Max Franz Josef Schwarzenberger

Geboren:
15.05.1905, Augsburg
Gestorben:
28.05.1942, Hartheim/Linz

Wohnorte

Augsburg, Saarburgstraße 20
Augsburg, Landwehrstraße 18
Augsburg, Rosengasse 38

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

KZ Dachau
KZ Mauthausen
KZ Sachsenhausen
KZ Buchenwald
Tötungsanstalt Hartheim/Linz

Erinnerungszeichen

Am 14. Oktober 2021 wurde für Max Schwarzenberger ein Stolperstein verlegt.

Biografie

Max Franz Josef Schwarzenberger
röm.-kath., geb. am 15. Mai 1905 in Augsburg,
wohnhaft Rosengasse 38,
Opfer der Aktion 14f13,
ermordet in Hartheim/Linz am 28. Mai 1942

Max Schwarzenberger ist am 15. Mai 1905 in Augsburg-Kriegshaber geboren. Seine Eltern sind Ottilie Schwarzenberger und der Straßenbahnschaffner Gottfried Franz. Die Familie zählt zu der bereits seit der frühen Neuzeit diskriminierten, stigmatisierten und marginalisierten Gruppe der Jenischen und wohnt in der Saarburgstraße 20.1 Max hat keine Geschwister.

Max Schwarzenberger als Kind.

Max erlernt den Beruf des Kaminkehrers. Am 15. Juni 1938 wird er von den Nazis auf Anordnung der Kripo Augsburg erstmals in „Schutzhaft“ genommen. Er ist in keiner Partei, aber infolge der Zugehörigkeit zu einer diskriminierten Minderheit mehrfach vorbestraft wegen mehrfacher Gewerbeübertretungen, Unterschlagung, körperverletzenden Widerstands. Insgesamt muss er 1 Jahr Haft im Gefängnis absitzen. Am 15. Juni 1938 wird er wegen Trunkenheit verhaftet.2 Als sein letzter Wohnsitz vor der Verhaftung ist seit dem 28.12.1935 Augsburg, Rosengasse 38 (Jakobervorstadt) angegeben.3

Max gilt als Häftling der Kategorie AZR, „Arbeitszwang Reich“, unter welche hauptsächlich Wanderarbeiter, Obdachlose, Bettler, Landstreicher, Alkoholiker, Kleinkriminelle und sogar Personen fallen, die mit Unterhaltszahlungen im Rückstand sind.4 Auch bei ungenügender Arbeitsleistung und häufigen Fehlzeiten am Arbeitsplatz kann man nach Dachau eingeliefert werden, da beides als „asozial“ gilt.5 Diese Personengruppe soll im KZ „umerzogen“ werden.6 Auch Wohlfahrtshilfeempfänger, die als „asozial“ und „arbeitsscheu“ gelten, können ab Oktober 1934 nach § 20 der Reichsfürsorgeverordnung (RFV) „fürsorglich“ ins KZ eingewiesen werden.7 Gegen Personen, die aus dem einen oder anderen Grund keiner dauerhaften Beschäftigung nachgehen und auf Fürsorgeunterstützung angewiesen sind, konzipierte das Bayerische Innenministerium den Vollzug des fürsorgerechtlichen Arbeitszwangs im KZ Dachau bewusst als „neues, wirksames Zuchtmittel“ gegen „asoziale Personen“.8 Wir müssen demzufolge annehmen, dass Max Schwarzenberger „präventiv“ ins KZ Dachau eingewiesen worden ist.

Unter der Kategorie AZR werden alle Personen registriert, die als „gemeinschaftsfremd“ die Erwartungshaltung der Volksgemeinschaft nicht erfüllen können und „abweichendes Verhalten“ zeigen. Anhand der Schreibstubenkarte aus dem KZ Dachau9 und den Zu- und Abgangslisten der KZ konnten wir seine Aufenthalte rekonstruieren. Im Rahmen der „Umerziehungsmaßnahmen“ wird Max Schwarzenberger unter der Aktion „Arbeitszwang Reich“ (AZR) von einem KZ ins andere „verschubt“.

Aufenthalte von Max Schwarzenberger in Konzentrationslagern:

  • Seit 20.6.1938 Haftanstalt Augsburg10
  • Am 1. Juli 1938 „Verschubung“ nach Dachau.11 , wo er mit der Häftlingsnummer 26443 registriert wird.
  • 03.39 Transport von Dachau ins KL Mauthausen als „Vorbeugehäftling“.12
  • 02.40 vom KL Mauthausen nach Dachau13
  • 09.40 vom KL Dachau nach Sachsenhausen14
  • 09.40 Rücküberstellung von KL Sachsenhausen ins KL Dachau als ASO (=Asozial)15
  • 12.40 vom KL Dachau ins KL Buchenwald16 mit der Häftlingsnummer 3511
  • 03.41 vom KL Buchenwald nach Groß-Rosen (KL Sachsenhausen)17
  • 06.41 zurück von Groß-Rosen ins KL Dachau.18

Die häufigen Überstellungen sind Spiegelbild des Arbeitskräftebedarfs sowie der gnadenlosen Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge 19 gemäß dem Prinzip der „Vernichtung durch Arbeit“.

Am 28. Mai 1942 erfolgt ein sogenannter „Invalidentransport“ von 60 Personen von Dachau nach Hartheim/Linz. Zahlreiche Polen befinden sich in demselben, der Augsburger Max Schwarzenberger ist ebenso auf dieser Liste.20 Die Todgeweihten gehören zynischer Weise zu den Buchstaben R-V.21

Nach dem Stopp der Aktion T422 der Nazis im Herbst 1941 dient die Tötungsanstalt in Hartheim nun einem neuen Zweck. Nicht mehr arbeitsfähige KZ-Häftlinge werden in diesen sogenannten „Invalidentransporten“ dorthin deportiert und in der Regel noch am gleichen Tag vergast.23 Betroffen von dieser „Sonderaktion 14f13“ sind die als „krank, alt und nicht mehr arbeitsfähig“ eingestuften Häftlinge. Nach einer „Begutachtung“ durch Ärztekommissionen werden Häftlinge aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz zum Zweck ihrer Ermordung verbracht.

Diese „Aktion 14f13“ reduziert die Häftlinge auf ihre reine Nützlichkeit als Arbeitskräfte. Später wird sie auf weitere in den Konzentrationslagern internierte Personengruppen ausgeweitet. Die Aktion endet erst mit dem letzten Häftlingstransport nach Hartheim am 11. Dezember 1944. Annähernd 12.000 Menschen werden im Rahmen der „Aktion 14f13“ im Schloss Hartheim ermordet.24

Auf dem Leichenschein wird seiner Mutter Ottilie der 5. Juli 1942 als Todesdatum mitgeteilt, als Ort seines Todes wird Dachau genannt. Die Todesursache sei Versagen von Herz- und Kreislauf, bei Ascites und Ödemen.25

Todesursache, Todesort und Todesdatum werden vom Standesamt Hartheim fingiert.26

Die Asche wird dem Westfriedhof Augsburg zugestellt. Vom Feld 29:14:56 werden die sterblichen Überreste von Max Schwarzenberger im Dezember 1949 auf den KZ Ehrenhain umgebettet.27

Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann StD Gegen Vergessen - Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben; 86368 Gersthofen, Haydnstr. 53

Fußnoten
  1. StadtAA, MK 2, Max Schwarzenberger; ITS Bad Arolsen, Dok. 10296423, Leichenschauschein.
  2. ITS Bad Arolsen, Dok. 7078394 und 7078399.
  3. StadtAA, MK 2, Max Schwarzenberger.
  4. Wolfgang Ayaß, "Asoziale" – die verachteten Verfolgten, in: Dachauer Hefte 14 (1998), S. 50. Vgl. ebenso http://www.hagalil.com/czech/dachau/dachau-3b.htm.
  5. Wolfgang Ayaß, "Asoziale" – die verachteten Verfolgten, in: Dachauer Hefte 14 (1998), S. 50.
  6. Ab 1938 kommt es unter anderem mit der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ immer wieder zu Verhaftungswellen von sozialen Außenseitern, vgl. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung/arbeitsscheu/.
  7. Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938, Göttingen 2017, S. 251ff.
  8. BayHStA, Minn71561, DVO Bay. StMdI zum § 20 RFV (Arbeitszwang), 22.11.1934, siehe Julia Hörath, a.a.O., S. 254f.
  9. ITS Bad Arolsen, Dok. 10750373, Schreibstubenkarte Dachau.
  10. , ITS Bad Arolsen, Dok. 11834247, Auszüge aus Gefangenenbüchern der Haftanstalt Augsburg.
  11. ITS Bad Arolsen, Dok. 11834246 und Dok. 11834247; Dok. 9892447, Zugangsbücher Dachau, Häftlingsnr. 26443.
  12. ITS Bad Arolsen, Dok. 9913064, als Vorbeugungshäftling.
  13. ITS Bad Arolsen, Dok. 9907735; Dok. 1284859.
  14. ITS Bad Arolsen, Dok. 4095239; 9913406; Dok. 9913417.
  15. ITS Bad Arolsen, Dok. 4090987, Dok. 9907783.
  16. ITS Bad Arolsen, Dok. 7078395, Häftling Nr. 3511.
  17. ITS Bad Arolsen, Dok. 4086456; Dok. 7078397, Arbeitskommando 45 - 24.12.40; Dok. 5288035; Dok. 7078396 . Am 12.5.41 vermeldet die Effektenkammer in Groß-Rosen, ITS Bad Arolsen, Dok. 135566, dass der Gefangene 1 Mütze, 1 Paar Schuhe, 1 Paar Strümpfe, 1 Kittel, 1 Hose, 1 Pullover, 1 Hemd, 1 Papier, 1 Messer erhalten habe. Die Entgegennahme wurde von Schwarzenberger Max gegengezeichnet.
  18. ITS Bad Arolsen, Dok. 10750373, Schreibstubenkarte KL Dachau.
  19. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/konzentrationslager.html.
  20. ITS Bad Arolsen, Dok. 9919913.
  21. ITS Bad Arolsen, Dok. 9919913.
  22. Die „Aktion T4“ ist eine nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für die systematische Ermordung von Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland unter der Leitung der Zentraldienststelle Berlin, Tiergartenstraße 4: vgl. Literatur hierzu: Götz Aly, Die Belasteten. „Euthanasie“ 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte; Frankfurt 2012, S. 42ff; Thomas Stöckle. Grafeneck 1940. Die Euthanasie-Verbrechen in Südwestdeutschland, 3. Auflage, Tübingen 2012, S. 73ff.
  23. Durch die sogenannte Aktion 14f13 wurden alleine 36 Augsburger Bürger in Schloss Hartheim bei Linz ermordet und vergast. Augsburger Opfer der NS-Gesundheitspolitik KZ Dachau. Liste erstellt von Anette Eberle.
  24. Nimmt man sämtliche involvierten Lager und „Euthanasiestätten“ hinzu, lag die Summe getöteter KZ-Insassen im Rahmen der „Aktion 14f13“ bei nahezu 30.000, so Volker van der Locht, in: https://www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/nl-beh/newsletter-behindertenpolitik-nr55-zweite-phase-aktion-14f13-1944.pdf; Literatur: Stanisław Kłodziński, Die „Aktion 14f13“. Der Transport von 575 Häftlingen von Auschwitz in das „Sanatorium Dresden“, in: Götz Aly (Hg.), Aktion T4 1939–1945. Die „Euthanasie“-Zentrale in der Tiergartenstraße 4, Berlin 1987; Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2.Auflage, Linz, 2008; Astrid Ley, Vom Krankenmord zum Genozid. Die „Aktion 14f13“ in den Konzentrationslagern, in: Dachauer Hefte 25 (2009), S. 36–49. Wolfgang Neugebauer, Die „Aktion T4“, in: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2. Auflage, Linz, 2008; Florian Schwanninger, „Wenn du nicht arbeiten kannst, schicken wir dich zum Vergasen.“ Die „Sonderbehandlung 14f13“ im Schloss Hartheim 1941–1944, in: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2.Auflage, Linz, 2008, S. 155-208.
  25. ITS Bad Arolsen, indiv. Unterlagen Dachau Dok. 10296424. Schriftliche Anzeige der Staatspolizeileitstelle München vom 6.7.1942.
  26. Zur Praxis der Verschleierung der Todesursachen und des Todesdatums vgl. Thomas Stöckle, Grafeneck 1940. Die „Euthanasie“-Verbrechen in Südwestdeutschland, Tübingen, 3. Auflage, 2012, S. 125.
  27. ITS Bad Arolsen, Dok. 70490247. Städtisches Friedhof- und Bestattungsamt 8.7.52 an das Amt für Öffentliche Ordnung. Vgl. http://www.vvn-augsburg.de/4_stadtrundgang/westfriedhof/westfriedhof.htm.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Veröffentlichte Quellen:

Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein

Internet:
Literatur:

Wolfgang Ayaß, "Asoziale" – die verachteten Verfolgten, in: Dachauer Hefte 14 (1998), S. 50.

Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938, Göttingen 2017.

Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2.Auflage, Linz 2008.

Stanisław Kłodziński, Die „Aktion 14f13“. Der Transport von 575 Häftlingen von Auschwitz in das „Sanatorium Dresden“, in: Götz Aly (Hg.), Aktion T4 1939–1945. Die „Euthanasie“-Zentrale in der Tiergartenstraße 4, Berlin 1987.

Astrid Ley, Vom Krankenmord zum Genozid. Die „Aktion 14f13“ in den Konzentrationslagern, in: Dachauer Hefte 25 (2009), S. 36–49.

Wolfgang Neugebauer, Die „Aktion T4“, in: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2. Auflage, Linz, 2008.

Ulrich Opfermann, Die Jenischen und andere Fahrende. Eine Minderheit begründet sich; in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung.19 (2010), S. 126–150.

Florian Schwanninger, „Wenn du nicht arbeiten kannst, schicken wir dich zum Vergasen.“ Die „Sonderbehandlung 14f13“ im Schloss Hartheim 1941–1944, in: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2. Auflage, Linz, 2008, S. 155-208.

Thomas Stöckle, Grafeneck 1940. Die „Euthanasie“-Verbrechen in Südwestdeutschland, 3. Auflage, Tübingen 2012.

Peter Widmann, An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik. Berlin 2001