Augsburg, Stadtberger Str. 26
Augsburg, Kaltenhoferstraße 29/3
Augsburg, Pferseer Straße 22
Mannheim
Stuttgart
Pflaumdorf
KZ Dachau 1934–1935
KZ Sachsenhausen 1939–1940
KZ Flossenbürg 6. April 1940–18. Juli 1942
KZ Ravensbrück Juli–November 1942
KZ Dachau 3.–26. November 1942
Verstorben am 26. November 1942
Josef Furchtner ist gebürtiger Augsburger und wächst bei seinen Eltern auf. Bis zu seinem Tode ist er dort auch immer wieder wohnhaft.1 Die Familie wohnt in der Pferseer Straße 22. Sein Vater Josef ist Beamter, Schaffner bei der Reichsbahn. Seine Mutter Anna, geb. Wagner zieht den Sohn auf.
Welche Schulbildung Josef genossen hat, wissen wir nicht. Er übt jedenfalls den Beruf eines Schlossers aus. Josef scheint bis 1933 die eine oder andere Straftat begangen zu haben, den Nazis liegt im Februar 1933 ein Vorstrafenregister vor, das uns nicht bekannt ist.2
Gegen Kleinkriminelle, Obdachlose, Wanderarbeiter, Alkoholiker, Bettler gehen die Nationalsozialisten von Anfang an erbarmungslos vor. Sie gelten als sog. „Asoziale“ und „Gewohnheitsverbrecher“, gegen welche sie ab 24. November 1933 „Maßnahmen der Sicherung und Besserung“ ins deutsche Strafrecht einführen.3 Die Novelle wird unter § 42e in das RStGB eingefügt.4
Neben der dort verankerten „Sicherheitsverwahrung“ sind jetzt die Zwangsunterbringung in Heil-und Pflegeanstalten, Trinkerheilanstalten, Entziehungsanstalten und Arbeitshäusern, die Untersagung der Berufsausbildung, die Reichsverweisung und die „Entmannung“ „gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher“ möglich.5 Fortan können die Gerichte Angeklagte, die sie nach § 351 RStGB wegen Bettelei, Landstreicherei, Verwahrlosung, „Arbeitsscheu“, Obdachlosigkeit oder Prostitution verurteilt haben, im Anschluss an die Strafhaft direkt in ein Arbeitshaus einweisen, um die Betroffenen „zur Arbeit anzuhalten und an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen.“6
Indem das „Gewohnheitsverbrechergesetz“ die Sicherheitsverwahrung in letzter Instanz der Abwägung der „Gefährlichkeit“ nach „Gesamtwürdigung der Taten“ den Richtern anheimstellt, liegt sie de facto in deren subjektiven Ermessen.
Bereits am 27. Juli 1933 wird Josef Furchtner in „Schutzhaft“ genommen und kehrt von Egling am 11. Oktober 1933 wieder ins elterliche Haus zurück. Den Grund der Strafe kennen wir nicht.
Die in „Schutzhaft“ genommenen Personen sind im Nationalsozialismus vollkommen rechtlos gestellt. Ohne Angaben von Gründen können Personen ohne Vorführung vor einem Haftrichter ohne zeitliche Begrenzung festgehalten werden. Die „Schutzhaft“ gilt als Grundlage der NS-Herrschaft.7
Ab 11. Juni 1934 wird Josef Furchtner im KZ Dachau inhaftiert, auf der gleichen Liste steht übrigens auch der Augsburger Reichstagsabgeordnete Josef Felder. Im alphabetischen Zugangsbuch hat Furchtner die laufende Nr. 5257. Am 9. August 1935 wird er aus dem KZ Dachau entlassen.8
Am 21.4.1936 wird Josef in Penzing inhaftiert. In der Zeit zwischen 1935 und 1937 ist Josef nach Mannheim, Stuttgart und Pflaumdorf „abgemeldet“, wir kennen aber den Grund der Aufenthalte nicht. Wir können nur vermuten, dass er auf Arbeitssuche war.
Seit November 1938 ist Josef Furchtner wieder bei den Eltern in der Pferseer Straße 22 gemeldet. Wir müssen davon ausgehen, dass Josef Furchtner bei Kriegsbeginn der polizeilichen „Sicherungsverwahrung“ (PSV) zugeführt wird und auch für ihn die Weisung Freislers zutrifft, dass „Sicherungsverwahrte“ für die restliche Dauer des Krieges nicht mehr zu entlassen seien.9 Insgesamt wird die „Sicherungsverwahrung“ zwischen 1934 und 1943 in mindestens 15.829 Fällen verhängt. Vollstreckt wird sie anfangs in den regulären Justizvollzugsanstalten, ab September 1942 überstellt die Justiz die zur „Sicherungsverwahrung“ verurteilten „Gewohnheitsverbrecher“ dann direkt in die KZ.10
Josef Furchtner wird Ende März 1940 als Gefangener „BV“ (Berufsverbrecher) im KZ Sachsenhausen aufgelistet. Eine Woche später, am 6. April 1940, wird er nach Flossenbürg überstellt. Josef wird die Haftkategorie „Polizeiliche Sicherheitsverwahrung“ (PSV) zugewiesen, und trägt den Grünen Winkel für „Gewohnheitsverbrecher“.11 Auch auf der Karteikarte in Flossenbürg wird er als BV, als „Berufsverbrecher“ geführt. Er hat die Häftlingsnummer 1882.12 Von dort wird er am 18. Juli 1942 ins KZ Ravensbrück überstellt. Keine vier Monate später, am 3.11. 1942 wird Josef Furchtner vom KZ Ravensbrück wieder ins KZ Dachau verlegt.
Im KZ Dachau verstirbt Josef Furchtner am 26. November 194213 , keine 4 Wochen nach seiner Rückverlegung. Er wird aus sozial-rassistischen Gründen aus der sogenannten „Volksgemeinschaft“ „eliminiert“ und ermordet. Josef Furchtner war zum Zeitpunkt seines Todes 30 Jahre und 2 Monate alt.
Der Leichenschauschein verzeichnet als Krankheit „Darmkatarrh“ und als Todesursache „Versagen von Herz- und Kreislauf“. Der diensthabende Arzt SS-Untersturmführer Dr. Kahr setzt das Todesdatum auf den 26.November 1942 um 1 Uhr 30 fest.14 Aller Wahrscheinlichkeit sind Todeszeitpunkt und Todesursache manipuliert.
Der Bericht des Stabsarztes an die Lagerkommandantur ähnelt hinsichtlich Erkrankung und Todesursache in fataler Weise den Todesmeldungen anderer Häftlinge, z.B. der von Johann Grundler, der ebenfalls aus Augsburg kommend in Dachau ermordet wird.
Die Asche des Ermordeten Josef Furchtner wird auf Wunsch der Angehörigen in der Familiengrabstätte im Westfriedhof Augsburg beigesetzt.15
Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann, Gegen Vergessen – Für Demokratie, RAG Augsburg-Schwaben
2020
ITS Bad Arolsen
– Nr. 38403 Josef Furchtner PSV
Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldekarte II (MK):
– Josef Furchtner
Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein
Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto (Hg.), „Machtergreifung“ in Augsburg. Anfänge der NS-Diktatur 1933–1937, Augsburg 2008.
Oliver Gaida, Zwischen Arbeitshaus und Konzentrationslager. Die nationalsozialistische Verfolgung von als „asozial“ Stigmatisierten 1933–1937, in: Jörg Osterloh, Kim Wünschmann (Hg.), »... der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert«. Häftlinge der frühen Konzentrationslager 1933–1936/37, Frankfurt am Main 2017, S. 247–268.
Gerhard Hetzer, Die Industriestadt Augsburg. Eine Sozialgeschichte der Arbeiteropposition, in: Martin Broszat/Elke Fröhlich/Anton Grossmann (Hg.), Bayern in der NS-Zeit. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, Bd. 3, München/Wien 1981, S. 1–233.
Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933-1938, Göttingen 2017.
Dirk Riedel, Vom Terror gegen politische Gegner zur rassischen Gesellschaft. Die Häftlinge des Konzentrationslager Dachau 1933-1936, in: Jörg Osterloh, Kim Wünschmann (Hg.), »... der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert«. Häftlinge der frühen Konzentrationslager 1933–1936/37, Frankfurt am Main 2017, S. 73–96.