Gustav Slabe

Geboren:
25.12.1902, Marburg an der Lahn
Gestorben:
16.10.1941, KZ Dachau

Wohnorte

Augsburg, Weißstraße 1
Augsburg, Neuburger Straße 45

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

KZ Dachau

Biografie

Gustav Slabe, geb. 25.12.1902 in Marburg an der Lahn,
wohnhaft in Augsburg, Händler, r.k., 1 Kind,
im KZ Dachau ermordet 16.10.1941,
Haftkategorie: Arbeitszwang Reich, Häftlingsnr. 24197
Letzter Wohnsitz in Augsburg Neuburger Straße 45

Gustav Slabe ist am 1. Weihnachtsfeiertag des Jahres 1902 in Marburg an der Lahn geboren. Er ist das uneheliche Kind von Emilia Slabe1 und dem aus Randersacker bei Würzburg stammenden Johann Michael Pfeiffer.2 Er hat einen Bruder Felix, der vier Jahre jünger ist.3 Die Familie wohnt längere Zeit in Randersacker.

Eigentlich wissen wir so gut wie nichts über Gustav. Er ist Händler von Beruf und reist für seinen Broterwerb wie tausende anderer Personen durch die Lande. Nach Augsburg kommt er zum ersten Mal im Februar 1938, er wohnt in der Weißstraße 1, nach einem Monat reist er nach Böckingen und kehrt knapp ein Jahr später wieder zurück und wohnt bei der gleichen Adresse. Im Mai 1940 wohnt er in der Neuburger Straße 45, wo er Ende August 1940 wieder auszieht.4

Seit dem Kaiserreich betrachteten die Behörden das Wandern zwecks Arbeitssuche zunehmend als überflüssig. Die Behörden stilisierten „sinnlos erscheinendes Wandern“ systematisch zur „asozialen und krankhaften Eigenschaft der Betroffenen“5 und stigmatisierten diese entsprechend.

Stigmatisierung der Wanderarbeiter in der Weimarer Republik

Seit dem Ende der 1920-er Jahre wurden die Landstraßen des Deutschen Reiches von Facharbeitern, ungelernten Arbeitern, kleineren Angestellten und einer wachsenden Zahl von Jugendlichen bevölkert, die aufgrund von Massenarbeitslosigkeit ihre Beschäftigung verloren hatten bzw. keinen Ausbildungsplatz fanden. Um zu überleben, nahmen diese Menschen Gelegenheitsarbeiten an, bettelten oder schlugen sich mit Hausieren, Musizieren, Betrügereien und kleinkriminellen Delikten wie Essensdiebstählen und Zechbetrug durch.6

Gustav Slabe in Augsburg

Wir wissen, dass er in Augsburg mit Rosa Wittich einen gemeinsamen Sohn hat, Gustav Wittich, der am 3. Juni 1940 geboren ist.7 Die Vaterschaft für Gustav Wittich hat er anerkannt.8

Aktion „Arbeitsscheu Reich“

Einen Höhepunkt in der Verfolgung von Wanderern, Obdachlosen, Bettlern, mittellosen Alkoholikern und Personen, die mit ihren Unterhaltszahlungen im Rückstand geraten waren – sog. „säumige Nährpflichtige“ – bildete die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ in der Zeit vom 13. bis 18. Juni 1938.9 Sie sollte sowohl der Erschließung von Arbeitskraftreserven als auch der Einschüchterung und Disziplinierung gelten.10

Gemeinsam war ihnen, dass ihre Verfolger sie als „arbeitsscheu“ ansahen. Im öffentlichen Bewusstsein waren die „Asozialen“ der harte Kern der Fürsorgeempfänger.

Kooperation mit den Wandererfürsorgeverbänden

Schreibstubenkarte des KZ Dachau. (ITS Bad Arolsen)

Zur Vorbereitung der Aktion arbeitete die Polizei mit den Arbeitsverwaltungen und den Wandererfürsorgeverbänden zusammen. Sie konnte dabei auf die sog. Fahndungskartei für Asoziale zurückgreifen, die seit 1934 im „Wanderer“ veröffentlicht wurde.11 Bei der Aktion wurden ca. 11.000 Wanderer, Bettler und Obdachlose verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen eingeliefert.

Todesurkunde. (ITS Bad Arolsen)
Aufstellung eingeäscherte Häftlinge, Westfriedhof Augsburg. (ITS Bad Arolsen)

Dort wurden sie der Häftlingsgruppe der „Asozialen“ zugeordnet, die mit einem schwarzen Winkel gekennzeichnet waren.12 Ermöglicht wurde diese Vorgehensweise durch den „Grundlegenden Erlaß zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch die Polizei“, den Reichsinnenminister Dr. Wilhelm Frick am 14. Dezember 1937 in Kraft setzte.13

Einweisung ins KZ Dachau

Gustav Slabe wird am 21. März 1941 ins KZ Dachau unter der Kategorie „Arbeitszwang Reich“ eingewiesen. Er erhält die Häftlingsnr. 24197. Es sind uns keinerlei Straftaten bekannt, derer er sich schuldig gemacht haben soll.

Nach 7 Monaten im KZ Dachau ist Gustav Slabe tot. In der Sterbeurkunde vom 16. Oktober 1941 wird als Grund „Versagen von Herz und Kreislauf“ angegeben, wie fast bei allen gewaltsam zu Tode gekommenen Häftlingen.14

In den Standesamtsbüchern der Stadt Dachau wird er im Sterberegister unter der Nr. 591 genannt, sein Todesdatum ist auf den 16.10.1941 festgesetzt.15

Gustav Slabe wurde mit zahlreichen weiteren Häftlingen am Augsburger Westfriedhof eingeäschert und begraben.

Seine Urne wurde im Feld 29, Reihe 13 Nr. 55u16 beigesetzt.

Wir wollen mit einem Stolperstein und einer Kurzbiografie an Gustav Slabe erinnern.

© Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann, Gegen Vergessen – Für Demokratie, RAG Augsburg-Schwaben

Fußnoten
  1. StadtAMarburgLahn, Geburtsregistereintrag Nr. 702/1902 Gustav Slabe. Emilia Slabe stammt aus Wien und ist dort am 25.12.1873 geboren. Archiv Randersacker, Auskunft vom 16.6.20.
  2. StadtAA, MK 2 Gustav Slabe; nach Auskunft des Archivars des Randersacker-Archivs, Herrn Janka, vom 16.6.20 wurde Gustav Slabes Vater Johann Michael Pfeiffer am 10.4.1864 in Randersacker geboren. Er verstarb am 16.1.1937.
  3. Archiv Randersacker, Auskunft Herr Janka vom 16.6.20. Felix Slabe ist am 25.11.1906 in Randersacker geboren.
  4. Ebenda.
  5. Ulrich Sondermann-Becker, Arbeitsscheue Volksgenossen. Evangelische Wandererfürsorge in Westfalen im Dritten Reich, Bielefeld 1995, S. 11.
  6. Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933-1938, Göttingen 2017.
  7. Gustav Wittich, geb. 3.6.1940 verstarb am 10.01.1990; letzter Wohnort: Am Hang 12, 93138 Lappersdorf: StadtAA, MK 2 Gustav Slabe.
  8. StadtAA, Geburtsregistereintrag Augsburg Nr. 1796/1940. Rosa Wittich ehelichte später Michael Pfeiffer und ist um 1935 in Randersacker, BA. Würzburg nachweisbar.
  9. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/aktion-arbeitsscheu-reich-1938.html.
  10. Wolfgang Ayaß, „Asozial“ und „gemeinschaftsfremd“. Wohnungslose in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, in: wohnungslos 3/04, S. 87-90: http://neuehp.esb-bottrop.de/pdf/ayass_2004_wohnungslose.im.ns.pdf.
  11. Vgl. Wolfgang Ayaß, Die Verfolgung der Nichtseßhaften im Dritten Reich, in: Zentralvorstand Deutscher Arbeiterkolonien (Hg.), Ein Jahrhundert Arbeiterkolonien. „Arbeit statt Almosen“ – Hilfe für Obdachlose Wanderarme 1884-1984, Freiburg 1984, S.92.
  12. https://www.diakonie.de/wohnungslosenhilfe/, vgl. zu diesem Komplex Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933-1938, Göttingen 2017, bes. S. 201-282.
  13. „Grundlegender Erlass zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch die Polizei" zitiert nach W. Ayaß, a.a.O., S. 89.
  14. ITS Bad Arolsen, 10307559: Todesurkunde Gustav Slabe.
  15. ITS Bad Arolsen, 9931230: Slabe Gustav, Standesamtbücher der Stadt Dachau, Nr. 591.
  16. ITS Bad Arolsen, 9994820: Slabe Gustav, Namen der auf dem Westfriedhof Augsburg eingeäscherten und begrabenen Häftlinge.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Archiv Randersacker
– Auskunft Herr Janka vom 16.6.20

ITS Bad Arolsen
– 10307559
– 9931230
– 9994820

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldekarten Abgabe 2 (MK 2):
– Gustav Slabe

– Geburtsregistereintrag Augsburg Nr. 1796/1940

Stadtarchiv Marburg an der Lahn (StadtAMarburgLahn)
– Geburtsregistereintrag Nr. 702/1902 Gustav Slabe

Internet:
Literatur:

Wolfgang Ayaß, Die Verfolgung der Nichtseßhaften im Dritten Reich, in: Zentralvorstand Deutscher Arbeiterkolonien (Hg.), Ein Jahrhundert Arbeiterkolonien. „Arbeit statt Almosen“ – Hilfe für Obdachlose Wanderarme 1884-1984, Freiburg 1984.

Wolfgang Ayaß, „Asozial“ und „gemeinschaftsfremd“. Wohnungslose in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, in: wohnungslos 3/04, S. 87-90: http://neuehp.esb-bottrop.de/pdf/ayass_2004_wohnungslose.im.ns.pdf.

Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933-1938, Göttingen 2017.

Ulrich Sondermann-Becker, Arbeitsscheue Volksgenossen. Evangelische Wandererfürsorge in Westfalen im Dritten Reich, Bielefeld 1995.