Pauline Bollack

Geboren:
30.01.1863, Steppach
Gestorben:
17.08.1942, Theresienstadt

Wohnorte

Steppach
Augsburg, Saugässchen 1
Augsburg, Bürgermeister-Fischer-Straße 11
Augsburg, Hallstraße 14

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 5. August 1942
von München-Milbertshofen
nach Theresienstadt

Erinnerungszeichen

Am 16. September 2020 wurde ein Erinnerungsband für Pauline und Josefine Bollack vor der Bürgermeister-Fischer-Straße 11 angebracht.

Biografie
Pauline Bollack, um 1930.

Pauline Bollack wurde als zweites von neun Kindern von Julius und Jette Bollack am 30. Januar 1863 in Steppach geboren.1 Die Eltern hatten am 24. Oktober 1860 in Augsburg geheiratet.2 Sie hatten neben Pauline noch acht weitere Kinder: Irma (2. Oktober 1861), Albert (11. Februar 1864), Lotti (10. Mai 1865), Moritz (20. August 1866), Rosa (6. Januar 1869), Josefine (18. Dezember 1869), Benno (2. April 1871) und Frida (5. Mai 1873).3

Da Julius Bollack ab 1869 in der Karolinenstraße C314 eine koschere Gaststätte betrieb, ist es wahrscheinlich, dass die Familie in diesem Jahr nach Augsburg gezogen ist.5 Die Gaststätte wurde nach seinem Tod 1880 von seiner Frau Jette übernommen. Diese führte das Restaurant bis 1910 und übergab anschließend die Leitung an ihre drei Töchter Pauline, Josefine und Rosa.6 Bereits ein Jahr später verstarb Jette Bollack.7

1927 erfolgte der Umzug in den 3. Stock des Königsbaus am Königsplatz B233.8 Das Gebäude war im Besitz der Gebrüder Landauer, die nebenan das Kaufhaus Landauer betrieben.9 In der Gaststätte fanden Treffen des Israelitischen Frauenvereins und der Augsburger Ortsgruppe des Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten statt.10

Rosa, Pauline und Josefine Bollack, um 1930. (© JMAS/Sammlung Gernot Römer)

Anlässlich des 70. Geburtstags von Pauline Bollack am 30. Januar 1933 veröffentlichte der Israelitische Frauenverein Augsburg in der Bayerisch Israelitischen Gemeindezeitung Geburtstagswünsche.11 Sie werde „von allen Seiten sehr geehrt, besonders von der Kultusgemeinde und dem Frauenverein.“12

Bereits wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 rief die NSDAP im April zum Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte auf. Unter den genannten Betrieben befand sich auch das Café im Königsbau der Bollack-Schwestern.13

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden auch zahlreiche Juden aus Augsburg Opfer der reichsweit durchgeführten Gewaltmaßnahmen.14

Aus einer Abschrift an den Regierungspräsidenten der Stadt Augsburg vom 12. Januar 1939 geht hervor, dass bereits zu diesem Zeitpunkt kein jüdischer Gewerbebetrieb in der Stadt mehr zugelassen war, mit Ausnahme der Gaststätte Bollack.15 Sowohl der Oberbürgermeister als auch die Industrie- und Handelskammer Augsburg gewährten die Aufrechterhaltung des Betriebs im Januar 1939 unter der Voraussetzung, dass im Café im Königsbau ausschließlich jüdische Gäste bewirtet würden.16

Im April dieses Jahres trat das Gesetz zur Aufhebung des Mieterschutzes für die jüdische Bevölkerung in Kraft. Der neue Eigentümer des „Königsbaus“ Albert Golisch teilte der Stadtverwaltung bereits einen Monat später mit, dass er das Mietverhältnis mit der Gaststätteninhaberin Pauline Bollack kündigen wolle.17 Diese kontaktierte deshalb das Gewerbeamt im Juni 1939 mit dem Gesuch, den Betrieb im Café Königsbau wenigstens noch bis zum Ende des Mietvertrags aufrecht erhalten zu dürfen. Die Weiterführung der Gaststätte würde auch im Interesse der jüdischen Bevölkerung in Augsburg liegen, wie ein Brief der Israelitischen Kultusgemeinde bestätigen sollte.18 Im Juli 1939 war der Weiterbetrieb des Lokals genehmigt worden war. Allerdings geschah dies unter dem Vorbehalt, dass die Stadtverwaltung das Café jederzeit schließen könne.19

Pauline Bollack musste das Geschäft am 15. Oktober 1939 wohl aufgrund der mittlerweile erfolgten Kündigung des Eigentümers schließen. Da die drei Schwestern Josefine, Pauline und Rosa auch ihre Wohnung im „Königsbau“ hatten und sie diese durch die Kündigung ebenfalls verlassen mussten, wurden sie im November 1939 in ein sogenanntes „Judenhaus“ zwangseinquartiert, das sich in der Hallstraße 14 befand.20

Am 5. August 1942 wurden 42 Jüdinnen und Juden von Augsburg nach Theresienstadt deportiert.21 Darunter waren die Schwestern Pauline und Josephine Bollack. Sie wurden nach München-Milbertshofen gebracht, wo weitere Jüdinnen und Juden zusteigen mussten. Der Zug, der am 6. August Milbertshofen verließ, hatte die Transportnummer II/22.22

Am 17. August 1942 starb Pauline Bollack im Alter von 78 Jahren.23 Eineinhalb Jahre nach ihrer Schwester kam auch Josefine Bollack am 27. Dezember 1943 im Alter von 74 Jahren im Ghetto Theresienstadt um.24 Rosa Bollack war schon im Oktober 1941 in Augsburg verstorben.25

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Nathalie Gallersdörfer, Schülerin des Oberstufenjahrgangs 2013/2015 am Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen, im Rahmen des W-Seminars „Opfer der Judenverfolgung während der NS-Zeit im Raum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.

Angehörige
Fußnoten
  1. StadtAA, FB Julius Bollack; http://jgbs.org/detail.php?book=matrikel&id=%207131&mode= (aufgerufen am 06.10.2015).
  2. http://jgbs.org/detail.php?book=marriage&id=%206032&mode= (aufgerufen am 06.10.2015).
  3. StadtAA, FB Julius Bollack.
  4. Im Adressbuch der königlichen Kreishauptstadt Augsburg für das Jahr 1870 und 1871 findet sich ein Eintrag zu Julius Pollack (sic) am Saubergle C169 und im Adressbuch der königlichen Kreishauptstadt Augsburg für das Jahr 1872 ein Eintrag zu Julius Bollack in der Saugasse C169. 1888 ist im Adressbuch der Eintrag Carolinenstraße C31 Rückgebäude angegeben. Weitere Stichproben in den Adressbüchern der Stadt Augsburg (1891, 1893, 1912, 1927) geben immer die Karolinenstraße C31 als Adresse der Bollacks an. Ein Blick auf den Umschreibplan Augsburg von 1881 zeigt, dass beide Adressen möglich sind, da die Westseite des Hauses an der Karolinenstraße lag und die Südseite am Saubergle, das auch Saugasse und Saugässchen genannt wurde.
  5. Irene Krauss, Israelitische Gaststätte Bollack, in: Winfried Nerdinger (Hg.), Bauten erinnern. Augsburg in der NS-Zeit, Berlin 2012, S. 168.
  6. Ebd.
  7. http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20280/CEM-AUG-NECROLOGY.htm (aufgerufen am 09.10.2014).
  8. Die Umbenennung in Bürgermeister-Fischer-Straße 11 trat am 1. April 1938 in Kraft, siehe: Aufhebung der Literabezeichnung im Altstadtgebiete von Augsburg, Augsburg 1938, S. 2.
  9. Irene Krauss, 2012, S. 168.
  10. http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2735710 (aufgerufen am 12.10.2014); http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2743418 (aufgerufen am 12.10.2014).
  11. http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/2742165 (aufgerufen am 12.10.2014).
  12. Ebd.
  13. BWA, K9/2075.
  14. Benigna Schönhagen, Die zweite jüdische Gemeinde von Augsburg 1861-1943, in: Michael Brenner und Sabine Ullmann (Hg.), Die Juden in Schwaben. Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 6. München 2013, S. 246f.
  15. BWA, K9/2124.
  16. Ebd.
  17. Irene Krauss, 2012, S. 168.
  18. Ebd.
  19. Ebd.
  20. Ebd.
  21. http://statistik-des-holocaust.de/II22-3.jpg (aufgerufen am 06.10.2015).
  22. http://db.yadvashem.org/deportation/transportDetails.html?language=de&itemId=5092230 (aufgerufen am 12.10.2014).
  23. http://db.yadvashem.org/deportation/nameDetails.html?language=de&applid=SAPIR12&queryId=JAGUAR31-VM_2372_611032&itemId=4788009 (aufgerufen am 06.10.2015).
  24. Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007, S. 194.
  25. Ebd.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Bayerisches Wirtschaftsarchiv (BWA)
Bestand IHK Augsburg:

  • K 9/2075
  • K 9/2124

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Familienbogen (FB):

  • FB Julius Bollack
Internet:
Literatur:

Irene Krauss, Israelitische Gaststätte Bollack, in: Winfried Nerdinger (Hg.), Bauten erinnern. Augsburg in der NS-Zeit, Berlin 2012, S. 168.

Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.

Benigna Schönhagen, Die zweite jüdische Gemeinde von Augsburg 1861-1943, in: Michael Brenner und Sabine Ullmann (Hg.), Die Juden in Schwaben. Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 6. München 2013, S. 225-250.