Krasnji Lutsch, Lugansk/Ukraine
Zwangsarbeiterin in der Schuhfabrik Schraml, Gersthofen
Besuch bei Frau Nischimowa
Von der Westukraine reisen wir am gleichen Abend mit dem Nachtzug zurück nach Kiew, Ankunft 5:30 morgens, es bleibt Zeit für eine Dusche und ein Frühstück, dann mit dem Flugzeug nach Donetzk in die Ostukraine. Dort wartet schon ein ukrainischer Veteran aus dem Afghanistankrieg auf uns und bringt uns für € 100 in das zwei Autostunden entfernte Krasnji Lutsch im Gebiet Lugansk. Dort lebten auch weitere ehemalige Zwangsarbeiter, die bei Schraml beschäftigt waren, aber mittlerweile verstorben sind, nämlich Nina Skoritschenko, Nina Petrenko und Evdokia Martschenko.
Anna Skozarewa ist gesundheitlich so geschwächt, dass sie selbst nicht zu Klawdjia kommen kann, aber sie hat ihre Tochter geschickt.
Selektion in Dachau wie auf dem Sklavenmarkt
Klawdjia Nischimowa erinnert sich genau daran, wie Herr Schraml sie mit einem Planwagen in Dachau abgeholt habe. Das sei zugegangen wie auf dem Sklavenmarkt. Keiner der Bauern und Unternehmer habe die schwarzen Mädchen ausgewählt, alle hätten sie zuerst die hübschen blonden Mädchen genommen.
Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Schuhfabrik Schraml
In Gersthofen seien sie im Nebengebäude der Ziegelei untergebracht gewesen, wo während des Krieges nicht mehr gearbeitet worden sei. Die Mädchen seien im ersten Stock untergebracht gewesen. Im Erdgeschoss wohnte der Lageraufseher und Dolmetscher, es gab dort auch Räume für die Aufbewahrung von Gemüse. Ende 1944 wurden die 20 Mädchen und der einzelne Junge dann nach Augsburg ins Kuka-Sammellager gebracht. Das Essen bestand hauptsächlich aus Steckrüben und schmeckte abscheulich. Als aber dann ihre älteste Kollegin, Wera Barilowa; das Kochen für die Mädchen übernommen habe, seien sie zufriedener gewesen.
Über ihren Chef, Herrn Schraml; berichtet Klawdjja nichts Negatives. Der sei selbst bei Ärger sehr zurückhaltend gewesen und schimpfte selten oder nie. In der Ziegelei habe sie Konstantin Skworzow, ein Russe aus dem ersten Weltkrieg beaufsichtigt, mit dem sie aber gut ausgekommen seien. Herr Schraml bot den Mädchen nach dem II. Weltkrieg an, in Deutschland zu bleiben, aber niemand wollte das. „Schließlich wurden wir nicht nach Deutschland eingeladen“; bemerkt Klawdjja, aber sie verspürt keine Verbitterung.
Bericht erstellt von Dr. Bernhard Lehmann StD Gegen Vergessen – Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben
Stadtarchiv Gersthofen
Interview mit Frau Nischimowa 2003
Archiv des ITS
Bernhard Lehmann, Zwangsarbeit Gersthofen. Broschüre zur Ausstellung, Gersthofen 2002.