Augsburg-Kriegshaber
Augsburg, Maximilianstraße 35
Augsburg, Kaiserstraße 37 (heute Konrad-Adenauer-Allee)
Augsburg, Volkhartstraße 10
Augsburg, Volkhartstraße 4
Augsburg, Brunhildenstraße 1
Deportation am 2. April 1942 von Augsburg über München- Milbertshofen nach Piaski
Alfred Thanhauser wurde am 15. September 1883 in Kriegshaber geboren.1 Der Ort war bei seiner Geburt eine eigenständige Gemeinde, wurde aber 1916 nach Augsburg eingemeindet. Auch die Jüdinnen und Juden aus Kriegshaber schlossen sich 1917 der Augsburger Kultusgemeinde an.2
Seine Eltern hatten schon am 10. September 1894 Kriegshaber in Richtung Augsburg verlassen.3 Sein Vater Heinrich kam ursprünglich aus Fischach, seine Mutter Mina, geb. Jacobi aus Aufhausen bei Neresheim. Alfred hatte vier ältere und vier jüngere Geschwister:
-Julius (25.05.1878, Kriegshaber – 04.08.1900, Augsburg)4
-Nathan (21.10.1879, Kriegshaber – nach Piaski deportiert)5
-Sali (20.11.1880, Kriegshaber – 01.08.1915, gefallen bei Bayernhütte)6
-Siegfried (04.02.1882, Kriegshaber – 23.09.1899)7
-Samuel (17.01.1885, Kriegshaber – ?)8
-Karolina (25.06.1886, Kriegshaber – 02.02.1914, Düsseldorf)9
-Karl (12.10.1887, Kriegshaber – 12.1966, Montevideo/ Uruguay)10
-Frieda (10.02.1891, Kriegshaber – nach Piaski deportiert, 31.12.1945, für tot erklärt)11
Der Vater meldete in Augsburg einen Güterhandel in der Maximilianstraße A 6 (heute: 35) an, wo die Familie auch wohnte.12 Er starb am 7. Juni 1906.13 Einige Jahre später (Juni 1914) zog Alfred zusammen mit seiner Mutter in die Kaiserstraße 37 (heute Konrad-Adenauer-Allee).14 Nach deren Tod am 27. März 1916 mietete er zusammen mit seiner Schwester Frieda eine große Wohnung im dritten Stock der Volkhartstraße 10.15 Die Geschwister lebten ihr ganzes Leben zusammen unter einem Dach. Für die beiden wurde ab 1917 die neue Synagoge in der Halderstraße zum religiösen Zentrum. Schon 1912 hatten sie sich dort je einen Platz auf Lebenszeit gekauft.16
Im ersten Weltkrieg diente Alfred Thanhauser beim „Bayer. Reserve-Infanterie-Regiment No. 3 (Memmingen), Ersatz-Bataillon“.17
Alfred war Kaufmann und baute sich mit seinem mütterlichen Erbteil und der Unterstützung seiner Schwester Frieda Schritt für Schritt eine Holz- und Metallbearbeitungsmaschinenhandlung auf. Anfangs war diese ein kleiner Lagerraum mit Maschinen und Werkzeugen in seiner Wohnung in der Volkhartstraße 10.18 Mit steigendem Erfolg konnte er ein Lager am Katzenstadel 8 einrichten.19
1933 oder 1934 zogen die Geschwister dann in das Erdgeschoss der Volkhartstraße 4.20
Durch die Boykottmaßnahmen des NS-Regimes gegen Betriebe mit jüdischen Inhabern kamen auch die Geschäfte von Alfred Thanhauser zum Erliegen.21 Spätestens im Januar 1939 wurde es zwangsgeschlossen.22 Laut Auskunft der Industrie- und Handelskammer Augsburg vom 20. Juli 1951 wurde die Firma nicht veräußert, sondern wahrscheinlich nach seiner Deportation geplündert.23
Nach der Pogromnacht 1938 wurden die Geschwister dann gezwungen, in die Brunhildenstraße 1 zu ziehen.24
Vom 31. Juli 1940 bis zum 30. März 1942 wurde Alfred Thanhauser gezwungen bei der Firma Schaffner Zwangsarbeit zu leisten.25 Mit 20 anderen Juden musste er u. a. in Pfersee Gräberreihen erstellen.26 Ab 1941 fuhr er täglich mit der Bahn nach Kissing um 8 Stunden in einem Quetschwerk zu arbeiten.27 In den Dokumenten des Entschädigungsverfahrens wurde aus Briefen zitiert, die Alfred und Frieda an Verwandte geschrieben hatten und Bezug auf die Arbeitssituation nahmen. Am 6. Oktober 1940 schrieb seine Schwester: „Alfred hat es sehr, sehr streng.“28 Er selbst notierte am 8. November 1940: „Nachdem [ich] seit über 1 1/4 Jahr [ein viertel Jahr, Anm. d. Verf.] schwere Maurerarbeit machen muß, habe ich natürlich keine leichten Hände, um mit Maschine zu schreiben. Vielleicht schrieb ich schon, daß wir an der Wertach Betonarbeiten zu machen haben, jetzt gerade in Göggingen; wird wohl ganzen Winter andauern. […]“29
Am 4. April 1942 wurden die Geschwister Thanhauser von der Gestapo München nach Piaski bei Lublin deportiert. In den ersten zwei Monaten bestand wohl noch Briefverkehr zwischen den Geschwistern und der Familie, danach nicht mehr.30 Wo sie ermordet wurden, ist nicht bekannt. Am 23. März 1952 erklärte sie das Amtsgericht Augsburg für tot. Der Zeitpunkt des Todes wurde auf den 31.12.1945 festgesetzt.31
Samuel und Karl Thanhauser, Brüder von Alfred, versuchten nach dem Tod ihrer Geschwister, Entschädigungen zu erhalten. Ihnen wurde ein Betrag für die NS-Zwangsabgaben zugesprochen, die der Bruder geleistet hatte.32 Auch für den geraubten Besitz konnte eine Entschädigung erlangt werden.33
Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Fabian Pinkawa, Schüler des Oberstufenjahrgangs 2018/2020 am Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen, im Rahmen des W-Seminars „Jüdische Opfer des Nationalsozialismus im Großraum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)**
**Landesentschädigungsamt (LEA):
– 3605
Abt. IV Kriegsarchiv:
Kriegsstammrollen (KStR)
– Alfred Thanhauser
Staatsarchiv Augsburg (StAA)
– Karl Thanhauser, Montevideo, den 19.3.1951 an Wiedergutmachungsbehörde Augsburg: Rückerstattungssache Karl und Samuel Thanhauser
Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldebogen (MB):
– Alfred Thanhauser
– Heinrich Thanhauser
Meldekarten 2 (MK 2):
– Fehlkarte Frieda Thanhauser
Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941-1949 (Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.
Souzana Hazan/Benigna Schönhagen, Das jüdische Kriegshaber. Geschichten von Häusern und Menschen in einem Augsburger Stadtteil, Lindenberg 2016.