Ludwigsmoos
Augsburg, Eichhornstraße 3
Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren
„Ein Lebenslauf von Maria Aechter ist schwer zu erstellen. Es lebt nur noch eine Verwandte, die sie persönlich kannte und alle anderen, noch lebenden Familienmitglieder sind Jahre nach ihrem Tod geboren und man muss sich auf lange zurückliegende Erzählungen von Verwandten verlassen, die aber glaubwürdig erscheinen. Hinzu kommt, dass in ihrer nächsten Familie ungern über sie gesprochen wurde, vielleicht weil man sich ihrer geniert hat, obwohl in der Familie ziemlich klar war, dass sie keines natürlichen Todes gestorben ist.
Maria Aechter, eine Schwester meiner Großmutter väterlicherseits, wurde am 24. Februar 1897 in Ludwigsmoos im Donaumoos geboren. Das ist heute ein Teil der Gemeinde Königsmoos im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Über ihre Kindheit ist nichts bekannt. Sie hat später in der Familie ihrer Eltern, meiner Urgroßeltern gelebt, in dem Haus, vor dem wir heute stehen. Sie war körperlich durch eine Rückgratverkrümmung behindert und war kleinwüchsig. Sie sah also anders aus als die Mehrheit der Bevölkerung. Von einer geistigen Behinderung hat mir niemand berichtet, vielmehr hat mir eine Verwandte erzählt, dass sie als Kind mit ihr gespielt hat und sie freundlich und sympathisch war. Sie hat offenbar ca. 20 Jahre als Hilfsarbeiterin in einer Augsburger Textilfabrik gearbeitet. Gefährdet oder angegriffen hat sie offenbar niemanden, auch sich selbst nicht. Man hat mir erzählt, dass sie Briefe offenbar an Hitler geschrieben hat und ihn zur Beendigung des Krieges aufgefordert hat. Anscheinend wurde daraufhin von örtlichen Nazis Druck auf die Familie ausgeübt.
Sie wurde zuerst am 11. Juli 1944 mit der angeblichen Diagnose „Schizophrenie” in die Städtischen Krankenanstalten Augsburg eingeliefert und von dort aus nach wenigen Tagen am 15. Juli 1944 in die sogenannte Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren überstellt. Nach den dort archivierten Unterlagen wurde sie dort mit Elektroschocks be- oder eher misshandelt. Es spricht sehr viel dafür, dass sie dort getötet wurde, da sie vorher selbst gemäß der Feststellungen dieser Anstalt physisch gesund war. Sie ist am 25. September 1944 in dieser Anstalt zu Tode gekommen und wurde mit einem Armenbegräbnis auf deren Friedhof bestattet, weil ihre Eltern sich nichts anderes leisten konnten.
Dank gebührt vor allem
Autor: Klaus Ranner, Generalkonsul a.D., Augsburg
Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein