Emma Frank, geb. Reis

Geboren:
21.11.1869, Walldorf b. Meiningen (Thür.)
Gestorben:
19.05.1943, Theresienstadt

Wohnorte

Chemnitz
Augsburg, Heinrich-von-Buz-Straße 8a
Augsburg, Halderstraße 8

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 31. Juli 1942
von München-Milbertshofen
nach Theresienstadt

Biografie
Emma Frank, geb. Reis. (https://www.geni.com/people/Emma-Frank/6000000109314092837)

Familie

Amalia Rosenau, geboren 1844 in Kissingen (heute Bad Kissingen) und Moritz Reis, geboren am 21. April 1839 in Walldorf, konnten am 21. November 1869 in Walldorf bei Meiningen zum ersten Mal ihre Tochter Emma im Arm halten.1 Knapp drei Jahre später, am 17. Juli 1871, kam Emmas Bruder Julius auf die Welt. Weiteren Familienzuwachs gab es am 20. Juni 1873 mit einem Bruder namens Nikolaus, am 7. Juni 1875 mit Ludwig und am 8. Mai 1877 mit Phillipp.2 Emma wuchs mit ihren Eltern und ihren vier Brüdern in Walldorf/Thüringen auf. Die Familie verlegte 1879 ihren Wohnsitz nach Augsburg. Dort meldete Moritz mit seinem Schwager Philipp Rosenau im Februar 1879 eine Käsegroßhandlung an. Sie erwarben 1885 für 23.000 Mark ein Haus in der Eisenhammerstraße 8a (heute Heinrich-von-Butz Straße) und ließen sich dort nieder.3 Der Betrieb lieferte Allgäuer Käse mit der Bahn nach ganz Deutschland.4

Ehe und Familiengründung

Emma lernte ihren zukünftigen Mann Louis Frank5 vielleicht schon in ihrer Kindheit kennen, da dieser am 9. Januar 1861 auch in Walldorf geboren worden war.6 Mit den Worten „Mit diesem Ring bist du mir angetraut nach dem Gesetz Mose und Israel“7 , heirateten die beiden am 30. März 1892 im Rabbinat in Bamberg und zogen nach Chemnitz in Sachsen.8 Wie ihr Bruder Julius in einem Brief für die nach dem Zweiten Weltkrieg stattfindenden Wiedergutmachungsverfahren mitteilte, war es der Familie nicht bekannt, wo genau die Ehe geschlossen wurde.9 Dies weist darauf hin, dass kein Familienangehöriger anwesend war. In Thüringischen Greiz brachte Emma im Jahr darauf, am 3. April 1893, ihren einzigen Sohn Hermann Frank auf die Welt.10 Ihr Mann starb am 26. Oktober 1905 in Chemnitz.11 Kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs fiel ihr Sohn am 8. September 1914 im französischen Chalons.12

Das Familienleben in Augsburg

Die Kaufmannswitwe kehrte am 20. April 1915 zurück nach Augsburg und wohnte bei ihrer Familie in der Eisenhammerstraße 8a.13 Emma übte keinen Beruf aus und war sehr wahrscheinlich zusammen mit ihrer Mutter für den Haushalt zuständig. Ihr Vater und ihre Brüder führten weiterhin den Käsehandel.14

Der Bruder Nikolaus hatte bereits 1906 Lina Ullmann geheiratet und war mit ihr an den Marienplatz 10 nach Nürnberg gezogen.15 Am 13. Juli 1907 wurde Emmas Nichte Lotte geboren, später dann Greta.16 Auch Ludwig heiratete und zog mit seiner Frau Rosa nach Nürnberg in die Hastverstraße 30. Rosa brachte Frida als weitere Nichte von Emma auf die Welt.17

Phillipp ehelichte am 8. August 1909 Anna Löffler, welche am 11. Juni 1884 in Kriegshaber geboren worden war.18 Julius schloss den Bund der Ehe mit Jettchen Linz und zog in Augsburg in die Hermannstraße 3.

Am 28. Januar 1922 verstarb ihr Vater Moritz im Alter von 83 Jahren.19 Die Brüder Julius und Phillipp Reis übernahmen das Gewerbe nach dessen Tod von Philipp Rosenau, dem Bruder ihrer Mutter. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betrieb 18 Mitarbeiter. Unter dem Namen „Gebrüder Reis“ erzielten sie 1934 mit dem Verkauf von Wein- und Schweizer Käse einen Umsatz von 220.000 Reichsmark.20

Am 30. Mai 1932 musste sich die Familie auch von ihrer Mutter Amalia verabschieden.21 Beide wurden auf dem Friedhof in der Haunstetter Straße 64 in Augsburg beerdigt.

Die Auswirkungen der antisemitischen Politik des NS-Regimes

Nach der Machtübernahme Hitlers hisste man am 13. März 1933 die Hakenkreuzfahne am Rathausplatz in Augsburg. Dies hatte für Juden große Veränderungen zur Folge. Noch hatten die Nationalsozialisten keine Führungspositionen im Rathaus. Das änderte sich jedoch schnell und mit der Hilfe des damaligen Oberbürgermeisters der Bayrischen Volkspartei Otto Bohl konnten Juden aus Verbänden und Vereinen ausgeschlossen werden.22 Die NS-Diktatur setzte jüdisches Gewerbetreibende immer stärker unter Druck: In Zeitungsanzeigen mit Sätzen wie „ Deutsche, schämt Euch, bei Juden zu kaufen!“23 und Listen von Geschäften mit jüdischen Inhabern wurde Stimmung gegen diese gemacht. Diese antisemitische Propaganda machte auch der Familie Reis und ihrer Firma immer stärker zu schaffen. Am 22. Dezember 1937 wurde die Käsehandlung endgültig aus dem Handelsregister gelöscht.24

Deportationen

Am 2. April 1942 wurden Emmas Bruder Phillipp Reis und seine Frau Anna nach Piaski im besetzten Polen deportiert. Die beiden schrieben noch Briefe an einen Freund der Familie, Fritz Gutmann, und berichteten darin über ihr Elend und das Hungern im Lager. Er schickte ihnen mehrere Pakete mit Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern. Im Winter 1942/1943 gab es keine Lebenszeichen mehr von ihnen. Es ist davon auszugehen, dass sie zu diesem Zeitpunktverhungert schon direkt oder indirekt ermordet worden waren.25 Nach Kriegsende wurden beide für tot erklärt.26

Nachdem Emma Frank am 13. Mai 1942 in die Synagoge in der Halderstraße 8 in Augsburg umgezogen war,27 wurde sie am 2. August 1942 mit dem Transport II/21 in das Lager Theresienstadt deportiert.28 Sie hat die Deportation nicht überlebt.29 1949 wurde sie für tot erklärt. Als Todestag wurde der 15. März 1943 festgelegt.30 Ihren Name schrieb man im Gedenken nachträglich auf den Grabstein der Eltern.

Grabstein der Familie Reis auf dem jüdischen Friedhof Haunstetter Straße. (© JMAS)

„Wiedergutmachungsverfahren“

Julius Reis beantragte am 13. Dezember 1948 die Todeserklärungen für seine Geschwister Emma Frank und Phillipp Reis. Er selbst war mit seiner Familie in die USA geflüchtet und lebte in New York. Der Antrag auf „Wiedergutmachung“ für Emma Frank war der Anfang eines langwierigen Prozesses gegen die Verbrechen des „Dritten Reichs“. Das zurückgeforderte Vermögen beinhaltete ein beschlagnahmtes Konto mit 3.469,70 Reichsmark, den Verlust der Vorzugsrente im Wert von 600 Reichsmark und Wertpapiere im Wert von 17.203,30 Reichsmark. Dazu kam die im Jahre 1942 geplünderte Wohneinrichtung im Wert von 5.000 Reichsmark und die verschiedenen erzwungenen Judenvermögensabgaben im Wert von 18.552,59 Reichsmark.31

Am 17. April 1950 erhielt Julius Reis eine Rückerstattung für sein Wohnhaus in der Eisenhammerstraße. Er starb am 14. Oktober 1952 an einer Herzerkrankung und hinterließ seinen Besitz seiner Tochter. Diese führte das „Wiedergutmachungverfahren“ zusammen mit ihren Cousinen fort. Am 10. August 1955 genehmigte das Landgericht München den Antrag für die Rückerstattung und verpflichtete die BRD den Geldbetrag der „Judenabgaben“ zurückzuzahlen. 1964 wurde ein weiteres Wiedergutmachungsverfahren um das Erbe von Emma Frank eingeleitet.32

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Eva Nadine Ranzinger, Schülerin des Oberstufenjahrgangs 2020/2022 am Maria-Ward-Gymnasium Augsburg, im Rahmen des W-Seminars „Jüdische Opfer des Nationalsozialismus im Raum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.

Fußnoten
  1. StadtAA, MB Moritz Reis; BayHStA, LEA 11729.
  2. StAA, AG Augsburg, Nachlassakten VI 827/1949; AG Augsburg, Nachlassakten, U R II 294, 295/48.
  3. StadtAA, MB Moritz Reis.
  4. StadtAA, MB Moritz Reis.
  5. In den Quellen auch: Louis Frankel.
  6. StadtAChe, Polizeiliches Meldewesen der Stadt Chemnitz Abteilung I, Seite 236.
  7. Peter Ortag, Jüdische Kultur und Geschichte. Ein Überblick, 5. Auflage, Berlin 2004, S. 27.
  8. Bei der Hochzeit war wohl nur ein Rabbiner anwesend.
  9. AG Augsburg, UR II 294,295/1948 und 83/1949.
  10. Stadt Greiz, Geburtsurkunde, Hermann Frank, Nr. 215/1893.
  11. StadtAChe, Standesamt Chemnitz II, Sterberegister von 1905, Nr. 1944.
  12. StadtAA, MK 2, Emma Frank.
  13. StadtAA, MK 2 Emma Frank.
  14. BWA, K 9.1/7313.
  15. https://www.myheritage.de/names/nikolaus_reis (aufgerufen am 05.11.2021); AG Augsburg, Nachlass Akten, VI 827/1949.
  16. https://www.geni.com/people/Lotte-Adler/6000000031267005821 (aufgerufen am 05.11.2021).
  17. StAA, AG Augsburg, Nachlassakten, VI 827/1949.
  18. AG Augsburg, UR II 294,295/1948 und 83/1949.
  19. StadtAA, MB Moritz Reis.
  20. BWA, K 9.1/7313.
  21. StadtAA, PB Heinrich-von-Butz Straße 8a.
  22. Bernhard Gotto, Machtergreifung und Gleichschaltung, in: Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto, „Machtergreifung“ in Augsburg, Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937, Augsburg 2008, S. 17-20.
  23. Benigna Schönhagen, Zur Situation der Augsburger Juden nach der „Machtergreifung“, in: Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto, „Machtergreifung“ in Augsburg, Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937, Augsburg 2008, S. 152.
  24. BWA, K 9.1/7313.
  25. AG Augsburg, UR II 294,295/1948 und 83/1949.
  26. AG Augsburg, UR II 294,295/1948 und 83/1949: Der Todeszeitpunkt wurde auf den 31. Dezember 1942 festgelegt.
  27. StadtAA, Polizeibögen, Heinrich-von-Butz-Straße 8 a.
  28. https://www.statistik-des-holocaust.de/II21-3.jpg (aufgerufen am 04.11.2021).
  29. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de867714; https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/10642-emma-frank/. In den Akten des Amtsgerichts Augsburg ist vermerkt, dass Emma Frank, geb. Reis nach Auschwitz weiterverschleppt wurde. Dies scheint nicht der Fall zu sein, vgl. AG Augsburg, UR II 294,295/1948 und 83/1949.
  30. AG Augsburg, UR II 294,295/1948 und 83/1949.
  31. StAA, Wiedergutmachungsbehörde V für Schwaben, a-Akten, 129,129a/1948-57, 129b/1948-54; StAA, Finanzmittelstelle Augsburg, Rückerstattungsakten, F 16/1925-54; StAA, Steuerakten Schwäbischer Finanzämter über rassisch Verfolgte, 4175/1925-45; StAA, Steuerakten Schwäbischer Finanzämter über rassisch Verfolgte, 4175/1925-45; StAA, AG Augsburg, Nachlassakten, VI 827/1949; BayHStA, LEA 11729; StadtAA, Rechtsamt, Nr. 156.
  32. StAA, Wiedergutmachungsbehörde V für Schwaben, a-Akten, 129,129a/1948-57, 129b/1948-54; StAA, Finanzmittelstelle Augsburg, Rückerstattungsakten, F 16/1925-54; StAA, Steuerakten Schwäbischer Finanzämter über rassisch Verfolgte, 4175/1925-45; StAA, Steuerakten Schwäbischer Finanzämter über rassisch Verfolgte, 4175/1925-45; StAA, AG Augsburg, Nachlassakten, VI 827/1949; BayHStA, LEA 11729; StadtAA, Rechtsamt, Nr. 156.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Amtsgericht Augsburg (AG Augsburg)
Nachlassakten, UR II 294, 295/48, 83/1949

Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Landesentschädigungsamt (LEA)
11729

Bayerisches Wirtschaftsarchiv (BWA)
K 9.1/7313

Staatsarchiv Augsburg (StAA)
Amtsgericht Augsburg (AG Augsburg)
Nachlassakten VI 827/1949

Wiedergutmachungsbehörde V für Schwaben, a-Akten, 129,129a/1948-57, 129b/1948-54

Finanzmittelstelle Augsburg, Rückerstattungsakten, F 16/1925-54

Steuerakten Schwäbischer Finanzämter über rassisch Verfolgte, 4175/1925-45

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldebogen (MB)
Moritz Reis

Meldekartei 2 (MK 2)
Emma Frank

Polizeibogen (PB)
Heinrich-von-Butz Straße 8a

Rechtsamt, Nr. 156

Stadtarchiv Chemnitz (StadtAChez)
Polizeiliches Meldewesen der Stadt Chemnitz Abteilung I, Seite 236
Standesamt Chemnitz II, Sterberegister von 1905, Nr. 1944

Stadt Greiz, Geburtsurkunde, Hermann Frank, Nr. 215/1893

Internet:
Literatur:

Bernhard Gotto, Machtergreifung und Gleichschaltung, in: Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto, „Machtergreifung“ in Augsburg, Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937, Augsburg 2008.

Peter Ortag, Jüdische Kultur und Geschichte. Ein Überblick, 5. Auflage, Berlin 2004.

Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung“. Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941-1949 (Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.

Benigna Schönhagen, Zur Situation der Augsburger Juden nach der „Machtergreifung“, in: Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto, „Machtergreifung“ in Augsburg, Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937, Augsburg 2008, S. 150-158.