Julius Steiner

Geboren:
19.05.1900, Hainsfarth
Gestorben:
Todestag nicht bekannt, Auschwitz

Wohnorte

Hainsfarth, Mühlgasse
Oettingen, Klosterplatz C 26
Augsburg, Ulmer Straße 121
Augsburg, Halderstraße 8
Augsburg, Geisbergstraße 14

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 8. oder 9. März 1943
von Augsburg
über München-Berg am Laim
nach Auschwitz

Biografie
Julius Steiner. (Klaus Maier-Rubner, Göppingen)

Familie Steiner in Hainsfarth

Am 19. Mai 1900 wurde Julius Steiner als Sohn von Isidor Steiner und Jette, geb. Gutmann und als jüngerer Bruder von Sidonie in der Mühlgasse in Hainsfarth (Landkreis Donau-Ries) geboren.1 Die jüdische Gemeinde stellte in seinem Geburtsjahr mit 135 Mitgliedern 13% der Gesamtbevölkerung.2 Vater Isidor arbeitete als Handelsmann und war als Gemeinderat tätig.3

Über die Kindheit von Julius Steiner, die schulische Laufbahn oder eine Ausbildung in Hainsfarth ist leider nichts bekannt.

Leben in Oettingen

Am 22. August 1930 heiratete er Gretchen Kirchhausen in Göppingen.4 Sie war die Tochter des Viehhändlers Sigmund Kirchhausen und seiner Frau Emma, geb. Nördlinger.5

In diesem Haus in der Hainsfarther Mühlgasse wurde Julius Steiner geboren. (www.hainsfarth.de/index.php/synagoge.html)
Gretchen Steiner, geb. Kirchhausen. (Klaus Maier-Rubner, Göppingen)

Das Ehepaar Steiner blieb kinderlos.6

Nach der Heirat zogen die beiden nach Oettingen, wo sich Julius Steiner am 2. September 1930 offiziell anmeldete. Die beiden wohnten am Klosterplatz C 26 im Haus von Adelheid Gutmann (1855–1940). Laut Gewerbeanmeldung vom 7. Januar 1931 meldete er rückwirkend zum 1. Oktober 1930 das Gewerbe eines Musterreisenden für Schnittwaren und Kleiderstoffe an.7 Laut der Aussage seiner Schwester Sidonie führte er ein gutgehendes Wäschegeschäft (en gros – en détail)8 und besaß ein Auto.9

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte die Situation grundlegend. Ab 1937 war Julius Steiner wohl nicht mehr in der Lage, seinen Unterhalt selbst zu verdienen, da er schon viele Kunden verloren hatte. Von da an unterstützte ihn seine Schwester.10

Die sowieso schon schwierige Situation wurde durch persönliche Schicksalsschläge noch verschärft: Seine Mutter Jette starb am 14. August 1936, sein Vater Isidor am 24. März 1938.11 Julius Steiner erbte zusammen mit seiner Schwester zu gleichen Teilen. Sie besaßen nun das Haus Nummer C 63 in Hainsfarth, welches aber bereits am 27. Juni 1938 an die Spar- und Darlehenskassenverein Hainsfarth zwangsversteigert wurde.12

Im Dezember 1938 wurde die offizielle geforderte handschriftliche Erklärung zur Namensänderung „Israel“ und „Sara“ des Ehepaars Steiner abgegeben.13 Sie versuchten im Februar 1939 in die Dominikanische Republik zu fliehen, was aber an der geforderten Geldsumme scheiterte. Für die Einreise in die USA gab es zu lange Wartezeiten. Letztendlich war es ihnen auch nicht möglich, Schutz in Palästina zu suchen.14 Dorthin war 1936 Julius Steiners Schwester Sidonie ausgewandert.15

In Folge der Reichspogromnacht wurde Julius Steiner am 12. November 1938 inhaftiert16 und nach Dachau in das Konzentrationslager gebracht. Wieder entlassen wurde er einen Monat später, am 22. Dezember 1938.17

Leben in Augsburg

Am 3. Juli 1939 zog das Ehepaar Steiner vermutlich zwangsweise nach Augsburg in die Ulmer Straße 121. Julius Steiner musste von 31. Juli 1940 bis zum 4. April 1943 Zwangsarbeit bei der Firma Schaffner leisten.18 Auch seine Ehefrau Gretchen Steiner wurde zur Arbeit gezwungen, sie musste vom 29. Dezember 1941 bis zum 3. März 1943 in der Ballonfabrik Augsburg tätig sein.19

Für Gretchen Steiner ist im September 1942 der Umzug in die Halderstraße 8 belegt. Es ist wahrscheinlich, dass auch Julius dort wohnte, obwohl dies aus den Meldedaten nicht hervorgeht.20 Im gleichen Dokument ist auch verzeichnet, dass Gretchen Steiner am 9. Februar 1943, also einen Monat vor der Deportation, in das Barackenlager in der Geisbergstraße 14 (heutige Reichenbergerstraße) ziehen musste.21 In der Deportationsliste ist diese Anschrift auch für Julius Steiner als Wohnort aufgeführt.22

Am 13. März 1943 erfolgte die Deportation von Julius und Gretchen Steiner von München nach Auschwitz in das dortige Lager.23 Ihr dortiges Schicksal ist nicht dokumentiert; nach dem Krieg wurde ihr Tod auf den 8. Mai 1945 um 24 Uhr festgelegt.24

Auch die Eltern von Gretchen Steiner wurden Opfer der Schoa. Sigmund und Emma Kirchhausen wurden am 22. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Die Mutter starb dort am 26. Oktober 1942, der Vater am 2. August 1943.25

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Lena-Marie Laetitia Alt, Schülerin des Oberstufenjahrgangs 2018/2020 am Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen, im Rahmen des W-Seminars „Jüdische Opfer des Nationalsozialismus im Großraum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.

Angehörige
Fußnoten
  1. StadtAA, MK 2 Julius Steiner; Heimatmuseum Oettingen, E-Mail von Dr. Petra Ostenrieder am 22.10.2019; BayHStA, LEA 36098.
  2. https://www.alemannia-judaica.de/hainsfarth_synagoge.htm.
  3. https://www.hainsfarth.de/index.php/synagoge.html (aufgerufen am 31.10.2019).
  4. Heimatmuseum Oettingen, E-Mail von Dr. Petra Ostenrieder am 22.10.2019.
  5. Gretchen Kirchhausen wurde am 27. April 1903 in Göppingen geboren, vgl. E-Mail des Stadtarchivs Göppingen, Anhang der Geburtsurkunde Gretchen Steiners.
  6. Heimatmuseum Oettingen, E-Mail von Dr. Petra Ostenrieder am 22.10.2019.
  7. Heimatmuseum Oettingen, E-Mail von Dr. Petra Ostenrieder am 22.10.2019.
  8. BayHStA, LEA 36098.
  9. BayHStA, LEA 36098.
  10. BayHStA, LEA 36098.
  11. http://www.alemannia-judaica.de/Hainsfarth/web/grabsteine/279.htm (aufgerufen am 31.10.2019).
  12. StAA, BJRV, a930, WKV 22/52.
  13. Heimatmuseum Oettingen, E-Mail von Dr. Petra Ostenrieder am 22.10.2019.
  14. http://www.stolpersteine-gp.de/emma-und-sigmund-kirchhausen/ (aufgerufen am 01.11.2019).
  15. www.alemannia-judaica.de/Hainsfarth/web/grabsteine/279.htm (aufgerufen am 01.11.2019).
  16. BayHStA, LEA 36098.
  17. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de974723 (aufgerufen am 08.05.2019).
  18. Gernot Römer (Hg.), 2007, S. 354.
  19. Ebd.
  20. StadtAA, MK 2 Julius Steiner: Für ihn ist ab dem 04.11.1942 „unbekannt“ vermerkt.
  21. StadtAA, MK 2 Julius Steiner; Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941-1949 (Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007, S. 354.
  22. https://www.statistik-des-holocaust.de/OT430313-11a.jpg.
  23. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de974723 (aufgerufen am 08.05.2019).
  24. BayHStA, LEA 36098.
  25. http://www.stolpersteine-gp.de/emma-und-sigmund-kirchhausen/ (aufgerufen am 01.10.2019).
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Landesentschädigungsamt (LEA)
– 36098

Heimatmuseum Oettingen
– E-Mail von Dr. Petra Ostenrieder am 22.10.2019

Staatsarchiv Augsburg (StAA)
– BJRV, a930, WKV 22/52

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldekatei 2 (MK 2)
– Julius Steiner

Veröffentlichte Quellen:

Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941-1949 (Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.

Internet: