Jakob Gruber

Date of Birth:
28.07.1881, Augsburg
Deceased:
Todestag und Todesort nicht bekannt

Residencies

Kriegshaber
Augsburg, Katharinengässchen B170/I (heute 30)
Augsburg, Kaiserstraße 55/0 (heute: Konrad-Adenauer-Allee)
Augsburg, Sophienstraße 1/III (ab 1939 Brunhildenstraße)

Last voluntary residence

Places of persecution

Deportation
am 2. April 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Piaski

Biography

Jakob Gruber wurde am 28. Juli 1881 geboren und wuchs in Augsburg-Kriegshaber auf.1 Die Eltern waren Abraham Gruber und seine Frau Mathilde, geb. Sänger.2 1920 wohnte Jakob Gruber im Katharinengässchen B170/I (heute 30).3 Er war von Beruf Viehhändler und meldete am 13. November 1920 ein Gewerbe in Augsburg an.4 Später zog er in die Kaiserstraße 55/0, wo er bis mindestens 1935 lebte.5

Während des Ersten Weltkriegs diente er als Soldat bei der Infanterie.6 In den Militärakten wurde sein Äußeres folgendermaßen beschrieben: Er war 1,68 m groß, eine „mittlere“ Gestalt, „normales“ Kinn, „normale“ Nase, und „normaler“ Mund. Seine Haare waren blond und er trug einen Schnurrbart.7

In Frankreich nahm er an verschiedenen Kriegshandlungen teil, so z. B. in Mittersheim,  an der Schlacht in Lothringen, an der Schlacht vor Nancy-Epinal, an den Stellungskämpfen im Artois und an der Schlacht bei Arras. Am 30. August 1916 wurde der Soldat bei der Schlacht an der Somme durch einen Granatsplitter leicht am Kopf verletzt und einen Tag später in die Leichtkrankenabteilung in Rouvray eingewiesen; vom 4.-21. Oktober erhielt er Heimaturlaub. Am 6. April 1917 wurde er bei Arras erneut durch einen Granatsplitter am Kopf verwundet, blieb aber bei der Truppe. Vom 6.-23. Mai 1917 hatte er Fronturlaub. Am 8. November kam er in eine Krankensammelstelle und am 10. November 1917 in die Leichtkrankenabteilung in Gent. Einen Tag später wurde er zurück nach Deutschland gebracht.8 Am 22. November 1918 wurde er nach Augsburg entlassen.9 In seiner Militärzeit wurden er mit dem Militärverdienstkreuz III. Klasse und dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.10

Nach seiner Zeit beim Militär verlobte sich Jakob Gruber mit Ernestine Obernbreit, die am 2. Februar 1895 in Augsburg geboren wurde.11 Ihr Vater war Emanuel Obernbreit, ihre Mutter Cäcilie, geb. Großmann. Ernestine besuchte – genauso wie ihre Schwestern Rosa, Adele und Elsa – die „Städtische Töchterschule“ (ab 1914 „Maria-Theresia-Schule“), wo sie von 1906-1909 in die Klassen 1-3 ging.12

Im Juli 1919 heirateten Jakob und Ernestine. Von Jean Mar (Ilse Marx), einer Nichte des Bräutigams, ist folgende Schilderung der Hochzeit überliefert:

„Eine Hochzeit im Sommer

Zu jener Zeit wurde das Hochzeitsmahl im Haus des Bräutigams abgehalten, gewöhnlich im Wohn- und Esszimmer. Das Brautpaar, die Eltern und alle Geschwister fuhren in einem Pferdewagen, genannt ›Viktoria-Kutsche‹ (es war das bevorzugte Reisemittel der Königin Viktoria), in die Synagoge zur Hochzeits-Zeremonie, die an einem Sonntag stattfand. Danach kehrten die Gäste zum Haus meiner Großeltern zurück, um das Hochzeitsmahl einzunehmen.
Das Wohnzimmer war sehr groß, und um jedermann gut unterzubringen, wurden drei lange Tafeln aufgestellt und Stühle aus den nahegelegenen Restaurants ausgeliehen. Um Platz zu schaffen, verstaute man alle kleineren Tische und Möbelstücke in einem der Schlafzimmer. Meine Großmutter war eine sehr gute Köchin; sie war es, die die Mahlzeit herstellte: Suppe, gekochten Karpfen, Sauerbraten und viele Gemüse-Beilagen. Die Mutter der Braut steuerte die Desserts bei, wozu eine hübsche Auswahl von Keksen gehörte.
Selbstverständlich wurde alles im Voraus zubereitet. Weil meine Großmutter eine praktizierende Jüdin war und am Schabbat nicht kochen durfte, musste sie alle Gerichte am vorangehenden Donnerstag und Freitag kochen. Es gab keine Kühltruhe, das Essen wurde im Keller aufbewahrt. Obwohl es Juli war und sehr heiß, wurde niemand vom Essen krank. Ich erinnere mich gut an das Ereignis: Ich war zwölf Jahre alt und es war die erste Hochzeit, die ich miterlebte. Vor allem das Essen bestimmt meine Erinnerung, und da ich jetzt daran denke, sollte ich vielleicht die obige Bemerkung, dass ‚niemand‘ vom Essen krank geworden sei, berichtigen. Denn tatsächlich wurde die Braut krank! Zu jener Zeit, muss man wissen, lebte jedermann von rationierten Lebensmitteln, und die Braut, an so reichhaltiges Essen nicht gewöhnt, bekam Magenschmerzen. Laut ihrem Arzt hatte sie zuviel gegessen!“13

Das Paar bekam zwei Söhne: Paul, geboren am 16. Juli 1920, und Kurt, geboren am 19. Oktober 1923.14

Wie schnell die wirtschaftliche Ausgrenzung nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten für die Viehhandlung von Jakob Gruber spürbar wurde, lässt sich nicht klar feststellen. Am 8. November 1938 war er gezwungen sein Gewerbe als Kleinviehhändler abzumelden.15 In diesem Jahr zog die Familie um in die Sophienstraße 1/III, 1939 umbenannt in Brunhildenstraße.16 Am 2. April 1942 wurden Jakob und Ernestine Gruber zusammen mit ihrem jüngeren Sohn Kurt von Augsburg über München-Milbertshofen in das Ghetto Piaski deportiert.17 Sie gelten als verschollen, sehr wahrscheinlich wurden alle drei von Piaski in ein Vernichtungslager verbracht und ermordet. Sie wurden am 7. Mai 1945 für tot erklärt.18

Die Namen von Jakob, Ernestine und Kurt Gruber sind auf einer Glastafel der Schoa-Gedenkstätte im Augsburger Rathaus aufgeführt.

Der ältere Sohn Paul konnte 1938 in die USA emigrieren. Er hatte in Augsburg die Städtische Höhere Handelsschule besucht und eine Ausbildung zum Textilkaufmann gemacht. 1941 wohnte Paul Gruber in New York und hielt Verbindung mit dem früheren Augsburger Rabbiner Ernst Jacob. Er trat in die US-Armee ein und diente bis 1945, mit Einsätzen unter anderem auf den Philippinen und in Okinawa (Japan). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als Ingenieur und wurde für Erfindungen im Radio-Bereich 1992 mit der Armstrong-Medaille geehrt. Mit seiner Frau Dorothy, geb. Casper hatte er zwei Töchter und einen Sohn. Er starb am 4. April 2003 in Boca Raton (Florida, USA).19

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Tim Seehüter, Schüler des Oberstufenjahrgangs 2016/2018 am Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen, im Rahmen des W-Seminars „Biografien von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus im Großraum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.

Footnotes
  1. StadtAA, MK II Jakob Gruber; http://www.muenchen.de/rathaus/gedenkbuch/gedenkbuch.html, Eintrag Mathilde Gruber, geb. Sänger (aufgerufen am 26.11.2018).
  2. https://www.geni.com/people/Jacob-Gruber/6000000003402153406 (aufgerufen am 9.11.2018); http://www.muenchen.de/rathaus/gedenkbuch/gedenkbuch.html, Eintrag Eintrag Mathilde Gruber, geb. Sänger (aufgerufen am 26.11.2018).
  3. Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1920, Augsburg 1920.
  4. StadtAA, MK II Jakob Gruber.
  5. Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1927, Augsburg 1927; Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1932, Augsburg 1932.
  6. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, Bd. 2429 KStR Bd. 1 (eingesehen bei www.ancestry.de).
  7. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, Bd. 7769 KStR Bd. 4 (eingesehen bei www.ancestry.de).
  8. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, Bd. 2429 KStR Bd. 1 (eingesehen bei www.ancestry.de).
  9. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, Bd. 7787 KStR Bd. 8 (eingesehen bei www.ancestry.de).
  10. BayHStA, Abt. IV Kriegsarchiv, Bd. 2429 KStR Bd. 1 (eingesehen bei www.ancestry.de).
  11. StadtAA, MK II Jakob Gruber.
  12. http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/index_extern.html (aufgerufen am 05.11.2017).
  13. Jean Mar, „Summer Wedding”, Kittay News, August 2001. Übersetzung M. v. Perger, zit. nach http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/content/pop-up-zeitzeugen-07_16.htm (aufgerufen am 9.11.2018).
  14. StadtAA, MK II Jakob Gruber.
  15. StadtAA, GK Jakob Gruber.
  16. Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1938, Augsburg 1938; Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1939, Augsburg 1939.
  17. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879614 (aufgerufen am 01.10.2018); https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879611 (aufgerufen am 01.10.2018) und https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879620 (aufgerufen am 01.10.2018).
  18. StadtAA, MK II Jakob Gruber.
  19. Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007, S. 235; https://www.geni.com/people/Paul-Gruber/6000000003401860947 (aufgerufen am 9.11.2018).
Sources and literature
Unpublished sources:

Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA), Abt. IV Kriegsarchiv
Kriegsstammrollen (KStR; eingesehen bei www.ancestry.de):
– Bd. 2429 KStR Bd. 1
– Bd. 7769 KStR Bd. 4
– Bd. 7787 KStR Bd. 8

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Gewerbekartei (GK):
– GK Jakob Gruber

Meldekarten II (MK II):
– MK II Jakob Gruber

Internet:

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879611 (aufgerufen am 01.10.2018)

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879614 (aufgerufen am 01.10.2018)

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de879620 (aufgerufen am 01.10.2018)

http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/index_extern.html (aufgerufen am 05.11.2017)

https://www.geni.com/people/Jacob-Gruber/6000000003402153406 (aufgerufen am 9.11.2018)

https://www.geni.com/people/Paul-Gruber/6000000003401860947 (aufgerufen am 9.11.2018)

Jean Mar, „Summer Wedding”, Kittay News, August 2001. Übersetzung M. v. Perger, zit. nach http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/content/pop-up-zeitzeugen-07_16.htm (aufgerufen am 9.11.2018)

http://www.muenchen.de/rathaus/gedenkbuch/gedenkbuch.html, Eintrag Mathilde Gruber, geb. Sänger (aufgerufen am 26.11.2018)

Literature:

Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.