Frieda Rosenstiel, geb. Reiter

Geboren:
05.11.1905, Buttenwiesen
Gestorben:
Todestag nicht bekannt, Piaski (vermutlich)

Wohnorte

Buttenwiesen, Schlossergasse 1
Augsburg, Hallstraße 14

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 2. April 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Piaski

Biografie

Frieda Rosenstiel, geb. Reiter, stammt aus einer alteingesessenen jüdischen Familie aus Buttenwiesen, deren Spuren sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. Dort wurde sie am 5. November 1905 geboren und wuchs mit ihren Schwestern Käthe (17. Dezember 1909) und Lisl (11. Mai 1914), sowie ihren Eltern Ida Reiter, geb. Ullmann (12. Oktober 1880) und Leo Reiter (8. März 1875) auf. Sie bewohnten das Haus Nummer 38 (heute Schlossergasse 1).1

Ihr Vater war Kaufmann in der Textil- und Güterbranche und war aufgrund seines Engagements in vielen Ehrenämtern, als Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde, als Vorsitzender der israelitischen Schulpflegschaft und als Gemeinderat ein sehr angesehener Mann. Zudem war er der erste in der Gemeinde, der ein Auto fuhr.2

Bereits sein 1841 geborener Onkel Leopold Reiter war ein erfolgreicher Kaufmann. Er ging 1905 durch die Eröffnung der Bahnstrecke Mertingen-Wertingen in die Geschichte Buttenwiesens ein, da er als Vorstand des Bahnkomitees wesentlich zu deren Einrichtung beigetragen hatte.3

Ob Frieda Rosenstiel die Schule in Buttenwiesen besuchte, ist nicht bekannt. Sie war Mitglied in der Damenturnriege des Orts.4 Am 21. Dezember 1927 heiratete sie Richard Rosenstiel in Buttenwiesen und zog zu ihm nach Augsburg in die Hallstraße 14.5

Turnerinnen der Damen-Turnriege Buttenwiesen: Lisl Reiter, Frieda Rosenstiel, geb. Reiter, Käthe Reiter, Resi Schneidt, Anna Mengele und Anna Knorz, um 1933. (Sammlung Franz Xaver Neuer)

Ihr Ehemann war Kaufmann, der am 31. Juli 1898 in Augsburg geboren wurde und dort ein Versicherungsbüro besaß.6 Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 änderte sich ihr Leben grundlegend. Die immer häufiger werdenden Hetzkampagnen gegen jüdische Geschäftsleute und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten trafen auch das Versicherungsbüro von Richard Rosenstiel. Ein Indiz hierfür ist die finanzielle Unterstützung des Paars durch den Vater von Frieda Rosenstiel.7

Die beiden jüngeren Schwestern von Frieda Rosenstiel, Käthe und Lisl emigrierten. Käthe Reiter wanderte 1939 über Kuba in die USA aus, wo sie am 15. Januar 2005 im Alter von 96 Jahren in Baltimore verstarb. Die jüngste Schwestern Lisl Reiter floh ebenfalls 1939. Ihr Weg führte über Australien in die USA, wo sie am 20. Juli 1940 Hugo Leiter in New York heiratete. Lisl Leiter, geb. Reiter, starb am 11. Oktober 1993 und ist zusammen mit ihrem Mann, der am 7. Dezember 2004 verstarb, auf dem Friedhof „Star of David Memorial Garden“ in Margate, Florida begraben.8

Die in Augsburg zurückgebliebene Schwester musste vom 26. November 1941 bis zum 31. März 1942 Zwangsarbeit in der Ballonfabrik Augsburg leisten.9

Ende März/Anfang April 1942 wurde Frieda Rosenstiel, zusammen mit ihrem Ehemann und vielen anderen Jüdinnen und Juden aus Schwaben, in ein Sammellager nach Milbertshofen in München verschleppt.  Wie aus den Deportationslisten hervor geht, wurden sie, ihr Ehemann Richard Rosenstiel sowie ihre Eltern am 4. April von dort aus in das Transitgetto Piaski im Distrikt Lublin deportiert. Insgesamt wurden mit diesem Transport 987 Menschen deportiert. Unter ihnen waren 37 Personen aus Buttenwiesen, dem Geburts- und ehemaligen Wohnort von Frieda Rosenstiel, sowie 129 Augsburger.10

Die wirtschaftliche Ausbeutung von Jüdinnen und Juden wurde durch das nationalsozialistische Regime schon seit der Machtübernahme 1933 vorangetrieben und betraf auch das Ehepaar Rosenstiel.11 Durch die Deportation wurden Frieda und Richard Rosenstiel gemäß der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 endgültig ihres Vermögens beraubt.12 In Akten des Gestapo-Bereichs München wurden Personen aufgelistet, deren Vermögen aufgrund von Auswanderung oder Deportation an das Deutsche Reich verfallen war. Frieda Rosenstiels Eintrag ist mit dem Vermerk B II 757 gekennzeichnet, welcher laut Aktenzeichenerklärung für „Vermögen, das verfallen, als verfallen erklärt, eingezogen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist,[…] soweit die früheren Eigentümer zwangsweise abgeschoben wurden“, steht.13 Bereits zwei Jahre zuvor sind ihr Name und der des Ehemanns in Zusammenhang mit erzwungenen Abgaben in Akten des Amtsgerichts Wertingen zu finden. Der erste Eintrag stammte vom 1. Juli 1940 und der zweite vom 15. März 1940.14

Nach der Deportation galt Frieda Rosenstiel als verschollen. Nach einem Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 29. März 1950 wurde sie für tot erklärt. Als Todeszeitpunkt wurde der 15. April 1942, 24 Uhr festgelegt.15

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Valentin Hastreiter, Schüler des Oberstufenjahrgangs 2014/2016 am Rudolf-Diesel-Gymnasium Augsburg, im Rahmen des W-Seminars „Augsburger Juden zur Zeit des Nationalsozialismus“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.

Angehörige
Fußnoten
  1. Gemeindearchiv Buttenwiesen, Sammlung Franz Xaver Neuner.
  2. Gernot Römer, Schwäbische Juden. Leben und Leistung aus zwei Jahrhunderten in Selbstzeugnissen, Berichten und Bildern, Augsburg 1990, S 66.
  3. Gernot Römer, 1990, S. 60-66.
  4. Gemeindearchiv Buttenwiesen, Sammlung Franz Xaver Neuner.
  5. StadtAA, FB Richard Rosenstiel, 31.07.1898.
  6. Ebd.
  7. BayHStA, Landesentschädigungsamt, Betreff: Richard Rosenstiel und Frieda Rosenstiel, geb. Reiter.
  8. Gemeindearchiv Buttenwiesen, Sammlung Franz Xaver Neuner; https://www.recordagrave.com/records/Star-of-David-Memorial-Gardens/Tiberias-Garden/29108/Lisl-Leiter.html (aufgerufen am 11.10.2015).
  9. International Tracing Service (ITS).
  10. http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_bay_420404.html (aufgerufen am 29.07.2016); http://www.statistik-des-holocaust.de/OT420404-41.jpg (aufgerufen am 29.07.2016); http://www.statistik-des-holocaust.de/OT420404-Schwaben4.jpg (aufgerufen am 29.07.2016).
  11. Heiko Pollmeier, Arisierung, in: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, 2. Auflage, 1998, S. 374f; BayHStA, Landesentschädigungsamt, Betreff: Richard Rosenstiel und Frieda Rosenstiel, geb. Reiter.
    1. Verordnung zum Reichbürgergesetz vom 25.11.1941, RGBl I, S. 722-724; siehe hierzu: Christiane Kuller, Finanzverwaltung und Judenverfolgung, Die Entziehung jüdischen Vermögens in Bayern während der NS-Zeit, München 2008, S. 24-32.
  12. Gemeindearchiv Buttenwiesen, Sammlung Franz Xaver Neuner.
  13. Gemeindearchiv Buttenwiesen, Sammlung Franz Xaver Neuner.
  14. Gemeindearchiv Buttenwiesen, Sammlung Franz Xaver Neuner.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Landesentschädigungsamt:
Betreff: Richard Rosenstiel und Frieda Rosenstiel, geb. Reiter

Gemeindearchiv Buttenwiesen
Sammlung Franz Xaver Neuner

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Familienbogen (FB):
Richard Rosenstiel, 31.07.1898

Archiv des International Tracing Service (ITS)

Internet:
Literatur:

Christiane Kuller, Finanzverwaltung und Judenverfolgung, Die Entziehung jüdischen Vermögens in Bayern während der NS-Zeit, München 2008.

Heiko Pollmeier, Arisierung, in: Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß (Hg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart, 2. Auflage, 1998, S. 374f.

Gernot Römer, Schwäbische Juden. Leben und Leistung aus zwei Jahrhunderten in Selbstzeugnissen, Berichten und Bildern, Augsburg 1990.