Johann Grundler

Geboren:
06.08.1905, Augsburg
Gestorben:
17.06.1942, Dachau

Wohnorte

Augsburg, Weiherstraße 17

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

KZ Dachau

Erinnerungszeichen

Für Johann Grundler wurde am 14. Juli 2020 vor der Weiherstraße 17 in Augsburg ein Stolperstein verlegt.

Biografie

Johann Grundler, geb. 6. August 1905,
ermordet im KZ Dachau am 17.6.1942

Johann Grundler ist am 6. August 1905 in Augsburg geboren und wohnt zeit seines Lebens bei seinem Vater Johann (geb. 1881–1951) und seiner Mutter Creszentia Grundler, geb. Hiermayer (1881–1950) in der Weiherstraße 17 in Augsburg-Oberhausen.1 Seine Schwester Maria ist um 15 Monate jünger.2

Johann absolviert die Volksschule und arbeitet in Augsburg als Hilfsarbeiter in der Textilindustrie.3 Sein Lebenswandel ist tadellos, es gibt keinerlei strafrechtliche Vergehen, derer er sich schuldig gemacht hätte.

Aber das NS-System hat konkrete Vorstellungen zu den Verhaltensweisen seiner Bürger.

Johann wird am 29. Januar 1937 von der Polizeidirektion Augsburg verhaftet und am 19. Februar „an das Arbeitslager Dachau abgeliefert“4 . Auf der Liste Nr. 25 im „Verzeichnis von Schutzhaftgefangenen, welche aufgrund des Arbeitszwangsgesetzes § 20 RFV5 in das Konz. Lager Dachau eingewiesen wurden“ geht hervor, dass er eine 12 Monate dauernde Haft im KZ Dachau zu verbüßen hat. Er wird unter der Häftlingsnummer 29711 geführt.

Johann gilt als Häftling der Kategorie AZR, „Arbeitszwang Reich“, unter welcher hauptsächlich Wanderarbeiter, Obdachlose, Bettler, Landstreicher, Alkoholiker, Kleinkriminelle und sogar Personen fallen, die mit Unterhaltszahlungen im Rückstand sind.6 Auch bei ungenügender Arbeitsleistung und häufigen Fehlzeiten am Arbeitsplatz kann man nach Dachau eingeliefert werden, da beides während des Krieges als „asozial“ gilt.7 Diese Personengruppe soll im KZ „umerzogen“ werden.8

Auch Wohlfahrtshilfeempfänger, die als „asozial“ und „arbeitsscheu“ gelten, können ab Oktober 1934 nach § 20 der Reichsfürsorgeverordnung (RFV) „fürsorglich“ ins KZ eingewiesen werden.9 Gegen Personen, die aus dem einen oder anderen Grund keiner dauerhaften Beschäftigung nachgehen und auf Fürsorgeunterstützung angewiesen sind, konzipierte das Bayerische Innenministerium den Vollzug des fürsorgerechtlichen Arbeitszwangs im KZ Dachau bewusst als „neues, wirksames Zuchtmittel gegen asoziale Personen“10 . Wir müssen demzufolge annehmen, dass Johann Grundler „präventiv“ ins KZ Dachau eingewiesen worden ist, und zwar wegen einer Banalität, für die er nicht einmal gerichtlich belangt worden ist.

Unter der Kategorie AZR (Arbeitszwang Reich) werden alle Personen registriert, die als „gemeinschaftsfremd“ die Erwartungshaltung der Volksgemeinschaft nicht erfüllen können und „abweichendes Verhalten“ zeigen.

Die genauen Hintergründe für Johanns Verhaftung kennen wir nicht. Was hat er sich in den Augen des Terrorregimes zuschulden kommen lassen? Genau ein Jahr später, am 22. Februar 1938 kommt er wieder frei und zieht wieder zu seiner Mutter in der Weiherstraße 17.11

Anfang August 1941 wird er zum militärischen Landesschutz, Ersatzbataillon 7 in Berchtesgaden einberufen, kehrt aber von dort bereits nach einer knappen Woche am 12. August wieder nach Augsburg zurück.12 Wir müssen annehmen, dass er wegen seines KZ-Aufenthalts als „nicht wehrwürdig“ eingestuft wird.

Am 12. April 1942 wird Johann Grundler erneut ins KZ Dachau eingewiesen. Es ist denkbar, dass Johann nunmehr im „Vorbeugungshaftverfahren“ in Dachau eingewiesen wird.13 Knapp zwei Monate später stirbt er dort.

Johann ist bei seinem Tod 36 Jahre und 10 Monate alt. Der Leichenschauschein konstatiert als Krankheit „Darmkatarrh und Ödeme“, als Todesursache hält Dr. Jäger, der SS-Hauptscharführer der Reserve und Stabsarzt „Versagen von Herz und Kreislauf“ fest. Als Todesdatum wird der 17. Juni 194214 angegeben. Weisen die Ödeme darauf hin, dass er von den SS-Schergen geschlagen wurde?

In einem Schreiben an die Lagerkommandantur vom gleichen Tag spricht der Lagerarzt davon, dass Grundler „am 16.6.42 wegen Darmkatarrh und Ödemen in den Häftlingskrankenbau aufgenommen“ worden sei. Beide Beine seien „ödematös geschwollen“. Bei heftigem Durchfall habe sich der Zustand des Patienten rasch verschlechtert. In den Vormittagsstunden des 17. Juni sei er bewusstlos geworden und um 11.15 Uhr verstorben.15

Seine Leiche wird umgehend eingeäschert und auf Wunsch der Angehörigen in der Familiengrabstätte im Nordfriedhof Feld 30, Reihe 7, Grab Nr. 67 beigesetzt.16 Die wahren Gründe seines KZ-Aufenthalts und seines Todes bleiben ungeklärt.

Biografie verfasst von Dr. Bernhard Lehmann, StD i.R., 86368 Gersthofen, Haydnstraße 53, Tel. 0821/497856 bernhard.lehmann@gmx.de

Fußnoten
  1. Stadtarchiv Augsburg, MK II, Grundler Johann. Laut Auskunft der Stadt Augsburg vom 28.8.2019 ist Johann Grundlers Vater Johann am 4. März 1881 in Gabelbach (Markt Zusmarshausen) geboren und am 11. November 1951 in Augsburg verstorben. Seine Mutter Creszentia Grundler geb. Hiermayer ist am 9. April 1881 in Oberhausen/Augsburg geboren und am 15. Oktober 1950 verstorben.
  2. Angaben Maria Barth vom 15.7.2019. Deren Vater Josef Barth heiratete nach dem II. Weltkrieg in zweiter Ehe Johann Grundlers Schwester, Maria Grundler (geb. am 27.11.1906, verst. 15.5.1977). Maria Barths leibliche Mutter Magdalene geb. Dörner (geb. 2.7.1904, Todesdatum unbekannt) hat Augsburg nie betreten. Sie wurde in Kula, Jugoslawien (im heutigen Serbien) geboren und wurde dort in einem Arbeitslager von den Serben ermordet. Die Umstände sind unbekannt. Ihr Vater Josef Barth (geb. am 11.8.1900, verst. am 9.3.1968) wurde von der Sowjetarmee nach Kriegsende nach Russland deportiert. Er wurde 1947 aus der Gefangenschaft in die DDR entlassen, von dort floh er und kam am 11. Mai 1948 nach Augsburg. Maria Grundler, die er in Augsburg heiratete, war die Stiefmutter von Maria Barth, die keine Blutsverwandte von Johann Grundler ist. Nach Aussagen von Maria Barth, ihrer Stieftochter, (vom 22.7.2019) war sie eine herzensgute Frau, die sich rührend um Kinder und Enkel gekümmert hat. Die Eltern von Johann Grundler sind ebenso wie seine Schwester Maria Barth (geb. Grundler) und er selbst auf dem Nordfriedhof in Augsburg-Oberhausen beigesetzt.
  3. StadtAA, MK II, Grundler Johann. Dort ist als Beruf Weber gestrichen und durch „Hilfsarbeiter“ ersetzt.
  4. ITS Bad Arolsen, Grundler Johann, 29711 AZR; Vgl. aber StadtAA, MK II, Grundler Johann. Auf der Meldekarte ist der 20.2.1937 für den Abtransport ins KL Dachau angegeben.
  5. Es handelt sich um die Reichsfürsorgeverordnung vom 13.2. 1924.
  6. Wolfgang Ayaß, "Asoziale" – die verachteten Verfolgten, in: DH 14 (1998), S. 50. Vgl. ebenso http://www.hagalil.com/czech/dachau/dachau-3b.htm.
  7. Ebenda.
  8. Ab 1938 kommt es unter anderem mit der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ immer wieder zu Verhaftungswellen von sozialen Außenseitern: https://eguide.its-arolsen.org/fileadmin/eguide-website/downloads/Haftarten_dt.pdf.
  9. Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938; Göttingen 2017, S. 251ff.
  10. BayHStA München, Minn71561, DVO BayStMdI zum § 20 RFV (Arbeitszwang), 22.11.1934, siehe Julia Hörath, a.a.O., S. 254f.
  11. Ebenda., 1942 scheint der Vater bereits verstorben zu sein, denn die Todesursache wird seiner Mutter mitgeteilt.
  12. StadtAA, MK II, Johann Grundler.
  13. Vgl. Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938; Göttingen 2017, S. 254ff: KZ-Einweisungen nach dem § 20 RFV. Bei Johann Grundler ist dieser Fall anzunehmen.
  14. ITS Bad Arolsen, Johann Grundler, Leichenschauschein vom 17.6. 1942.
  15. Ebenda., Lagerarzt an die Kommandantur, 17.6.1942.
  16. ITS Bad Arolsen, Johann Grundler, 29711 AZR. Listen und Korrespondenz zu Häftlingen des KZ Dachau, die auf dem KZ-Ehrenhain in Augsburg beerdigt wurden.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

ITS Bad Arolsen
Johann Grundler 29711 AZR

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldekarte II (MK II):
– Johann Grundler

Veröffentlichte Quellen:

Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein

Internet:
Literatur:

Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938, Göttingen 2017.

Wolfgang Ayaß, "Asoziale" – die verachteten Verfolgten, in: DH 14 (1998), S. 50-66.