Siegbert Einstein

Geboren:
27.01.1924, Augsburg
Gestorben:
26.02.1940, Westgate-on-Sea, England

Wohnorte

Augsburg, Ulmer Straße 185
Westgate-on-Sea (England)

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

am 25. Juli 1939 nach England

Biografie

Siegbert Einstein war der Sohn von Moriz und Lydia Einstein. Moriz leitete mit seinen Brüdern Isak, Hermann, Heinrich, Ludwig und Samuel das führende Viehhandelsunternehmen in Schwaben, Lydia kam aus einer Regensburger Kaufmannsfamilie.

Die große Familie Einstein war hochangesehen in Kriegshaber, sozial und religiös engagiert. Der 1924 geborene Siegbert wuchs mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester Liese im Erdgeschoß des Familienhauses in der Ulmer Straße 185 auf. Beide Kinder besuchten die Grundschule an der Ulmer Straße, erhielten Musikunterricht (Siegbert lernte Klavier und Geige), besuchten mit den Eltern Theater und Oper. Im Sommer machte die Familie Ferien in den Alpen oder an den bayerischen Seen. Die Familie Einstein praktizierte die religiösen Bräuche, ging in die Synagoge, ernährte sich koscher, feierte Sukkot in einer Laubhütte im Hof des Anwesens.

Nach 1933 wurden Siegbert und seiner Schwester immer stärker sozial isoliert. Die Jugendlichen traten der Privaten Tennisgesellschaft Augsburg PTGA bei, weil sie als Juden sonst kaum noch bei Freizeitaktivitäten mitmachen durften. Siegbert feierte am 6. Februar 1937 in der Synagoge Kriegshaber seine Bar Mizwa. Da waren schon viele seiner Cousins und Cousinen emigriert. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde die Synagoge Kriegshaber vor der Zerstörung verschont. Es wurden nur einige Gegenstände gestohlen, darunter Siegberts Gebetsmantel. Nach dem Pogrom wurde Siegbert von seiner Schule, dem katholischen Gymnasium St. Stephan, ausgeschlossen; Liese musste das Maria-Theresia-Gymnasium verlassen. Die Geschwister besuchten nun die einklassige jüdische Schule in der Synagoge an der Halderstraße. Weil dort der Unterricht nur unzureichend sein konnte, förderten die Eltern ihre Kinder zu Hause weiter, so gut es ging. Moriz Einstein und seine Brüder wurden gezwungen, ihr Geschäftshaus zu niedrigem Preis zu verkaufen, die Einsteins mussten auch ihre Wertsachen abgeben.

Nun entschlossen sich die Eltern, wenigstens ihre Kinder ins Ausland zu bringen. Am 25. Juli 1939 verließen Siegbert und Liese Einstein mit einem Kindertransport, der sie nach England bringen sollte, Deutschland. Von München fuhren sie per Zug und Schiff über die Niederlande und den Kanal nach London, und von dort weiter in den südostenglischen Küstenort Westgate-on-Sea. Die Geschwister wurden in einem Heim für geflüchtete Kinder und Jugendliche untergebracht. Mit ihren Eltern konnten sie durch Briefe in Kontakt bleiben. Ende 1939 berichtete ihnen Siegbert stolz, dass er und Liese im Schulzeugnis zu Weihnachten eine sehr gute Note im Englischen bekommen hatten. Kurz darauf fand Siegberts Leben ein tragisches Ende. Im Januar 1940 bekam er eine Herzentzündung, die auch seine Nieren angriff. Liese pflegte ihren Bruder zuerst im Heim, danach kam er ins Krankenhaus, wo man ihm aber nicht mehr helfen konnte. Nur sieben Monate nach der Emigration starb Siegbert Einstein am 26. Februar 1940, gerade 16 Jahre alt.

Angela Bachmair

Angehörige
Quellen- und Literaturverzeichnis
Literatur:

Monika Müller, „Es ist ein hartes Los, das uns getroffen hat.“ Der Weg der Familie Einstein aus Augsburg-Kriegshaber (Lebenslinien. Deutsch-jüdische Familiengeschichten Bd. 5), Augsburg 2012.

Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.