Galina Wassiliewskaja

Geboren:
04.11.1930, Kiew/Ukraine
Gestorben:
Todestag und Todesort nicht bekannt

Wohnorte

Kiew/Ukraine

Orte der Verfolgung

Zwangsarbeiterin in der Streichholzfabrik in Augsburg

Biografie
Galina Wassiliewskaja.

Galina Wassiliewskaja, geb. am 4.11.1930
mit 12 Jahren Zwangsarbeiterin in der Streichholzfabrik in Augsburg

Der Vater von Galina wird 1933 unter Stalin aus politischen Gründen nach Sibirien deportiert. Als er zehn Jahre später aus dem Straflager entlassen wird, kehrt er nach Kiew zurück. Seine Frau will nicht mit ihm in den Kaukasus, so trennen  sich beide und der Vater von Galina heiratet nochmals.

Kurz danach wird er zum Kriegsdienst einberufen. Galina sieht ihren Vater nach dem Krieg nur noch wenige Male, zur Geburt ihrer Tochter 1961 besucht er sie. Dann trennen sich die Wege.

Galinas Mutter wird am 15.05.1942 in Kiew bei einer Razzia festgenommen. Sie sagt aus, dass sie zuhause ein kleines Kind habe, deshalb wird sie nicht gleich deportiert, sondern darf ihre Tochter zuhause abholen. Am nächsten Tag wird sie aufgefordert, zur Sammelstelle zu kommen. Galina ist erst 12 Jahre alt, als sie mit der Mutter nach Augsburg kommt. In Dachau ist das Verteilungslager, von dort werden die Gefangenen auf die einzelnen Ortschaften verteilt.

Die Mutter ist zur Zeit der Deportation nach Deutschland 33, Galina 12 Jahre. In Augsburg arbeitet die Mutter in der Fabrik, ihre Behandlung ist demütigend. Auch Galina arbeitet ebenfalls einen halben Tag in der Fabrik des Streichholzfabrikanten Bihr in der Nähe der Jakobermauer1 . Galina macht mir eine Skizze von der Lage des Betriebes. Anfangs steht Galina am Fließband, am Nachmittag muss sie einfache Dinge erledigen und aufräumen.

Erna Bihr ist die Frau des Direktors. Ihr gefällt das Mädchen so gut, dass sie Galina mit nach Hause nimmt. Künftig darf sie am Nachmittag bei Frau Bier arbeiten. Dort muss sie gänzlich unkomplizierte Arbeiten verrichten, schließlich ist sie ja noch ein Kind. Frau Bihr zeigt ihr aber in der Freizeit auch Augsburg. Anfangs muss Galina das Ostarbeiterabzeichen tragen, aber als sie dann bei der Frau des Direktors arbeitet, darf sie das Zeichen abtrennen.

Die Streichholzfabrik wird während der Bombardierungen 1944 vollständig vernichtet. Die Baracken der Zwangsarbeiter befinden sich auf dem Werksgelände, neben den Ostarbeitern waren auch Franzosen bei Herrn Bihr beschäftigt.

Rückkehr in die Heimat

Nach Kriegsende wird Galina mit der Mutter wieder in die Heimat transportiert. Frau Bihr kommt zum Abschied an den Bahnhof. Sie verspricht Frau Bihr, ihr von der Ukraine aus zu schreiben. Sie hat heute noch ein schlechtes Gewissen, dass sie das nicht getan hat.

Zurück in der Ukraine verschweigt sie,  dass sie in Deutschland gearbeitet hat, anderenfalls hätte sie keine Möglichkeiten erhalten, eine solide Ausbildung zu erhalten.

Galina musste viele Schicksalsschläge überstehen. Die Tochter verunglückte tödlich, so zog sie ihre beiden Enkelkinder auf.

Galina Wassiliewskaja, geb. am 4.11.1930 in Kiew, deportiert nach Deutschland im Alter von nicht ganz 12 Jahren.

Mittlerweile sind die Enkelkinder 19 und 25 und die einzige Freude im Leben von Galina. Glücklicherweise besuchen die Enkel ihre Oma regelmäßig. Ihr Mann sitzt nach einem Schlaganfall im Rollstuhl.

Ich bin besonders betroffen davon, dass sie mir die Bilder ihrer Tante und ihres Onkels zeigt und mich fragt: „Sehen so die Gesichter einer minderwertigen Rasse aus?“ Noch nach über 65 Jahren sitzt die Demütigung durch die Nazis tief.

Galina ist fast blind. Ihr Mann ist kein Kriegsveteran, daher zahlt die Krankenkasse auch nicht notwendige Operationen. Ältere Menschen in der Ukraine vermeiden daher so lange wie möglich operative Eingriffe, denn die müssten sie selber bezahlen. Aber es gibt eben zweierlei ärztliche Versorgung: die eine für die Reichen, die andere ist eine reine Notversorgung für diejenigen, die über kein Geld verfügen. Es gibt eine Liste derjenigen Medikamente, die für Pensionäre kostenlos sind, alle anderen müssen bezahlt werden. Aber woher das Geld nehmen, bei gerade mal 120 Euro Pension?

Wie 2006 überreiche ich Frau Wassiliewska einen Geldbetrag und sie ist überglücklich. Ich verspreche, sie beim nächsten Male wieder zu besuchen, was ich auch getan habe.

Biografie erstellt von StD Dr. Bernhard Lehmann Gegen Vergessen – Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben

Fußnoten
  1. Laut Einwohnerbuch Augsburg von 1943 handelt es sich um die Süddeutsche Zündholz AG, Werk Augsburg, Untere Jakobermauer 11 und 15, Fabrikdirektor Josef Bihr. (Redaktion).