Augsburg, Bahnhofstraße 16 (bis 1906)
Augsburg, Hermannstraße 1 (1906 – 1920)
Augsburg, Schaezlerstraße 13/I (1920 – 1936)
Augsburg, Gesundbrunnenstraße 3 (1937 – 1939)
Freitod am 20. September 1939
Anna Schwarz ist eine Tochter des Kaufmanns Asser Rosenmeyer aus Wolfhagen und seiner Frau Johanna. Am 16. April 1894 heiratet sie in Mainz, wo die Familie mittlerweile lebt, den Kaufmann Karl Schwarz aus Augsburg.1 und Anna Schwarz, 15.04.1894.] Er kommt aus Steppach und erwirbt in Augsburg am Predigerberg 9 ein stattliches Anwesen, zu dem neben einer Reihe von Wohnungen und Zimmern auch die historische „Gaststätte zum Mohrenkopf“ gehört. Zusammen mit seinem Bruder Heinrich betreibt er hier auch eine Eisenwarenhandlung.2 Ab 1920 bewohnt die Familie eine herrschaftliche Mietwohnung in der Schaezlerstraße 13.3 Aus der Ehe gehen drei Töchter hervor: Emmy, Hansi und Lotte, die allesamt die höhere Schule, das evangelische „Von Stetten“ besuchen. Als Karl Schwarz am 16. April 1926 stirbt, sind die beiden großen Töchter bereits verheiratet und haben Kinder. 1936 bezieht Anna Schwarz eine großzügige Wohnung in der Gesundbrunnenstraße 3.4
Anna Schwarz erlebt die Judenverfolgung bei ihren Kindern hautnah mit. Die Älteste, Emmy, muss schon 1934 mit ihrem Mann, Dr. Kurt Glaser, einem linken Sozialdemokraten, nach Paris emigrieren, nachdem die Nationalsozialisten ihn ein halbes Jahr eingesperrt und ihm Landesverbot in Sachsen erteilt hatten.5 Hansi, die Mittlere, ist geschieden und hat ihren Sohn in einem Kinderheim in Berlin untergebracht, das wegen „staatsfeindlicher Erziehung von Kindern in jüdisch-marxistischem Sinne“ geschlossen wird.6 Lotte, die Jüngste, hat ein uneheliches Kind von einem Nicht-Juden,7 das sie auf einem Bauernhof im Allgäu versteckt. Ihre Nichte, Johanna Schmiedchen, wird schon am 19. April 1938 wegen „Verdacht der Rassenschande“ verhaftet8 und als Schutzhäftling ins Konzentrationslager gesteckt. Anna Schwarz muss auch mitansehen wie immer mehr ihrer Freunde und Verwandte Augsburg verlassen und versuchen, sich ins Ausland zu retten. Es wird einsam um die alte Dame.9
Nach den Novemberpogromen 1938 bietet sie der Stadt Augsburg ihr Anwesen am Predigerberg zum Kauf an, um die Judenvermögensabgabe bezahlen zu können.10 Die Stadt greift zum für sie günstigen Einheitswert zu.11 Der Verkaufserlös wird zwar auf ihr Konto eingezahlt, unterliegt aber strengen Verfügungsbeschränkungen. Auch ihren geliebten Schmuck und sämtliche anderen Wertsachen muss sie abgeben. Als sie auch noch die Wohnung räumen soll, nimmt sie am 20. September 1939 Gift.12
Im Augsburger Rathaus ist im Erdgeschoss eine Gedenkstätte für die ermordeten Augsburger Juden eingerichtet. Auf der Gedenktafel ist auch der Name „Anna Schwarz“ zu finden.
Leo Hiemer
Archiv der katholischen Pfarrgemeinde St. Martin, Marktoberdorf
Archiv Leo Hiemer
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Familienarchiv Heuss
International Tracing Service Arolsen
Staatsarchiv Augsburg (StAA)
Stadtarchiv Mainz (StadtAMZ)
Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Hausbogen (HB):
HB Gesundbrunnenstraße 3
HB Schaezlerstraße 13
L5 Nr. 645, Kaufvertrag Predigerberg 9, 05.05.1939
Meldekarte (MK):
Eileen Hirsch-Erlund/Gernot Römer, Irmgard. Eine jüdische Kindheit in Bayern und eine Vertreibung (Lebenserinnerungen von Juden aus Schwaben 2), Augsburg 1999.
Ludwig Theodor Heuss, In memoriam Ursula Heuss geb. Wolff * 25. Juli 1929 † 19. Oktober 2009. Nachruf auf Ursula Heuss anlässlich der Abdankungsfeier am 6. November 2009 in Basel, unveröff. Sonderdruck.
Leo Hiemer, Gabi (1937-1943). Geboren im Allgäu – Ermordet in Auschwitz. Erscheint 2019 im Metropol-Verlag, Berlin.