Augsburg, Hinter der Metzg 3
Augsburg, Karolinenstraße 12
Augsburg, Hermanstraße 6
Augsburg, Wallstraße 5
Augsburg, Hermanstraße 1
Augsburg, Annastraße 6
Augsburg, Frölichstraße 12/I
Augsburg, Hochfeldstraße 31
Deportation
am 5. August 1942
von München-Milbertshofen
nach Theresienstadt
Ferdinand Fichtelberger wurde am 5. September 1871 in Ermershausen, Landkreis Haßberge in Unterfranken, geboren.1 Seine Eltern hießen Moses2 und Mina, geb. Stern.3 Der Familienstammbaum der Fichtelbergers reicht in dem Ort bis ins 19. Jahrhundert zurück. Zum ersten Mal taucht der Familienname 1817 in den Matrikellisten auf.4 Bereits im 18. Jahrhundert gab es dort eine Synagoge oder einen Betsaal, 1850 wurde eine neue Synagoge gebaut. Es ist anzunehmen, dass die Familie diese besuchte und dass Ferdinand in die jüdische Schule im selben Gebäude ging.5
Er war eines von sieben Kindern: Fannie (Frieda) (1881 - ?)6 , Norma (Norie) (14.12.1888 - 15.05.1948)7 , Max (? - ?)8 und Ida (? - ?)9 .
Eine jüngere Schwester war Gitta (13.12.1889 - 20.09.1940), welche später Sigmund Junker heiratete. Sie bekamen einen Sohn namens Max, der später eine Beate10 heiratete und mit dieser 1938 nach Amerika auswanderte. Auf der Reise wurde sie dann mit ihrer Tochter Jeanie schwanger. Die ganze Familie blieb in Amerika und ist bis heute dort wohnhaft.11 Gitta Fichtelberger wurde am 14. September 1940 von der Heil- und Pflegeanstalt Werneck in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar gebracht. Von dort aus kam sie nur wenige Tage später am 20. September in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz und wurde im Zuge der T4-Krankenmorde ermordet.12
Der jüngste Bruder war Samuel (28.05.1896-11.09.1935).13 Dieser heiratete Rosa Rosenstock, die am 7. November 1902 zur Welt gekommen war. Im April 1942 wurden sie gemeinsam mit ihrer Tochter Frieda, die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war, und ihrem Sohn Max, der neun Jahre alt war, in das Ghetto Krasniczyn im Distrikt Lublin deportiert.14 Entweder starben sie dort, im Ghetto Izbica oder sie wurden im einem der Vernichtungslager umgebracht.15
Über die weiteren vier Geschwister konnten keine weiterehenden Informationen ausfindig gemacht werden.
Mit 17 Jahren, am 1. Juli 1888, zog Ferdinand Fichtelberger wahrscheinlich alleine nach Augsburg in eine Wohnung in Hinter der Metzg 3.16 Der Grund für den Umzug war eine Stelle bei der Firma Friedmann & Dannenbaum. Zwei Jahre später folgte der Umzug in die Karolinenstraße 12. In der Hermanstraße 6 wohnte er ab 1894, bevor er dann in die Wallstraße 5 zog.17 Weitere Wohnorte waren die Hermanstraße 118 , die Annastraße 619 und die Frölichstraße 1220 . Der Wohnsitz, an dem er die meiste Zeit verbrachte, war die Hermanstraße 1, in der seine Kinder geboren wurden.
Die letzte bekannte Adresse ist ab 1939 in der Hochfeldstraße 31.21 Diese war bis 1938 im Besitz der Augsburger Familie Farnbacher, musste dann allerdings zwangsverkauft werden und wurde als sogenanntes „Judenhaus“ verwendet.22 Somit ist also davon auszugehen, dass dieser letzte Umzug in die Hochfeldstraße nicht freiwillig stattfand.
Ferdinand Fichtelbergers Frau hieß Hana/Hanna (Hannchen).23 Geboren wurde sie am 25. November 1978 im mittelfränkischen Schnaittach im Bezirksamt Lauf. Die Hochzeit fand am 2. August 1909 in Nürnberg statt.
Ein Jahr später, am 16. April 1910, erlitten sie eine unglückliche Hausgeburt, bei der das Kind ums Leben kam. Am 31. Juli 1912 kam ihre Tochter Herta zur Welt und weitere zwei Jahre später, am 6. August 1914, ihr Sohn Wilhelm Abraham. Beide Kinder waren Hausgeburten in der Hermanstraße 1, in die die frisch verheirateten Fichtelbergers einen knappen Monat nach ihrer Hochzeit gezogen waren.24
Wilhelm begann 1930 als Lehrling im Augsburger Kaufhaus Brüder Landauer. Im Zuge der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 musste er seine Lehre dort abbrechen. Am 14. April 1934 zog er im Alter von 19 Jahren nach München, um seine Ausbildung dort zu beenden. Nachdem er auch diese aufgrund von Ausgrenzungsmaßnahmen nicht beenden konnte, hoffte er, die Firma seines Vaters zu übernehmen.25 Im Mai 1936 bestand allerdings kein anderer Ausweg für ihn, als nach West Virginia/USA auszuwandern, wo er sich später William Fields nannte.26
Herta hingegen trat im Jahr 1931 in den Vereinigten Wäschefabriken, für die ihr Vater als Mitinhaber genannt wird, als erste Näherin ein. Später arbeitete sie dort im Büro. Ihre Ausbildung musste allerdings 1937, in diesem Fall aus gesundheitlichen Gründen, abgebrochen werden.27 Am 28. November 1938 emigrierte sie schließlich nach Kalifornien, wo sie Albert Rowen heiratete.28
Friedmann & Dannenbaum war eine Augsburger Firma, die im Jahre 1872 als Wäsche- und Schürzenfabrik sowie als Weiß- und Wollwarengroßhandel von Simon Friedmann und seinem Partner Moritz Dannenbaum, welcher die Firma allerdings bald darauf wieder verließ, gegründet wurde.29 Ihr Produktionsort lag ab 1875 in dem Gebäude des Münch‘schen Palais am damaligen Annaplatz, dem heutigen Martin-Luther-Platz. Die damalige Anschrift lautete B258.30
Die Firma stellte ihre Waren in Eigenproduktion her und lieferte sie an Einzelhändler. Am 1. Oktober 1930 fand der Zusammenschluss der jüdischen Firmen Friedmann & Dannenbaum und Lammfromm & Biedermann statt, für welche Ferdinand Fichtelberger als einer der vier Mitgründer und -inhaber genannt wurde. Außer ihm waren aufgeführt: Karl Triest, Ludwig Friedmann und Hugo Jüngster.31 Sie firmierten nun unter dem Namen „Vereinigter Betrieb Friedmann & Dannenbaum, Wäschefabrik Friedmann, Triest & Co., Lammfromm & Biedermann“.32 Der gemeinsame Sitz befand sich ab dem Zeitpunkt der Firmenvereinigung in der Hermanstraße 15.33
Am 12. Juli 1938 wurde die Firma an die Gebrüder Karl und Fritz Oelkrug zwangsverkauft.34
Das Ehepaar Fichtelberger wurde ab 1939 gezwungen, die Zweitnamen Israel und Sara anzunehmen.35 Außerdem mussten sie ab dem 19. September 1941 den sogenannten „Judenstern“ tragen. Dieser sollte von Juden zu jedem Zeitpunkt außerhalb des Hauses sichtbar an der Kleidung befestigt sein, um unverkennbar zu signalisieren, dass der Träger ein Jude und somit frei für Angriffe aller Art war.36 Wie bereits erwähnt, wurde das Ehepaar 1941 gezwungen, in die Hochfeldstraße 31 umzuziehen.37
Offiziell waren die beiden dort wohnhaft bis zum 14. Oktober 1942, allerdings fand die Verhaftung durch die Gestapo bereits im August desselben Jahres statt.38 Ferdinand und Hannchen Fichtelberger wurden am 5. August 1942 von München-Milbertshofen nach Theresienstadt deportiert.39 Er starb dort nur wenige Monate später am 14. November 1942.40 Seine Ehefrau wurde 18. Mai 1944 nach Auschwitz weiterverschleppt und umgebracht.41
Im Zuge der Deportation raubte das Deutsche Reich all ihre Besitztümer. Diese wurden eingezogen und vermutlich auktioniert.42
Die Kinder Wilhelm und Herta führten die Wiedergutmachungsprozesse bezüglich des Vermögensverlustes sowie des Schadens an Leben, Gesundheit und Freiheit43 ihrer Eltern. Am 1. März 1954 bekamen sie eine Rückerstattung für die entzogenen Aktien.44 Für die Verfolgung und die Ermordung der Eltern wurde den Kindern ein Geldbetrag zugesprochen.45
Außerdem waren sie beteiligt an den Verfahren um die Beteiligung des Deutschen Reiches an der finanziellen Ausbeutung der Firma „Friedmann & Dannenbaum, Wäschefabrik Friedmann, Triest & Co. und Lammfromm & Biedermann“.46 Sie erhielten eine finanzielle Entschädigung.47
Darüber hinaus versuchten beide, ihre Ansprüche aufgrund von Schäden an Eigentum, Vermögen sowie beruflichem und wirtschaftlichem Fortkommen geltend zu machen.48
Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Julia Winkler, Schülerin des Oberstufenjahrgangs 2018/2020 am Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen, im Rahmen des W-Seminars „Jüdische Opfer des Nationalsozialismus im Großraum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.
Alemannia Judaica, E-Mail von Joachim Hahn vom 15.10.2019
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Landesentschädigungsamt (LEA):
– 966, Akten F39 A
Staatsarchiv Augsburg (StAA)
– Bestand Wiedergutmachungabestände, A- Akten, Ferdinand Fichtelberger, geb. 1871, JRSO-Akten
– Bestand Vermögensbestände, Fichtelberger Ferdinand, geb. 1871, JRSO-Akten
– Bestand Wiedergutmachungsbehörde, A-Akten 549
– Bestand Wiedergutmachungsbestände, A-Akten 1055
Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldebogen (MB):
– Ferdinand Fichtelberger
Meldekarten 2 (MK 2):
– Ferdinand Fichtelberger
– Bestand 23 (Arbeitsschutz), Signatur 839
– E-Mail von Georg Feurer am 15.10.2019
http://www.alemannia-judaica.de/ermershausen_synagoge.htm#Zur%20Geschichte%20der%20Synagoge (abgerufen am 15.09.2019)
https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Wie-Nazis-in-Augsburg-juedischen-Buergern-Eigentum-stahlen-id22659431.html (abgerufen am 24.10.2019)
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de865200 (aufgerufen am 29.09.2019)
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de865203 (aufgerufen am 29.09.2019)
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de865204 (aufgerufen am 29.09.2019)
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de865211 (aufgerufen am 29.09.2019)
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de865212 (aufgerufen am 29.09.2019)
https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1192480 (aufgerufen am 29.09.2019)
http://www.deathcamps.org/occupation/transit%20ghettos_de.html (abgerufen am 26.10.2019)
https://www.geni.com/people/Fannie-Kretzer/6000000074764577860 (abgerufen am 26.10.2019)
https://www.geni.com/people/Max-Fichtelberger/6000000074802592366 (abgerufen am 26.10.2019)
https://www.geni.com/people/Ida-Fichtelberger/6000000074802210596 (abgerufen am 26.10.2019)
https://www.geni.com/people/Norma-Norie-Freimann/6000000074802728089 (abgerufen am 26.10.2019)
http://www.hagalil.com/2019/02/transitghetto-izbica/ (abgerufen am 28.10.2019)
http://www.hdbg.de/juedische-friedhoefe/friedhoefe/nameframe/content_ermerhausen.html (aufgerufen 20.09.2019)
http://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/10281-ferdinand-fichtelberger/
(aufgerufen am 29.05.2019)
https://www.mainpost.de/regional/hassberge/Auf-den-Spuren-der-Vorfahren;art1726,8288935#kommentare (abgerufen am 15.09.2019)
http://www.schloss-hartheim.at/index.php/historischer-ort/toetungsanstalt-hartheim-1940-1944 (aufgerufen am 29.09.2019)
http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_bay_420603.html
(aufgerufen am 29.05.2019)
Klaus-Peter Friedrich, Polen: Generalgouvernement August 1941-1945. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945 (VEJ), Band 9, München 2014.
Miroslav Kárný (Hg.), Theresienstädter Gedenkbuch. Die Opfer der Judentransporte aus Deutschland nach Theresienstadt 1942–1945, Prag 2000.
Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung“. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941-1949 (Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.