Augsburg, Saarburgstraße 20
Augsburg, Landwehrstraße 18
Augsburg, Rosengasse 38
KZ Dachau
KZ Mauthausen
KZ Sachsenhausen
KZ Buchenwald
Tötungsanstalt Hartheim/Linz
Max Schwarzenberger ist am 15. Mai 1905 in Augsburg-Kriegshaber geboren. Seine Eltern sind Ottilie Schwarzenberger und der Straßenbahnschaffner Gottfried Franz. Die Familie zählt zu der bereits seit der frühen Neuzeit diskriminierten, stigmatisierten und marginalisierten Gruppe der Jenischen und wohnt in der Saarburgstraße 20.1 Max hat keine Geschwister.
Max erlernt den Beruf des Kaminkehrers. Am 15. Juni 1938 wird er von den Nazis auf Anordnung der Kripo Augsburg erstmals in „Schutzhaft“ genommen. Er ist in keiner Partei, aber infolge der Zugehörigkeit zu einer diskriminierten Minderheit mehrfach vorbestraft wegen mehrfacher Gewerbeübertretungen, Unterschlagung, körperverletzenden Widerstands. Insgesamt muss er 1 Jahr Haft im Gefängnis absitzen. Am 15. Juni 1938 wird er wegen Trunkenheit verhaftet.2 Als sein letzter Wohnsitz vor der Verhaftung ist seit dem 28.12.1935 Augsburg, Rosengasse 38 (Jakobervorstadt) angegeben.3
Max gilt als Häftling der Kategorie AZR, „Arbeitszwang Reich“, unter welche hauptsächlich Wanderarbeiter, Obdachlose, Bettler, Landstreicher, Alkoholiker, Kleinkriminelle und sogar Personen fallen, die mit Unterhaltszahlungen im Rückstand sind.4 Auch bei ungenügender Arbeitsleistung und häufigen Fehlzeiten am Arbeitsplatz kann man nach Dachau eingeliefert werden, da beides als „asozial“ gilt.5 Diese Personengruppe soll im KZ „umerzogen“ werden.6 Auch Wohlfahrtshilfeempfänger, die als „asozial“ und „arbeitsscheu“ gelten, können ab Oktober 1934 nach § 20 der Reichsfürsorgeverordnung (RFV) „fürsorglich“ ins KZ eingewiesen werden.7 Gegen Personen, die aus dem einen oder anderen Grund keiner dauerhaften Beschäftigung nachgehen und auf Fürsorgeunterstützung angewiesen sind, konzipierte das Bayerische Innenministerium den Vollzug des fürsorgerechtlichen Arbeitszwangs im KZ Dachau bewusst als „neues, wirksames Zuchtmittel“ gegen „asoziale Personen“.8 Wir müssen demzufolge annehmen, dass Max Schwarzenberger „präventiv“ ins KZ Dachau eingewiesen worden ist.
Unter der Kategorie AZR werden alle Personen registriert, die als „gemeinschaftsfremd“ die Erwartungshaltung der Volksgemeinschaft nicht erfüllen können und „abweichendes Verhalten“ zeigen. Anhand der Schreibstubenkarte aus dem KZ Dachau9 und den Zu- und Abgangslisten der KZ konnten wir seine Aufenthalte rekonstruieren. Im Rahmen der „Umerziehungsmaßnahmen“ wird Max Schwarzenberger unter der Aktion „Arbeitszwang Reich“ (AZR) von einem KZ ins andere „verschubt“.
Die häufigen Überstellungen sind Spiegelbild des Arbeitskräftebedarfs sowie der gnadenlosen Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge 19 gemäß dem Prinzip der „Vernichtung durch Arbeit“.
Am 28. Mai 1942 erfolgt ein sogenannter „Invalidentransport“ von 60 Personen von Dachau nach Hartheim/Linz. Zahlreiche Polen befinden sich in demselben, der Augsburger Max Schwarzenberger ist ebenso auf dieser Liste.20 Die Todgeweihten gehören zynischer Weise zu den Buchstaben R-V.21
Nach dem Stopp der Aktion T422 der Nazis im Herbst 1941 dient die Tötungsanstalt in Hartheim nun einem neuen Zweck. Nicht mehr arbeitsfähige KZ-Häftlinge werden in diesen sogenannten „Invalidentransporten“ dorthin deportiert und in der Regel noch am gleichen Tag vergast.23 Betroffen von dieser „Sonderaktion 14f13“ sind die als „krank, alt und nicht mehr arbeitsfähig“ eingestuften Häftlinge. Nach einer „Begutachtung“ durch Ärztekommissionen werden Häftlinge aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz zum Zweck ihrer Ermordung verbracht.
Diese „Aktion 14f13“ reduziert die Häftlinge auf ihre reine Nützlichkeit als Arbeitskräfte. Später wird sie auf weitere in den Konzentrationslagern internierte Personengruppen ausgeweitet. Die Aktion endet erst mit dem letzten Häftlingstransport nach Hartheim am 11. Dezember 1944. Annähernd 12.000 Menschen werden im Rahmen der „Aktion 14f13“ im Schloss Hartheim ermordet.24
Auf dem Leichenschein wird seiner Mutter Ottilie der 5. Juli 1942 als Todesdatum mitgeteilt, als Ort seines Todes wird Dachau genannt. Die Todesursache sei Versagen von Herz- und Kreislauf, bei Ascites und Ödemen.25
Todesursache, Todesort und Todesdatum werden vom Standesamt Hartheim fingiert.26
Die Asche wird dem Westfriedhof Augsburg zugestellt. Vom Feld 29:14:56 werden die sterblichen Überreste von Max Schwarzenberger im Dezember 1949 auf den KZ Ehrenhain umgebettet.27
Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann StD Gegen Vergessen - Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben; 86368 Gersthofen, Haydnstr. 53
Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung/arbeitsscheu/
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/konzentrationslager.html
http://www.hagalil.com/czech/dachau/dachau-3b.htm
Volker van der Locht, in: https://www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/nl-beh/newsletter-behindertenpolitik-nr55-zweite-phase-aktion-14f13-1944.pdf
http://www.vvn-augsburg.de/4_stadtrundgang/westfriedhof/westfriedhof.htm
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