Obervilslern/Kreis Vilsbiburg
Augsburg, Kaserne in der Von-der-Thann-Straße
Obervilslern/Kreis Vilsbiburg
Augsburg, Äußeres Pfaffengäßchen 18
Augsburg, Lothringerstr. 13
Augsburg, Karmelitengasse 11
Gersthofen, Augsburger Straße 60
Augsburg, Wohnbaugenossenschaft Ulmenhof
Augsburg, Bleicherbreite 2
Augsburg, Zollernstraße 85
"Schutzhaft" in Gersthofen oder Eichstätt
KZ Dachau
Franz Xaver Sterr ist am 16. Juni 1906 in Obervilslern/Kreis Vilsbiburg geboren.1 Seine Eltern sind Simon und Theresia Sterr, geb. Enzinger. Franz Xaver hat mindestens 9 Geschwister.2 Die Familie ist katholisch.
Franz ist von Beruf Zimmermann. In Augsburg ist er zum ersten Mal 1925 gemeldet, da ist er gerade einmal 19 Jahre alt. Er wohnt in der Prinz-Karl-Kaserne in der Von-der-Thann-Straße bis zum Oktober 1926.3 Offensichtlich ist er für das 100.000-Mann Heer der Reichswehr tätig, das der Versailler Vertrag den Deutschen gestattet hat.4 Für knapp 3 Monate zieht es ihn dann wieder zurück nach Vilslern.5
Im Dezember 1926 kommt er wieder nach Augsburg und wohnt zuerst für 9 Monate im Äußeren Pfaffengäßchen 18, ab September 1927 in der Karmelitengasse 11.6 Was hat ihn zur Rückkehr nach Augsburg veranlasst?
Er hat als junger Soldat, als er in der Kaserne in der Von-der-Thann-Straße stationiert ist, Therese Wengenmair aus Albertshofen bei Wertingen kennengelernt. Sie erwartet ein Kind von ihm. Ihre Tochter Emma kommt am 15.3.1927 in Albertshofen, der Heimat von Therese, zur Welt und wächst die ersten Monate dort auf.
Also heiratet Franz Xaver mit knapp 22 Jahren am 20. Januar 1928 seine Therese.7 und zieht mit ihr nach Gersthofen in die Augsburger Straße 60.8 Schon einen Monat nach der Hochzeit kommt ihr zweites Kind Josef zur Welt. Das Paar bleibt bis zum 6. November 1935 in Gersthofen wohnhaft.9
In Gersthofen lernt Franz Xaver Sterr die Zimmerleute Georg Kottmair und Hermann Jensch kennen, möglicherweise arbeiten sie im gleichen Betrieb. Was liegt da näher, als sich politisch auszutauschen? Alle treten während der Weltwirtschaftskrise der KPD bei, Franz Xaver wird Gewerkschaftssekretär. Die Gersthofer Zimmerleute haben gemeinsam mit Leonhard Wanner Pläne zur Bekämpfung des Nationalsozialismus ausgeheckt und in die Praxis umgesetzt. Sie verteilen Flugblätter und schreiben Anti-Nazi-Parolen in die Bahnunterführung. Bald geraten sie in das Visier der lokalen Nationalsozialisten.
Franz Xaver wird kurz nach der Machtergreifung am 10.3.33 von der Gestapo in „Schutzhaft“ genommen, gemäß der Aufstellung der örtlichen Polizei Gersthofen befindet er sich am 27.4.1933 noch in „Schutzhaft“ in Gersthofen oder aber in Eichstätt.10 Er wird jedenfalls gemäß einem uns vorliegenden Augsburger Verzeichnis kommunistischer Schutzhäftlinge vom Landgerichtsgefängnis Eichstätt aus gemeinsam mit den Gablinger Kommunisten Johann Buck (geb. 1900), Johann Haupt (geb. 1905), Anton Huber (geb. 1902) sowie Kaspar Mayer (geb. 1902) und Georg Weißhaar (geb. 1903) am 5. Mai 1933 ins KZ Dachau gebracht.11 Vermutlich war der Augsburger Katzenstadel als Verwahrungsort der Kommunisten und Sozialdemokraten bereits „überbelegt“. Im KZ Dachau wird Franz Xaver Sterr als Häftling Nr. 1535 registriert.12 . In dem Verzeichnis der Schutzhäftlinge wird er als „sehr eifriger Werber“13 aufgelistet.
Franz Xaver Sterr bleibt bis zum 10. Dezember 1933 in „Schutzhaft“ im KZ Dachau und wird mit der Drohung entlassen, nichts über die Verhältnisse in Dachau zu erzählen. Er muss sich nach der Entlassung aus der Schutzhaft regelmäßig bei der örtlichen Polizeistation melden.
Die ebenfalls am 10. März 1933 verhafteten und in Gersthofen einsitzenden Johann Deurer, Georg Langenmeier (Hilfsarbeiter), Georg Mengele und Ferdinand Abmeier werden Ende April wieder freigelassen. Johann Sturm, ein Sozialdemokrat, kommt ebenfalls vom 10. März bis 9. April 1933 in Schutzhaft, er wird am 2. Mai 1933 nochmals verhaftet.14
Während des 2. Weltkriegs dient Franz Xaver Sterr bei der Wehrmacht im 40. Infanterieregiment 3. Bataillon in der 13. Kompanie, dann im 217. Infanterieregiment, 3. Bataillon in der 12. Kompanie.
Am 7.7.1944 wird er im Kessel von Minsk in Weißrussland gefangen genommen. 20 Tage befindet er sich in der Hand von Partisanen, dann kommt er am 27.7.44 ins Lager Mogilew, wo er bis weit nach Kriegsende, bis zum 28.8.47 in russischer Kriegsgefangenschaft verbleibt.
Dann wird er freigelassen, kommt über Frankfurt/Oder nach Hammelburg. Vom Military Government Detachment 214, SK und LK Augsburg, Public Safety Office erhält er am 31.1.1948 die Heimkehrerbescheinigung Nr. 024694.15
Seit Kriegsbeginn am 1.9.1939 ist er in Augsburg, Bleicherbreite 2 gemeldet und stellt am 20. Januar 1955 einen Antrag auf Haftentschädigung.
Franz Xaver Sterr ist am 25. Juli 1983 in Augsburg verstorben. Zum Zeitpunkt seines Todes ist er in der Zollernstraße 85 in Augsburg-Oberhausen wohnhaft. Seine Ehefrau Theresia Sterr verstirbt am 31. Mai 1998 in Augsburg.16
Wir wollen an den aufrechten und unerschrockenen Mann mit einem Stolperstein und einer Biografie erinnern.
Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann StD Gegen Vergessen – Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben Haydnstr. 53
2020
Bundesarchiv Berlin (BA Berlin)
– Kgf-E-A-20-1-55 Sterr Franz Xaver
Archiv der Gedenkstätte Dachau
– Franz Xaver Sterr
ITS Bad Arolsen
– Dok.Nr. 99ß8621 Franz Xaver Sterr
Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldekarten Abgabe III (MK III):
– Franz Xaver Sterr
Stadtarchiv Gersthofen (StadtAGerst)
– Schutzhäftlinge
Standesamt Velden/Vilslern
– Geb. Eintr. Nr. 13/1906 St.Amt Vilslern
Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein