Emanuel Engel

Geboren:
29.02.1872, Markt Berolzheim
Gestorben:
06.03.1943, Theresienstadt

Wohnorte

Markt Berolzheim, Lange Straße 2
Augsburg, Maximilianstraße 17

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 31. Juli 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Theresienstadt

Biografie

Emanuel Engel wurde am 29. Februar 1872 in Markt Berolzheim geboren. Er war der Sohn des Güterhändlers Leopold Engel (12.05.1832-12.12.1904) und dessen Frau Therese Engel, geborene Maier. Seine vier Geschwister waren Joseph (12.01.1865), Jakob (25.08.1869), Heinrich (12.12.1878) und Clara (16.08.1883).1

Er heiratete Bertha Kocherthaler, die am 25. November 1875 geboren wurde. Die beiden hatten drei Kinder: Max, Albert und Therese.2 Sie lebten in Markt Berolzheim in der Hausnummer 12, welche heute die Lange Straße 2 ist.

Sein Vater starb am 12. Dezember 1904 in Markt Berolzheim. Zu seiner Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof in Treuchtlingen am 22. Dezember 1904 wurde in der Zeitschrift „Der Israelit“ ein Artikel veröffentlicht. Er wurde als Vorbild der jüdischen Gemeinde und als guter Vater, der seine Kinder im Sinne der Nächstenliebe erzogen hat, beschrieben. Familienmitglieder, Freunde und Bekannte waren angereist, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Auf dem Friedhof berichteten viele über seinen edlen Charakter und die vielen hohen Eigenschaften als Jude und Mensch.3

Während des Ersten Weltkriegs wurde Emanuel Engel am 2. November 1914 zum Landsturmbataillon nach Ingolstadt eingezogen, dort blieb er bis zum 18. Juni 1917. Er wurde nicht an die Front geschickt, sondern bis zum 30. September 1917 zurückgestellt. Sein fortgeschrittenes Alter war höchstwahrscheinlich der Grund für die vorzeitige Entlassung.4

Viehhändler

Er arbeitete als Viehhändler und war Mitinhaber der Firma Bermann & Oppenheimer OHG in Markt Berolzheim, die hauptsächlich mit Großvieh und Pferden handelten und auf Wochenmärkten in Bamberg, Schweinfurt, Treuchtlingen, Nürnberg und Donauwörth ihr Vieh verkaufte.5 Ob er eine dunkle Anzugshose, einen beigen Mantel, ein weißes Hemd mit Krawatte sowie einen breitkrempigen Herrenhut trug, wie es in der Forschungsliteratur als „typisch“ für Viehhändler beschrieben wird, ist nicht überliefert, aber nicht unwahrscheinlich.6

Neben seinen Feldern und Wiesengrundstücke besaß Emanuel Engel ein Wohnhaus, einen Stall, ein Waschhaus, einen Hofraum, einen kleinen Garten zur Selbstversorgung, einen Grasgarten und eine Weide. Es ist davon auszugehen, dass er aus wirtschaftlichen Gründen das zu verkaufende Vieh mit eigenem angebautem Futter versorgte.7

Ehe mit Bertha Engel

Emanuel Engel war mit Bertha Kocherthaler verheiratet. Die beiden ließen sich am 28. Juni 1898 in Ernsbach trauen.8 Bertha war dort am 25. November 1875 geboren worden. Aus der Ehe der beiden gingen drei Kinder hervor: Max, geboren am 12. Juni 1899, Albert, geboren am 26. Oktober 1900 und Therese, geboren am 18. Juni 1904.9

Gemeinderat

Emanuel Engel war das einzige jüdische Mitglied im Gemeinderat von Markt Berolzheim. Die letzte Sitzung des Rates fand am 18. April 1933 statt. Zu dieser Sitzung ist ein Protokoll überliefert, das er gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Gemeinderates unterschrieben hat.10

Bereits am 3. Mai 1933 hatte der neue Gemeinderat, der von den Nationalsozialisten festgelegt worden war, seine erste Sitzung. Die meisten der vorherigen Mitglieder wurden durch neue ausgetauscht.11 Am 5. November 1935 veröffentlicht dieser Gemeinderat in einem Zeitungsartikel die neue Satzung, die „zum Schutze des Blutes und der deutschen Ehre“ beitragen sollte.12

Novemberpogrom 1938

Anhand der Aussagen von 26 Beteiligten und Zeugen, die in einer Prozessakte enthalten sind, lässt sich folgender Sachverhalt rekonstruieren:

In der Nacht des 10. Novembers 1938 wurde ein Befehl über die Gauleitung Nürnberg an die Gendarmeriestation in Markt Berolzheim weitergegeben, der wiederum unverzüglich an den Ortsgruppenleiter der NSDAP, den SA-Obertruppführer und den Bürgermeister übermittelt werden sollte. In dem Befehl hieß es unter anderem, dass die Synagoge niederzubrennen und den Juden das Wohnen ungemütlich zu machen sei. Wertvolle Gegenstände, wie Kronleuchter und schöne Möbel seien zu schonen und die Aktion solle bis 6 Uhr durchgeführt sein. Außerdem sollte dem Feuerwehrführer mitgeteilt werden, dass er für den Schutz der Nachbargebäude der Synagoge zu sorgen habe.13

Der SA-Führer von Markt Berolzheim veranlasste, dass die SA-Männer der Gemeinde geweckt wurden, während sich bereits eine Anzahl von Männern zur Synagoge begeben hatten, welche versuchten, die Tür der Synagoge einzurammen. Da dies misslang, wurde ein Fenster eingeschlagen und sich so Zugang verschafft. Aus der Synagoge wurden zunächst die Kronleuchter entfernt und dann zwischen den Bänken ein Feuer entfacht.14 Bei diesem Brand wurde auch eine Torarolle, die Emanuel Engel gehörte, zerstört.15

Mitglieder der SA demolierten Wohnungen, wobei Türen aufgesprengt, Fenster eingeschlagen, Einrichtungsgegenstände zerstört, Spiegel und Geschirr zerschlagen und Möbel umgestürzt wurden.16 Die meisten Wertgegenstände in der Wohnung der Familie Engel wurden gestohlen.17

Nachdem die Wohnungen zerstört waren, wurden alle Juden und Jüdinnen im Haus von Emanuel Engel gesammelt und von SA-Männern festgehalten. Danach sollten alle Gefangenen in das Amtsgerichtsgefängnis von Gunzenhausen gebracht werden. Da dort aber kein Platz mehr war, wurden sie wieder auf das Anwesen von Emanuel Engel zurückgebracht und bis zum 12. November 1938 festgehalten. Trotz des Platzmangels im Amtsgerichtsgefängnis in Gunzenhausen wurden fünf männliche Juden dort inhaftiert und vier von ihnen ins Dachauer Konzentrationslager gebracht.18

Über das Festhalten der Juden im Haus Engel gibt es eine Zeugenaussage von Sofie Schönwalter. Sie berichtete:

„Gegen 12 Uhr mittags des gleichen Tages wurden meine Mutter und ich unter Bewachung eines jungen Nazis in unser Haus zurückgeführt, wo mir erklärt wurde, dass wir alle zusammen in einem Judenhaus gefangen gehalten würden und ich solle meine Habseligkeiten zusammenraffen. Nachmittags wurden wir dann wieder unter Bewachung in das Haus des Emanuel Engel verbracht. Gegen 4 Uhr am gleichen Tage mussten alle Personen mit Ausnahme meiner alten Mutter und Emanuel Engel zum Bahnhof Berolzheim laufen zwecks beabsichtigter Einlieferung ins Gefängnis Gunzenhausen. Während des ca. 15 Minuten langen Marsches wurden wir alle dauernd von der Bevölkerung, speziell der Jugend, verhöhnt und bedroht, etc. Am Bahnhof Berolzheim angekommen, mussten wir wieder in das Haus von Emanuel Engel zurückgehen, da inzwischen gemeldet worden wäre, dass in Gunzenhausen kein Platz mehr für uns sei.“19

Anhand einer weiteren Zeugenvernehmung wurde klar, dass jüdische Männer von einem SA-Angehörigen geschlagen wurden.20 Karolina Robl, eine Nachbarin von Emanuel Engel, erzählte, dass ihr ein Täter Folgendes berichtet habe: „Auf dem Marktplatz, rechterhand, war der [Emanuel] Engel drin, und einer hat erzählt: ‚Wie wir zum Engel rein sind, war kein Mensch da. Jetzt haben wir überall geschaut, im ganzen Haus, und die waren oben im Taubenschlag gesessen, weil sie sich gefürchtet haben […] Und dann haben sie zu ihm gesagt: ‚Tun Sie uns nichts, wir haben Ihnen doch auch nichts getan.‘ Getan haben sie ihnen nichts, aber die ganze Einrichtung haben sie zusammengeschlagen.“21

Emanuel Engel wurde nicht in das KZ Dachau verschleppt.22

Versteigerung jüdischen Besitzes

Kurz vor Weihnachten wurde das jüdische Eigentum, welches nicht beschädigt oder zerstört worden war, von der SA versteigert, so auch Besitz der Familie Engel.23 Der SA-Führer von Markt Berolzheim, der gleichzeitig auch der Organisator der Versteigerung war, äußerte sich nach dem Krieg:

„Etwa 4 bis 6 Wochen nach der Judenaktion, es waren aus Markt Berolzheim sämtliche Juden weggezogen, habe ich in den Judenhäusern sämtliche Haushaltsgegenstände, die noch vorhanden waren öffentlich an den Meistbietenden versteigert. Befehl hatte ich hierzu keinen erhalten. Ich habe dies von mir aus selbst unternommen und hatte hierzu den Ortsgruppenleiter und Bürgermeister sowie Gemeindekassier ins Vertrauen gezogen. Das Geld ist der Gemeindekasse zugeflossen. Glaublich sind 1.000 Reichsmark eingegangen. Der Grund hierzu war, dass ich als Judenhasser die Juden nicht mehr haben wollte. Ich versuchte diese mit allen Mitteln nach der Judenaktion fortzubringen. […].“24

Die weitere Aussage muss stark bezweifelt werden: „Die Juden wussten seinerzeit nicht, was sie anfangen sollten. Sie fragten mich daher öfters, was sie machen sollten. Ich gab diesen den Rat, dass sie alles wegbringen könnten und wenn sie dies mit Möbelwagen geschehen sollte. Sie dürften mitnehmen, was ihnen möglich sei. Nun brachten sie bis auf Reste alles fort. Was dann noch vorhanden war, wurde von mir versteigert. Ich wollte nur haben, dass diese Gegenstände den Judenfreunden nicht in die Hände fallen sollten. Richtig ist, dass auch SA-Angehörige Sachen ersteigert haben. Dass diese besonders damit bedacht wurden, ist nicht richtig. Meine Einstellung ließ das ja gar nicht zu, dass ein SA-Mann, ein Nationalsozialist, von einem Juden irgendetwas erwerben würde. Wenn trotzdem ein SA-Mann oder Parteigenosse etwas ersteigern wollte, so habe ich das ohne weiteres zugelassen.“25

Leben in Augsburg

Nach der Reichspogromnacht wurde das Ehepaar bei der polizeilichen Meldebehörde am 31. November 1938 in Berolzheim abgemeldet. Danach zogen sie nach Augsburg in die Maximilianstraße 17, wo sie seit dem 2. Dezember 1939 gemeldet waren und bis zu ihrer Deportation 1942 lebten.26 In Augsburg wurden sie gezwungen, Gold-, Silber- und Schmuckgegenstände anzugeben.27

Es ist ein Brief von Emanuel Engel erhalten, der er am 29. Januar 1939 an den Bürgermeister in Markt Berolzheim geschickt hatte und sich auf das Tragen der Zwangsvornamen "Sara" bzw. "Israel" bezieht:

„Augsburg 29.1.1939

An den Herrn Bürgermeister

Mkt. Berolzheim.

Ich stelle hiermit die ergebenste Bitte um Mitteilung, ob der von uns ausgefüllte Bogen […] Betreff: der Richtigstellung unserer jetzigen Namen in Emanuel Israel Engel u. Bertha Sara Engel, geb. Kocherthaler an das Standesamt unserer Trauung, Ernsbach in Württemberg, von Ihnen dorthin weitergeschickt wurde; sollte dies nicht geschehen sein, so bitte um Übersendung eines gestempelten Bogens, dass ich den selber ausfülle und dorthin sende. Für Ihre Bemühungen bestens dankend

Ergebenst:

Emanuel "Israel" Engel“28

Deportation und Tod

Am 31. Juli 1942 wurde das Ehepaar Engel von München-Milbersthofen nach Theresienstadt deportiert.29 Dort wurde eine Todesfallanzeige für Emanuel Engel erstellt, aus der hervorgeht, dass er am 6. März 1943 um 5:30 Uhr gestorben war. Als Todesursache wurde eine Sepsis angegeben.30 Es ist davon auszugehen, dass dies nicht stimmt.

Bertha Engel ist am 15. Dezember 1943 im Lager Theresienstadt umgekommen.31

Die Kinder des Ehepaars Engel konnten in die USA auswandern und stellten nach dem Krieg einen Entschädigungsantrag.32

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Leonie Rusu, Schülerin des Oberstufenjahrgangs 2020/2022 am Maria-Ward-Gymnasium Augsburg, im Rahmen des W-Seminars „Jüdische Opfer des Nationalsozialismus im Raum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.

Fußnoten
  1. Daniel Burmann, Juden in Markt Berolzheim. Die Geschichte einer jüdischen Landgemeinde, Markt Berolzheim voraussichtlich 2022.
  2. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  3. https://www.alemannia-judaica.de/berolzheim_synagoge.htm (aufgerufen 30.10.2021).
  4. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  5. BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel.
  6. Stefanie Fischer, Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt. Jüdische Viehhändler in Mittelfranken 1919-1939, Göttingen 2014, S. 101f.
  7. Ebd., S. 60f.
  8. In der Todesfallanzeige des Lagers Theresienstadt wird als Ort der Eheschließung Kreisheim (wahrscheinlich ist Crailsheim gemeint) genannt, aber in einem selbst verfassten Brief, gibt er Ernsbach als Trauungsort an, siehe: https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/9717-emanuel-engel/ (aufgerufen am 30.10.2021); Daniel Burmann, Juden in Markt Berolzheim. Die Geschichte einer jüdischen Landgemeinde, Markt Berolzheim voraussichtlich 2022.
  9. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  10. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  11. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  12. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  13. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  14. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  15. BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel; BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel, Nr. 104 und BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel, Nr. 105.
  16. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  17. BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel.
  18. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  19. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  20. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  21. Barbara Eberhardt, Synagogen-Gedenkband Bayern, in: Wolfgang Kraus (Hg.), Mehr als Steine… , Mittelfranken, Band 2, Lindenberg im Allgäu 2010, S. 419.
  22. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  23. BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel.
  24. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  25. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  26. BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel, Nr. 87; https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/9717-emanuel-engel/ (aufgerufen am 30.10.2021); https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/9711-berta-engel/ (aufgerufen am 30.10.2021); Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  27. BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel.
  28. Daniel Burmann, voraussichtlich 2022.
  29. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de859041 (aufgerufen am 11.04.2022); https://www.statistik-des-holocaust.de/II21-1.jpg (aufgerufen am 11.04.2022).
  30. https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/9717-emanuel-engel/ (aufgerufen am 30.10.2021).
  31. https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/9711-berta-engel/ (aufgerufen am 30.10.2021); https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de859008 (aufgerufen am 11.04.2022).
  32. BayHStA, LEA Entschädigungsverfahren Emanuel Engel.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Landesentschädigungsamt (LEA):

  • Emanuel Engel
Internet:
Literatur:

Daniel Burmann, Juden in Markt Berolzheim. Die Geschichte einer jüdischen Landgemeinde, Markt Berolzheim voraussichtlich 2022.

Barbara Eberhardt, Synagogen-Gedenkband Bayern, in: Wolfgang Kraus (Hg.), Mehr als Steine… , Mittelfranken, Band 2, Lindenberg im Allgäu 2010.

Stefanie Fischer, Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt. Jüdische Viehhändler in Mittelfranken 1919-1939, Göttingen 2014.