Augsburg
München, Schwanthalerstraße 36
Augsburg, Ludwigstraße 17
Augsburg, Hallstraße 14
Deportation
am 2. April 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Piaski
Richard Rosenstiel wurde am 31. Juli 1898 in Augsburg geboren.1 Sein Vater war Heinrich Rosenstiel aus Schmieheim bei Lahr im heutigen Baden-Württemberg.2 Seine Mutter Ida Rosenstiel, geb. Neuburger, stammte aus einer Pferdehändler-Familie aus Fischach.3 Die beiden haben am 21. Mai 1886 in Augsburg geheiratet.4
Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Die drei ältesten Söhne Paul (1887-1915), Herbert (1890-1974) und Eduard (1891-1940) wurden in Mindelheim geboren, denn hier hatte ihr Vater 1885 die Eisenhandlung der Familie Buff übernommen.5 Fünf Jahre später wurde dieser Betrieb aus unbekannten Gründen abgemeldet und die Familie zog nach Augsburg.6 Hier wurde dann, wie schon erwähnt, am 31. Juli 1898 der jüngste Sohn Richard geboren.7 Über seine Kindheit ist aufgrund fehlender Quellen nichts bekannt.
Er muss einige Zeit in München in der Schwanthalerstraße 36 gelebt haben, da er am 4. Oktober 1915 von dort aus wieder nach Augsburg zurückkam und bei seinen Eltern im dritten Stock der Ludwigstraße D 188 (heute 17) einzog.8
Bis er zum Kriegsdienst eingezogen wurde, arbeitete er als Handlungsgehilfe. Während des Kriegs leistete er seinen Dienst beim 4. Bayerischen Feldartillerie-Regiment und wurde mit dem Militärverdienstorden 3. Klasse mit Schwertern und dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet.9
In den 1920er Jahren führte Richard Rosenstiel zusammen mit seinem Bruder Herbert ein Versicherungsbüro, das er nach dessen Ausscheiden alleine weiter betrieb. Es handelte sich dabei um eine Vertretung der Helvetia-Versicherung.10 Am 21. Dezember 1927 heiratete er Frieda Reiter aus Buttenwiesen.11 Die Ehe blieb kinderlos. Zusammen lebten sie im zweiten Stock der Hallstraße 14., wo sich auch die Versicherungsagentur befand.12
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 änderte sich ihr Leben grundlegend. Die immer häufiger werdenden Hetzkampagnen gegen jüdische Geschäftsleute und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten trafen auch das Versicherungsbüro von Richard Rosenstiel. Ein Indiz hierfür ist die finanzielle Unterstützung des Paars durch Leo Reiter, den Vater von Frieda Rosenstiel.13
Die Agentur blieb bis 1938 erhalten und verschwand danach wie auch Richard Rosenstiel und seine Ehefrau aus den Adressbüchern der Stadt Augsburg. Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November wurde Richard Rosenstiel festgenommen und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Nach etwa einem Monat wurde er wieder entlassen und kam zurück nach Augsburg.14 Die Hallstraße 14 wurde nach dem Novemberpogrom als sogenanntes „Judenhaus” genutzt. Ob in die Wohnung der Rosenstiels Personen zwangseingewiesen wurden, ist nicht bekannt.15 Richard Rosenstiel musste im Baugeschäft Anton Egger in Göggingen im Landkreis Augsburg Zwangsarbeit leisten, seine Ehefrau in der Ballonfabrik Augsburg.16
Ende März Anfang April 1942 wurden sie mit vielen anderen Jüdinnen und Juden aus Schwaben zuerst in ein Sammellager nach Milbertshofen in München verschleppt und von dort am 4. April in das Transitghetto Piaski deportiert. In dem Deportationszug saßen das Ehepaar Rosenstiel und weitere 772 Jüdinnen und Juden aus Oberbayern und Schwaben. In Piaski kamen Richard und Frieda Rosenstiel vermutlich ums Leben.17
Richard Rosenstiels Vater starb am 8. Oktober 1914. Seine Mutter wohnte bis zu ihrem Umzug nach München im Januar 1939 in Augsburg. Von München aus wurde sie im Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 25. Mai 1943 ermordet.18
Paul Rosenstiel fiel 1915 im Ersten Weltkrieg in Frankreich.19 Eduard Rosenstiel verstarb aus unbekannten Gründen im September 1940.20 Herbert Rosenstiel war der einzige der Brüder, der Deutschland noch rechtzeitig verlassen konnte: Er emigrierte im Juli 1939 über London nach New York. Er starb 1974 in Bristol/Massachusetts.21
Dies ist ein Auszug der Biografie, die von Simone Dehn, Schülerin des Oberstufenjahrgangs 2014/2016 am Rudolf-Diesel-Gymnasium Augsburg, im Rahmen des W-Seminars „Augsburger Juden zur Zeit des Nationalsozialismus“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.
Online 2016
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Landesentschädigungsamt (LEA):
Betreff: Richard Rosenstiel und Frieda Rosenstiel, geb. Reiter
Abt. IV Kriegsarchiv
Kriegsstammrollen (KStR; eingesehen bei www.ancestry.de):
Bd. 12925 Bd. 3
ITS Archiv Bad Arolsen
Auszug aus dem Gefangenenbuch Haftanstalt Augsburg
Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Familiebogen (FB):
Richard Rosenstiel 31.07.1898
Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1932, Augsburg 1932.
http://www2.holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.596480 (aufgerufen am 04.11.2015).
http://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Direktorium/Stadtarchiv/Juedisches-Muenchen/Gedenkbuch/Biographisches-Gedenkbuch.html (aufgerufen am 04.11.2015)
http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_bay_420404.html (aufgerufen am 30.10.2015)
http://www.statistik-des-holocaust.de/OT420404-41.jpg (aufgerufen am 30.10.2015)
Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.