Ida Bingen, geb. Gerstle

Geboren:
09.10.1876, Wien
Gestorben:
04.09.1942, Theresienstadt

Wohnorte

Wien
Memmingen, Schweizerberg 1
Augsburg, Maximilianstraße 44/II
Augsburg, Frölichstr. 6/III
Augsburg, Philippine-Welser-Straße 17

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 5. August 1942
von München-Milbertshofen
nach Theresienstadt

Biografie
Ida Bingen, um 1933. (Eva Labby, Portland, Oregon/USA)

Ida Bingen, geb. Gerstle, wurde am 9. Oktober 1876 in Wien geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Heinrich Gerstle und Rosa geb. Dick aus Memmingen. Sie zogen 1880 nach Memmingen, die Adresse war Schweizerberg 1. Dort heiratete Ida am 2. November 1896 den Augsburger Bankier Julius Bingen (13.11.1860–25.10.1897) und zog zu ihm nach Augsburg. Julius Bingen verstarb bereits im folgenden Jahr, und Ida Bingen musste ihren Sohn Julius als Witwe zur Welt bringen (*19.2.1898). Julius Bingen, fast gleich alt wie Bertolt Brecht und ab 1910 dessen Klassenkamerad, wurde Mitglied seines Freundeskreises. Er wurde Soldat und fiel am 14.4.1918; auf dem Kriegerdenkmal des jüdischen Friedhofs an der Haunstetter Straße in Augsburg ist sein Name eingetragen. Er wird dort bezeichnet als „Student, Unteroffizier und Offiziersaspirant“.

Eva Lammfromm und Ida Bingen, um 1933. (Eva Labby, Portland, Oregon/USA)

Als Bankierswitwe wohnte Ida Bingen nach dem Tod ihres Mannes zunächst weiter in der Maximilianstraße B 15/II (Hausnr. 44); 1904 wird sie im Adressbuch auch noch als Inhaberin der „Bank-Firma Julius Bingen“ geführt. 1916 ist die Bank an Herrn Ernst Seckel verkauft, und Ida Bingen lebt in der Frölichstr. 6/III. Dort wohnt sie auch noch 1932. 1934 ist sie in der Philippine-Welser-Straße D 31 (Hausnr. 17), im gleichen Haus wie später ihre Cousine Hedwig Epstein; das Gebäude wird von den NS-Behörden nach der Aufhebung des Mieterschutzes für Juden zum „Judenhaus“ erklärt.

Nach Kriegsbeginn beantragt sie ein Visum für Kuba, in der Hoffnung, von dort in die USA einreisen zu können. Doch am 23. Oktober 1941 verbot das NS-Regime jegliche Auswanderung aus Deutschland; es war zu spät. Im Juli 1942 erhielten Ida Bingen und Hedwig Epstein die Aufforderung zum Transport; sie verschickten am 20. Juli einen Abschiedsbrief, der erhalten ist. Darin schreibt Ida Bingen: „Ich soll und will euch auch meine Grüße schicken. Aber ich kann auch nur wiederholen, daß wir ruhig sind und vorhaben, tapfer zu sein.“

Am 5. August 1942 wurden die beiden Cousinen zusammen mit 25 anderen jüdischen Augsburgern in das Sammellager in der Synagoge und von dort mit der Bahn über München in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Ida Bingen starb dort, von ihrer Cousine gepflegt, nur vier Wochen später im Alter von 81 Jahren am 4. September 1942. Die Todesfallanzeige des Ältestenrats nennt als Ortsbezeichnung „Gebäude L 124 Zimmer 26“, als Todesursache ist Lungenentzündung angegeben. Das Formularfeld „Ort der Beisetzung“ ist freigelassen.

Michael Friedrichs

Quellen- und Literaturverzeichnis
Internet:
Literatur:

Werner Frisch/K.W. Obermeier, Brecht in Augsburg. Erinnerungen, Dokumente, Fotos, Berlin: Aufbau, 1997.

Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941 – 1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg: Wißner 2007.

Benigna Schönhagen, „… wie glücklich können wir sein, dass die Kinder in Sicherheit sind.“ Der Weg der Familie Lammfromm aus Augsburg (LEBENSLINIEN. Deutsch‐jüdische Familiengeschichten, Band 4), hrsg. von Benigna Schönhagen für das Jüdische Kulturmuseum Augsburg‐Schwaben, Augsburg 2011.