Olexndr Natotschij

Geboren:
22.08.1920, Ukraine
Gestorben:
Todestag und Todesort nicht bekannt

Wohnorte

Ukraine

Orte der Verfolgung

Arbeitseinsatz in der Dynamit AG Bobingen
KZ Dachau
KZ Außenlager Allach

Biografie
Olexndr Natotschij.

Olexndr Natotschij, geb. am 22.08.1920

Arbeitseinsatz in der Dynamit AG Bobingen,
KZ Dachau; KZ Außenlager Allach

Es ist bereits Nachmittag, als wir Alexander besuchen, die Sonne steht hoch am Horizont, es ist glühend heiß, Alexander sitzt auf seiner winzigen Terrasse vor seinem Häuschen mitten an der Hauptstrasse in Jahotyn. Er hat uns schon erwartet, aber eine Konversation mit ihm kommt nicht zustande, er ist extrem schwerhörig. Alle Fragen, die wir stellen, missversteht er, ein Hörgerät hat er nicht, er wurde nicht als Invalide der Stufe I eintaxiert, daher bekommt er von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ auch kein Hörgerät finanziert. Welche Logik! Ich dachte, die Stiftung sei dazu da, den Opfern zu helfen.

Alexander kommt, nachdem er von Bobingen gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Bojko geflohen ist, ins KZ Dachau und dann ins KZ-Außenlager Allach, wo er als Facharbeiter bis Kriegsende arbeiten muss. Das einzige, was wir von ihm erfahren, ist seine Häftlingsnummer in Dachau: 48078. Es ist bezeichnend, dass alle Opfer ihre Häftlingsnummer so genau wissen,  denn das war der Verlust an Identität und Würde, eine Demütigung für die Gefangenen schlechthin.

Wir fragen, ob nicht die Ehefrau Valentina die Fragen beantworten kann, schließlich sind die beiden ja seit Jahrzehnten miteinander verheiratet. Die Babuschka kommt, sie hat nur wenige  Zähne im Mund, wie Alexander übrigens auch. Die ärztliche Versorgung der Rentner in der Ukraine ist wirklich katastrophal.

Wir stellen Fragen, aber die Ehefrau hört noch schlechter als Alexander.

Olexndr Natotschij und seine Ehefrau.

Das führt zu grotesken Situationen, denn die beiden alten Leute verstehen unsere Fragen nicht und antworten gänzlich unerwartet auf nicht gestellte Fragen. Der Schwiegersohn vertröstet uns und meint, wir sollten Alexander Bojko fragen, der unweit von hier wohne, mit  dem 87-jährigen Alexander deportiert worden sei, gemeinsam mit ihm aus Bobingen floh und über ein hervorragendes Gedächtnis verfüge.

So geben wir denn auf, Alexander weiterhin zu befragen. Aber eines sagt Alexander dann doch zum Abschluss, als ich ihm das Geld überreiche: „Danke, dass ihr euch an mich erinnert. Danke, dass ihr uns nicht vergessen habt, in Deutschland war ich in mindestens 10 verschiedenen Lagern, aber jetzt ist meine Zeit abgelaufen.“

Dr. Bernhard Lehmann

Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Interview mit Olexandr Natotschij im Sommer 2007