen 1989, S. 436 führt unter den Gefallenen des II. Weltkrieges aus Hirblingen unter Nr. 30 einen Anton Stegmiller. Zu Beginn des II. Weltkrieges war Anton Stegmüller allerdings bereits 65 Jahre alt. Es steht außer Zweifel, dass es sich um eine andere Person handelt, die im Krieg gefallen ist.
  2. StadtAGerst, Mitteilung Stadtarchivar Lukas Kleinle vom 2.9.2020. Anders StadtAA: Dort ist der 23.4.1902 genannt.
  3. StadtAA, MB Anton Stegmüller: Anton Stegmüller ist am 29.5.1874 in Gablingen geboren, seine Frau Josefa geb. Schweighofer am 17.2.1877 in Hirblingen. Dr. Johannes Krauße, Chronik der Stadt Gersthofen 969-1989; Gersthofen 1989, S. 436 führt unter den Gefallenen des II. Weltkrieges aus Hirblingen unter Nr. 30 einen Anton Stegmiller. Zu Beginn des II. Weltkrieges war Anton Stegmüller allerdings bereits 65 Jahre alt. Es steht außer Zweifel, dass es sich um eine andere Person handelt, die im Krieg gefallen ist.
  4. Josefa, geb. 29.5.1900, verh. Schur, 1977 wohnhaft in Augsburg-Oberhausen, Zollernstraße 34.
  5. Philomena, geb. 24.9.1905 in Kriegshaber.
  6. Anton Stegmüller, geb. 23.8.1906, verheiratet sich 1936 das erste Mal in München (Nr. 102/1936), am 11.9.1942 schließt er in Wuppertal-Barmen eine zweite Ehe (Heiratsbuch Nr. 1036/1942). Seine zweite Ehefrau Auguste Christiane Rudolph, geb. 6.2.1906, verstirbt 1958 in Köln-Lindenthal (Reg.-Nr. 1455/1958). Das Sterbedatum von Anton Stegmüller ist uns nicht bekannt. Standesamt Wuppertal, Schreiben vom 2.6.21.
  7. Johann, geb. 19.4.1908 in Kriegshaber, verst. 29.4.1908
  8. Johanna Stegmüller, geb. 16.4.1909 in Kriegshaber.
  9. Adolf Stegmüller, geb. 28.12.1912 in Kriegshaber, verst. 19.1.1913 in Augsburg-Oberhausen.
  10. Rosina Stegmüller, geb. 25.10.1914 in Augsburg-Oberhausen, verheiratete Hitzler, wohnhaft 1951 in Augsburg-Oberhausen, Tauscherstr. 22.
  11. StadtAA, MB Stegmüller Anton.
  12. Zur Geschichte der chemischen Fabrik von Franz Baptist Silbermann vgl. https://www.wissner.com/stadtlexikon-augsburg/artikel/stadtlexikon/silbermann/5462. Die Firma stellte hauptsächlich Superphosphat-Düngemittel her.
  13. StadtAA, MB Stegmüller Anton.
  14. Ebenda. Als Kriegsteilnehmer erhielt er das Bürgerrecht „unentgeltlich“ verliehen. Am 28.6.1913 hatte er gemäß Magistratsbeschluss der Gemeinde Gablingen gegen eine Gebühr von 40 M das dortige Heimatrecht verliehen bekommen.
  15. StAA, UR 296/34 Stegmüller Johann. Die Adresse ist heute identisch mit der Wertinger Straße 6. Auskunft Lukas Kleinle, StadtAGerst vom 13.8.2020.
  16. StadtAA, schriftliche Auskunft Georg Feuerer vom 28.7.2020.
  17. Ebenda, Beschluss des Erbgesundheitsgerichtes vom 26.10.1934.
  18. Ebenda.
  19. Konzepte von „Eugenik“, deutsch „Rassehygiene“, waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitet: Die Entwicklung der Menschheit sollte durch Züchtung einerseits und Beseitigung unerwünschten Erbgutes andererseits positiv beeinflusst werden. Der NS-Staat nutzte das für sein „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das am 1. Januar 1934 in Kraft trat. Positive Eugenik: Verbesserung der positiv bewerteten Erbanlagen; negative Eugenik: Verringerung negativer Erbanlagen. Prominente Vertreter der aktiven Eugenikbewegung waren D.H. Lawrence, George Bernhard Shaw, H.G. Wells, in Deutschland traten Karl Bindig und Alfred Hoche, Alfred Ploetz, ebenso Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz als dezidierte Befürworter auf und formulierten die theoretische Grundlage der späteren Maßnahmen. Auch der berühmteste Psychiater des 20. Jahrhunderts, Emil Kraepelin und dessen Schüler Paul Nitsche und Ernst Rüdin (siehe unten Text) haben als deren Vertreter zu gelten. Vgl. Ernst Klee, „Euthanasie“ im Dritten Reich, 3. Auflage Frankfurt/Main 2018.
  20. Ebenda.
  21. Stefanie Westermann, Ein Mensch, der keine Würde mehr hat, bedeutet auf dieser Welt nichts mehr. Zwangssterilisierte Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Margret Hamm, Ausgegrenzt! Warum? Zwangssterilisierte und Geschädigte der NS-„Euthanasie“ in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2017, S. 24-40, hier S. 27.
  22. Prof. Ernst Rüdin galt als dezidierter Vertreter der Eugenik. Bereits ab 1933 arbeitete Rüdin mit den Nationalsozialisten zusammen, unter anderem wurde er Kommissar des Reichsinnenministeriums für Rassenhygiene und Rassenpolitik und 1934 Richter am Erbgesundheitsobergericht. Rüdin wirkte an der Formulierung des 1933 verabschiedeten Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses mit, unterstützte entsprechende reichsweite Datenerhebungen, stand in Kontakt mit den Koordinatoren der Patientenmorde ab 1939 (z.B. Paul Nitsche), war über die „Aktion T4“ informiert, behinderte kollegiale Proteste und förderte die Forschung mit Gehirnen von getöteten Kindern in Heidelberg. 1937 trat er der NSDAP bei. Ernst Rüdin ist einer der hauptverantwortlichen Forscher – und damit auch Täter –, die zur Legitimation der nationalsozialistischen Sterilisierungs- und Tötungsaktionen beitrugen. Nach Kriegsende wurden ihm alle Ämter sowie die Schweizer Staatsbürgerschaft entzogen. Im Entnazifizierungsverfahren 1948/49 rechtfertigte er sich mit einer gängigen Schutzbehauptung, rein als Wissenschaftler ohne ideologische Absichten gearbeitet zu haben. Er wurde unter anderem nach entlastenden Aussagen von Max Planck als „Mitläufer“ eingestuft und starb 1952. Zur Biografie: https://biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/131-ruedin-ernst; vgl. ebenso: https://www.spiegel.de/wissenschaft/nazi-eugeniker-ernst-ruedin-wie-seine-juenger-nach-dem-krieg-karriere-machten-a-00000000-0002-0001-0000-000163955882 . Vgl. ebenso: Michael von Cranach, Petra Schweizer-Martinschek, Petra Weber (Hrsg.), „Später wurde in der Familie darüber nicht gesprochen.“ Gedenkbuch für die Kaufbeurer Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“- Verbrechen, Neustadt/Aisch, 2020, S. 17.
  23. Staatsarchiv Augsburg, Staatsarchiv Augsburg, UR 296/34 Stegmüller Johann. Beschluss des Erbgesundheitsobergerichtes vom 29.1.1935.
  24. Ebenda.
  25. StadtAGerst, Todesurkunde Johann Stegmüller. Rosa Hitzler wohnt in Augsburg-Oberhausen in der Tauscherstraße 22.
  26. Stegmiller taucht hier immer in dieser Schreibweise auf, nicht aber als Stegmüller.
  27. Es ist anzunehmen, dass die Wertingerstr. 6 gemeint ist, das Elternhaus von Josefa Stegmiller.
  28. Auskunft Diözesanarchivar Dr. Thomas Groll vom 4.3.2021.
Sources and literature
Unpublished sources:

Staatsarchiv Augsburg (StAA)
UR 296/34 Stegmüller Johann, Sterilisationsakte

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldebogen (MB):
Anton Stegmüller

Stadtarchiv Gersthofen (StadtAGerst)
Mitteilung Stadtarchivar Lukas Kleinle vom 2.9.2020

Todesurkunde Johann Stegmüller

Published sources:

Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein

Internet:
Literature:

Stefanie Westermann, Ein Mensch, der keine Würde mehr hat, bedeutet auf dieser Welt nichts mehr. Zwangssterilisierte Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Margret Hamm, Ausgegrenzt! Warum?. Zwangssterilisierte und Geschädigte der NS-“Euthanasie“ in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2017, S. 24-40