Kreszenz Marcus, geb. Krametsvogl

Geboren:
25.05.1899, Schrobenhausen
Gestorben:
08.09.1940, Antwerpen/Belgien

Wohnorte

Schrobenhausen
Augsburg, Kleiststraße 5
St. Gallen/Schweiz
Lausanne/Schweiz
Nürnberg
Frankfurt am Main
Augsburg
Antwerpen/Belgien
Frankreich
Augsburg, Neuburgerstraße 75
Antwerpen/Belgien, Waghemakerestraat 3
Antwerpen/Belgien, Kattendykdok O.K. N°16
Antwerpen/Belgien, Brugstraat 12

Orte der Verfolgung

Antwerpen/Belgien

Biografie
Kreszenz Krametsvogl, um 1915. (Staatsarchiv Augsburg)

Kreszenz Marcus, geb. Krametsvogl

Kreszenz Krametsvogl wird 1899 in Schrobenhausen als jüngstes von 3 Kindern geboren. Die Eltern Jakob und Kreszenz, geborene Loderer, ziehen 1910 nach Augsburg und am 1. Mai 1913 nach Lechhausen in die Kleiststraße 5/1.Stock.

Mit 16 Jahren geht Kreszenz als Dienstmagd nach St. Gallen in die Schweiz. Für diesen Auslandsaufenthalt benötigt sie einen Heimatschein mit Lichtbild, der gegen Nachnahme an den Vater in Lechhausen geschickt wird. Im Dezember 1919 kehrt sie aus der Schweiz in die elterliche Wohnung in der Kleiststraße zurück. Bis September 1917 war sie in St. Gallen, dann in Lausanne. Es bleibt ungewiss, ob sie mit ihrem Dienstherrn umgezogen ist, oder eine neue Stelle angetreten hat.

Auf dem Augsburger Meldebogen sind nun weitere Berufe eingetragen: Näherin und zuletzt Reisende.

Im Februar 1920 geht Kreszenz nach Nürnberg und kurz darauf nach Frankfurt am Main. Dort bringt sie am 26. März 1920 eine Tochter zur Welt. Als Kindsvater wird Ignatz Groß –  Händler (?) angegeben, Aufenthalt unbekannt. Das Kind Klara verstirbt knapp 4 Monate alt am 9. August 1920 in Frankfurt. Der Meldebogen datiert ihre Rückkehr nach Augsburg auf den 29. Juli 1920. Hat die Mutter das Kind zurückgelassen?

Von Februar bis Mai 1921 ist ihr Aufenthaltsort unbekannt.

Am 8. September 1921 aus Antwerpen zurück, wird vermerkt, dass Kreszenz sich dort 2 ½ Monate aufhielt, 5 Monate in Frankreich und 14 Tage in Berlin. Wahrscheinlich kannte Kreszenz also den jüdischen Händler Joseph Marcus schon, als der am 1. November 1921 in die Schackstraße 12 zog. Sein Meldebogen vermerkt als Aufenthaltsorte von 1919 – 1921 Bordeaux, Dünkirchen und Gent. Joseph hat eine Einreiseerlaubnis der deutschen Passstelle in Brüssel ausgestellt vom Konsulat in Antwerpen, die genau einen Monat gültig ist. Geblieben ist er bis zum 22. Dezember 1921.

In dieser Zeit erklärt Kreszenz ihren Austritt aus der r.k. Kirche und wird vom Münchner Rabbinat ins Judentum aufgenommen. In München gibt es keine Unterlagen mehr. Eigentlich geht der Aufnahme ein längerer Unterricht voraus, um Gebräuche, Feste und Gebete zu kennen und zu erlernen. Bemerkenswert ist, dass Kreszenz sich nicht an den Augsburger Rabbiner wandte. Im Februar 1922 zieht sie zu ihrer Schwester Walburga und ihrem Schwager Michael Winkler, Schreinergehilfe, in die Neuburgerstraße 75.

Ende April kommt Joseph zurück aus Antwerpen. Am 20. Juni 1922 heiraten Kreszenz und Joseph in Augsburg. Ob die beiden dann kurz in der Schackstraße 12 zusammengewohnt haben, ist unklar. Nur Joseph war dort wieder für 1 1/2 Monate gemeldet. Kurz vor der Geburt der Tochter Ester (spätere Schreibweise Esther) am 21. Juli 1922 reist er ab, evtl. weil seine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert wurde.

Durch die Heirat erhielt Kreszenz die griechische Staatsangehörigkeit und den entsprechenden in München ausgestellten Pass N°501 sowie zur Einreise in Belgien vom belgischen Konsulat in Frankfurt/a.M. das Visum n.2825 gültig für einen Monat. Ihre Ankunft in Antwerpen ist in den belgischen Unterlagen auf den 15. Oktober datiert, Beruf Hausfrau. Die Tochter Esther wird in diesen Unterlagen erst 1932 erwähnt. (Der Augsburger Meldebogen nennt erst August 1923 für den Wegzug.) 10 Jahre ist das Paar in der Waghemakerestraat 3 gemeldet.

Doch in dieser Zeit ist das Leben, noch dazu als Fremde, nicht leicht. Von 1922 bis 1924 gibt es zahlreiche Schreiben von Polizei und Justiz, die Joseph die Ausweisung androhen, falls er wegen „Herumwanders“ verurteilt wird. Gemeint sind wohl seine Aktivitäten des Handels und Hausierens ohne festes Geschäftslokal. Im April 1932 zieht die Familie zum Kattendykdok O.K.N°16. Im Januar 1933 erhält Joseph einen Reisepass für 30 Tage, Ziel unbekannt. Das griechische Konsulat stellt ihm noch einmal ein Papier aus, in dem ihm die griechische Nationalität auf unbestimmte Zeit zuerkannt wird.

Anfang März plant das Amt für öffentliche Sicherheit Josephs Verhaftung und eine Gefängnisstrafe, falls er nicht innerhalb von drei Tagen zurück in der Stadt ist. Kreszenz wird zu einer mündlichen Vernehmung ins Fremdenbüro vorgeladen. 12 Tage später schreibt das Gericht, dass eine Ausweisung nicht mehr wünschenswert erscheint. Joseph und seine Begleiterin dürfen bleiben, wohl auch weil ein 10 jähriges Kind zur  Familie gehört. Das Amt bittet den Ausländer über diese Entscheidung zu unterrichten und ihm mitzuteilen, dass die Maßnahme der Ausweisung sofort wieder in Kraft trete, falls sein Verhalten und seine Vorgehensweise weiter zu wünschen übrig lassen. Joseph muss mit seinen Papieren zwischen 8 und 9 Uhr bei der Fremdenpolizei erscheinen.

Ab Februar 1937 wohnt die Familie in der Brugstraat 12. Die Situation spitzt sich zu. Das Fremdenbüro ändert die Zuzugsmeldung. Die gesamte Familie wird jetzt unter Nationalität unbekannt bzw. vaterlandslos geführt. Es erfolgt keine Begründung.

Josephs Familie Marcus stammt aus Odessa. Dort lebten zu Anfang des 20. Jh. viele Juden (ca. 30% der Bevölkerung). 1905 kam es zu einem Pogrom. Ob das der Anlass zur Umsiedlung nach Smyrna (heute Izmir) war, wissen wir nicht. Handel und die verschiedenen dort lebenden Völker gaben der Stadt einen kosmopolitischen Charakter. Nach der osmanischen Niederlage im I. Weltkrieg, besetzten 1919 griechische Truppen Smyrna. 1922 nach der Rückeroberung wurde die Stadt und die gesamte Westküste Kleinasiens der Türkei zugesprochen. In beiden Jahren kam es zu Massakern der Sieger gegen die anderen Bevölkerungsgruppen. Vielleicht fand Josephs Vater dabei den Tod und Joseph machte sich auf den Weg nach Mitteleuropa. Jedenfalls gehörte 1932 bzw. 1937 Smyrna nicht mehr zu Griechenland.

Vom Juni 1937 stammt eine Anzeige wegen „Herumwanderns“ auf Kai 58 ohne geschäftlichen Grund und scheinbar zur falschen Zeit. Und wieder gehen zwischen Polizei und Justiz Anfragen zu diesen Ausländern unbestimmter Herkunft hin und her. Im März 1939 bekommt die Familie erneut eine Vorladung ins Rathaus zur Vorlage ihrer Papiere. Joseph befindet sich seit 12. April 1939 im Stuyvenberggasthuis, einem öffentlichen Krankenhaus für Arme. Auf der Erklärung der Mittellosigkeit vom 12. Dezember 1939 muss deshalb Kreszenz für ihren Mann unterschreiben. Die Familie lebt von 80 fr in der Woche, die Esther verdient. Nun sind auch Nummern von Identitätskarten des Fremdenamtes vermerkt. Im Februar 1940 unterrichtet das Wohlfahrtsamt die Polizei, dass Joseph aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Im Mai 1940 greift die deutsche Wehrmacht Belgien an und besetzt es.

Kreszenz stirbt am 8. September 1940 (Dossier 168 408). Kreszenz Marcus, geborene Krametsvogl wurde 41 Jahre alt. Von ihr gibt es keine Aufzeichnungen über Krankenhausaufenthalte. Aber die ständige Sorge um Aufenthaltsrecht und Lebensunterhalt und die ständige Bedrohung durch Polizei und Behörden waren bestimmt zermürbend. Nun kamen die deutschen Maßnahmen gegen Juden dazu.

Im November 1941 und März 1942 stellen Joseph und Esther noch einmal einen Antrag an die Wohlfahrtspflege und erhalten 126 fr in der Woche. Juden aus Belgien werden ab Juni 1942 in das SS Sammellager Caserne Dossin Malines – Mechelen gebracht und ab August nach Auschwitz deportiert. 1949 stellt das Standesamt Antwerpen ein Papier aus, dass Joseph aus dem Bevölkerungsregister gestrichen wird: Vermerk unbekannt verzogen. Er wird am 26. September 1942 mit dem Transport XI ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Seine Transportnummer lautete 2618. Joseph Marcus, geboren am 21.05.1890 in Odessa wird ermordet.

Esther Marcus überlebt in Belgien. Ein Dokument vom Mai 1943 bezeichnet sie als keine Jüdin.

Die Akte Marcus / Krametsvogl im Stadtarchiv Antwerpen umfasst 50 Seiten. Anders als in den Augsburger Meldebögen wird die Religionszugehörigkeit nicht erwähnt.

Esther Marcus (spätere Schreibweise Markus) archivierte Daten umfassen 27 Seiten bis zu ihrer Heirat 1957. Dadurch erlangt sie die belgische Staatsangehörigkeit.

Ruth Sander

Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Staatsarchiv Augsburg
– Israelitisches Standesregister Schwaben

Stadsarchief Antwerpen

Stadtarchiv Augsburg
Meldekarten:
– Krametsvogl Kreszenz
– Jakob Krametsvogl
– Josef Marcus Josef

Internet:

Belgisches Staatsarchiv
www.arch.be
www.zoeken.felixarchief.be
– 481#168408
– 248177

Wikipedia
https://en.wikipedia.org/wiki/Mechelen_transit_camphttps://en.wikipedia.org/wiki/Odessa
https://en.wikipedia.org/wiki/%C4%B0zmir
https://nl.wikipedia.org/wiki/Stuivenberggasthuis

Yad Vashem
https://www.yadvashem.org/
– CAS-185369 Datensatz Nr 78 544 34