Kreszenz Maria Hartmann

Geboren:
07.09.1878, Gersthofen
Gestorben:
27.08.1940, Grafeneck

Wohnorte

Gersthofen, Augsburger Straße 14

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren

Mordanstalt Grafeneck

Erinnerungszeichen

Für Kreszenz Hartmann wurde am 20.07.2021 vor der Augsburger Straße 14 in Gersthofen ein Stolperstein verlegt.

Biografie

Kreszenz Maria Hartmann,
geb. 7.9.1878 in Gersthofen, Hausnr. 35,
ermordet in Grafeneck am 27.8.1940

Kreszentia Maria Hartmann ist am 7. September 1878 in Gersthofen geboren, wo sie tags darauf in St. Jakobus katholisch getauft wird. Ihre Eltern sind Stephan und Josefa Hartmann, geb. Zeller.1 Die Familie wohnt in Haus Nr. 35 in Gersthofen.2

Josefa Hartmann stammt aus Hamlar bei Asbach-Bäumenheim.3 Kreszentias Vater Stefan kommt wie seine Mutter Kreszenz Hartmann aus Schlipsheim. Stefan Hartmann ist Stationswärter und Weichensteller bei der Reichsbahn, ein damals durchaus angesehener Beruf. Stefan ist 6 Jahre jünger als seine Ehefrau Josefa.4

Die Familie zieht zwischen 1890 und 1893 nach Dinkelscherben, verlässt Dinkelscherben aber zwischen 1909 und 1912 wieder.5 Kreszentias Mutter Josefa verstirbt bereits am 15. August 1899 im Alter von 54 Jahren.6

Wir wissen nichts über die schulische und berufliche Laufbahn von Kreszentia Maria. Am 2.September 1916, also während der Kriegszeit, wird sie im Alter von 38 Jahren in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren eingewiesen. Als ihr Beruf wird dort Haushälterin eingetragen, ein in dieser Zeit für Frauen höchst übliches Berufsbild. Am 29. Oktober verlässt sie Kaufbeuren wieder, wird aber am 8. November 1916 wiederum in die Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen. Sie verbleibt dieses Mal bis zum 16. Februar 1925. Es ist anzunehmen, dass Kreszentia an einer psychotischen Krankheit leidet, vielleicht hat sie epileptische Anfälle. Dr. Valentin Faltlhauser, seit November 1929 Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren und zuvor dort als Arzt tätig, ist bis 1932 ein Vertreter der „offenen Fürsorge“. Dieses Konzept basiert auf ambulanter Betreuung und dem Aufbau eines sozialen Unterstützernetzwerkes für chronisch psychisch kranke Menschen. Demnach können die psychisch kranken Menschen zu Hause versorgt werden.7 Wird dieses Reformkonzept auch bei Kreszentia Maria angewandt?

Eher plausibel erscheint, dass Kreszenz Maria am 17. Februar 1925 nach Irsee überwiesen worden ist. Dies scheint aus der Karteikarte hervorzugehen, die uns Aufschluss über den Kostenträger für die Unterbringung gibt.8 Dort ist der Armenrat Dinkelscherben als Kostenträger gestrichen, stattdessen wird als finanzieller Träger der Landarmenverband genannt.9

Eines ist sicher. Sie wird am 27. August 1940 in einem Transport mit den grauen Bussen gemeinsam mit 74 weiteren Frauen aus Kaufbeuren nach Grafeneck verbracht, wo sie noch am gleichen Tag durch Gas ermordet wird.10

Unter den 75 ermordeten Frauen befinden sich folgende Frauen aus Augsburg:

Anwald, Therese, geb. 5.3.1881 in Freihalden, wh. in A, in KF ab 28.16.1917
Blanz, Mathilde, geb. 9.12.1899
Einstoss+, Frieda Sara, geb. 8.9.1900
Erhardt, Therese, geb. 18.10.1914
Eskofier, Margarete, geb. 28.10.1874 in Merkendorf
Fröhlich, Barbara, geb. 28.10.1873 in Bertoldsheim
Galli+, Franziska, geb. 13.5.1901 in Grosshausen
Geidner, Anna geb. 4.7.1879 in Agatharied
Gogl, Babette, geb. 14.2.1897
Guggenbühler+, Franziska, geb. 24.5.1881
Gutmann+, Berta Sara, geb. 7.10.1869
Helmschrott+, Serafine, geb. 25.9.1885 in Obertiefenbach, jüd.
Hermann, Mathilde, geb. 25.6.1901
Hötzl, Magdalena, geb. 9.6.1906
Kiechle, Anna Therese, geb. 22.1.1871
Laer, Kreszenz, geb. 24.3.1902 in Möslingen
Langheinz, Barbara, geb. 9.12.1902 in Dillingen
Laub, Erna, geb. 11.5.1901
Lindermeier+, Eleonore, geb. 6.5.1908
Löhr, Karolina, geb. 1.11.1891 in Hegnenbach
Oberschmid, Rosa, geb. 1.9.1910 in Winterbach
Pritschet, Julie, geb. 3.5.1904 in Böblingen
Rackl, Rosa, geb. 20.7.1905 in Ludwigshafen
Reinhardt, Therese, geb. 26.10.1889 Gersthofen/bzw. Buchloe
Rotschopf, Kreszenz, geb. 22.9.1889 in Augsburg
Schmid, Mathilde, geb. 1.8.188811

Über die mit + gekennzeichneten Personen gibt es im Bundesarchiv in Berlin jeweils eine Patientenakte.

Biografie erstellt von: Dr. Bernhard Lehmann, StD i.R., 86368 Gersthofen, Haydnstraße 53, bernhard.lehmann@gmx.de

Fußnoten
  1. Stadtarchiv Gersthofen, Geburtenbuch Gersthofen, Nr. 31/1878; Diözesanarchiv Augsburg, Auskunft von Frau Bauchrowitz vom 12.3.2019.
  2. Stadtarchiv Gersthofen, Geburtenbuch Nr. 31/1878.
  3. Josefa Hartmann, geb. Zeller, geb. 1845 in Hamlar, verst. am 15.8.1899 im Alter von 53 Jahren und 10 Monaten: Marktarchiv Dinkelscherben, Auskunft vom 10.5.2019.
  4. Marktarchiv Dinkelscherben, Stefan Hartmann, Wählerverzeichnis, Standesamtsbücher. Stefan Hartmann, geb. 25.12.1851. Sein Todesdatum ist unbekannt. Seine Mutter Kreszenz Hartmann, die mit dem Ehepaar Hartmann in Hausnr. 59 in Dinkelscherben wohnt, verstirbt am 27.3.1909 im Alter von 83 Jahren und 6 Monaten.
  5. Schriftliche Auskunft des Marktarchivars von Dinkelscherben vom 10.5.2019
  6. Siehe Anmerkung 4.
  7. Michael von Cranach , In Memoriam. Katalog zur Ausstellung. o.D., o.O, S. 44-46 zur Biografie Faltlhausers; Michael von Cranach, Petra Schweizer-Martinschek, Die NS-„Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren, in: Stefan Dieter (Hrsg.), Kaufbeuren unterm Hakenkreuz, Thalhofen 2015, S. 270-287.
  8. Sehr aufschlussreich ist allerdings die Versicherungskarte aus der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren.
  9. Hist. Archiv BKH Kaufbeuren, Versicherungskarte Hartmann Kreszenz. Dort ist zu lesen: n. Irsee; verlegt (handschriftlich) 27.8.1940. Letzter Wohnort: „hat sich bis zuletzt in Schongau?/in der Schweiz? aufgehalten. Unterhalb des Landarmenverband ist in unkenntlicher deutscher Schrift zu lesen: Nach Aufbrauch ihres Kontingents?
  10. Hist. Archiv BKH Kaufbeuren, Standbücher Zu- und Abgangslisten Frauen 1940 und die Karteikarte Kreszenz Maria Hartmann; Sterbebuch Grafeneck Nr.2/31/40. Allerdings ist es wichtig zu wissen, dass die Standesämter in den 6 Tötungsanstalten mit der Intention geschaffen wurden, das Todesdatum und die Todesursache zu manipulieren, um bei den vorgenommenen Massenmorden Aufsehen möglichst zu vermeiden. Vgl. hierzu Thomas Stöckle, Grafeneck 1940. Die Euthanasie-Verbrechen in Südwestdeutschland; Tübingen, 3. Auflage 2012, S.115 f, 121ff. Bei zahlreichen Fällen ist überliefert, dass Todesurkunden und Beileidsschreiben von in Grafeneck Ermordeten aus Brandenburg, Sonnenstein/Pirna oder Hartheim bei Linz zum Zweck der Verschleierung der Verbrechen verschickt wurden. Ebenda, S. 125
  11. Über die mit Stern* gekennzeichneten Personen befinden sich unter dem Bestand R-179 jeweils Akten, die auf der HP des Bundesarchivs verzeichnet sind: https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/Aus-unserer-Arbeit/liste-patientenakten-euthanasie.pdf?__blob=publicationFile Der Name von Hartmann Kreszenz steht nicht auf dieser Liste, vgl. aber Hist. Archiv BKH Kaufbeuren, Standbücher der Zu- und Abgänge, Frauen 1940
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Stadtarchiv Gersthofen (StadtAGerst)
− EWO-Meldekarten und Personenstandsunterlagen

Historisches Archiv des Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren (Hist. Arch BKH Kaufbeuren)
− Standbücher der Zu- und Abgänge, Frauen 1940

Marktarchiv Dinkelscherben 10.5.2019

Veröffentlichte Quellen:

Initiativkreis Stolpersteine für Augsburg und Umgebung
(https://stolpersteine-augsburg.de/)
– Foto: Stolperstein

Internet:
Literatur:

Michael von Cranach, Petra Schweizer-Martinschek, Die NS-„Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren, in: Stefan Dieter (Hg.), Kaufbeuren unterm Hakenkreuz, Thalhofen 2015, S. 270-287.