Maria Leiter

Geboren:
23.06.1876, Augsburg
Gestorben:
Todestag und Todesort nicht bekannt

Wohnorte

Augsburg, Maximilianstraße 7
Darmstadt
München
Augsburg, Prinzregentenstraße 7/I
Augsburg, Halderstraße 1/III
Augsburg, Zugspitzstraße 24

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 2. April 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Piaski

Biografie

Maria Leiter entstammte einer seit 1874 in Augsburg ansässigen jüdischen Familie. Ihr Vater Moritz Leiter war aus Buttenwiesen zugewandert, ihre Mutter Kathi, geb. Bachmann stammte aus Fischach. 1874 hatten sie in Buttenwiesen geheiratet.

Zu dieser Zeit sind viele Landjuden, nachdem ihnen 1861 in Bayern Freizügigkeit gewährt wurde, in die Städte gezogen oder ausgewandert. In Buttenwiesen, wo seit 1571 Juden bezeugt sind, lebten 1890 232 Einwohner jüdischen Glaubens, während es 1852 noch 446 gewesen waren, das waren fast zwei Drittel des Dorfes.

Moritz Leiter betrieb in Augsburg ein Geschäft für Band-, Putz- und Seidenwaren. 1876 wird die Weißwarenhandlung Moritz Leiter am Ludwigplatz 1 (das ist der „Neue Bau“ Elias Holls) genannt. Später produzierte man auch Trauerhüte und beschäftigte im Jahr 1929 79 Angestellte und importierte Waren aus mehreren europäischen Ländern. Wohnung und Geschäft befanden sich weiterhin in der Nähe des Rathauses in der Unteren Maximilianstraße C 9 und 10, heute Maximilianstr. 7. ( In dem Haus befindet sich z. Zt. ein Rewemarkt.) 1901 war das Geschäft in der Fuggerstraße 4.

Werbeanzeige von Moritz Leiter im Augsburger Adressbuch von 1895.

Moritz und Kathi Leiter sind auf dem Jüdischen Friedhof an der Haunstetter Straße begraben. Moritz starb 1904, Katharina 1925, der älteste Sohn Max 1922.

Die Tochter Maria war das zweite Kind des Ehepaars. 1874 war der Sohn Max geboren, 1876 Maria, 1877 und 1880 kamen die Söhne Julius und Karl zur Welt. (siehe Biografie Karl Leiter)

Im Alter von 21 Jahren heiratete Maria 1897 in Augsburg den Kaufmann Julius Kahn aus Darmstadt und zog dorthin. Nach 16 Jahren wurde die Ehe 1914 aus Alleinverschulden des Ehemanns geschieden und  Maria wohnte nun zunächst in München und dann ab 1916 bei ihrer Mutter bis zu deren Tod in der Prinzregentenstraße 7/I in Augsburg. Ab Herbst 1926 war sie in der Halderstraße 1/III gemeldet. Dort gab es im dritten Stock des Hotels Kaiserhof Mietwohnungen. Im Meldebogen ist festgehalten, dass sie vom Unterhalt des geschiedenen Ehemanns und von der Unterstützung der Geschwister lebt. Deren Geschäft befand sich nun in der Bürgermeister-Fischer-Straße 5.

Im Hausbogen zur Zugspitzstraße 24 in Hochzoll ist ihr Einzug am 15.4. 1933 eingetragen. Unter dem 2.4.1942 wurde ihr „Wegzug nach Polen“ (!) vermerkt.

1985 wurde die Erinnerung eines Zeitzeugen in dem Buch „Hochzoll - Geschichte eines Augsburger Stadtteils“ wiedergegeben: „Ich kann mich erinnern bei Wohlwend hat eine ältere Jüdin gelebt, eine Mieterin. In einem kleinen Häusle, das heute nimmer steht, hat sie Unterkunft g‘funden. Man hat immer gehofft, dass sie da bleiben darf, und eines Tages war sie weg, und des hat ganz Hochzoll bedauert.“ (A. Kaßner, S.59)

Die letzte Spur der 65-jährigen Hochzollerin findet sich auf der Deportationsliste der Gestapo-Leitstelle München. Danach war sie zusammen mit ihren Brüdern Karl und Julius ab dem 3. April auf dem Transport von München-Milbertshofen nach Piaski. Hier ist Maria Leiter als „geschiedene Kahn“ eingetragen.

Aus Augsburg wurden mit diesem Zug 127 Juden verschleppt. Im Ort Piaski in der Nähe Lublins befand sich ein Ghetto, in dem entsetzliche Zustände herrschten. Kein einziger der 444 Deportierten aus Schwaben hat überlebt. Ob Maria und ihre Brüder durch die unmenschlichen Lebensbedingungen in Piaski ums Leben kamen oder in den nahen Vernichtungslagern Sobibor oder Belzec ermordet wurden, kann weder bei ihr noch den anderen Deportierten festgestellt werden. Ihr Bruder Julius wurde laut Gedenkbuch des Bundesarchivs für tot erklärt. Maria Leiter wird dort fälschlicherweise als „geb. Kahn“ geführt. Als ihre Wohnorte sind Augsburg und München angegeben.

Die Leiters sind eines der unzähligen Beispiele dafür, wie eine ganze Familie von den Nationalsozialisten ausgelöscht wurde.

Ruth Sander und Alfred Hausmann

Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Bayerisches Wirtschaftsarchiv (BWA)
– K 09.01/7239, Fragebogen zu Firma Moritz Leiter

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Familienbogen (FB):
– Julius Kahn/Maria Leiter

Internet:

http://www.alemannia-judaica.de/images/images%20302/CEM-AUG-GRAVELIST-GERMAN.pdf (aufgerufen am 12.05.2018)

https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de910050 (aufgerufen am 12.05.2018)

https://de wikipedia.org/wiki/Piaski (aufgerufen am 12.05.2018)

https://jgbs.org/SuperSearch.php?Sp=3&Book=birth&Com=2 (aufgerufen am 12.05.2018)

Literatur:

Arbeitskreis Jüdische Geschichte in Buttenwiesen, Jüdisches Buttenwiesen, Haigerloch 2009.

Michael Friedrichs (Hg.), Hochzoll: Seit 100 Jahren ein Stadtteil von Augsburg, Augsburg 2013.

Gernot Römer, Das Ende der jüdischen Gemeinden in Schwaben, in: Peter Fassl (Hg.), Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben (Irseer Schriften Band 2. Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben), Sigmaringen 1994, S. 177-186.

Berthold Schwager/Hans Thieme (Hg.), Hochzoll, Geschichte eines Augsburger Stadtteils, Augsburg 1985.