Augsburg, Peutingerstraße 20 (D 132 bei den Eltern)
Augsburg, Meister-Veits-Gässchen 17 (G 213 bei den Eltern)
Augsburg, Maximilianstraße 40 (B 12/13 Drei Mohren 1925)
Augsburg, Vorderer Lech 8 (A 485)
Augsburg, Gänsbühl 21 (H 276)
Augsburg, Meister-Veits-Gässchen 17 (G 213 bei Eltern ab 27.6.1927)
Augsburg, Armenhausgasse 8 (B 130 ab 7.12.36)
Strafgefängnis Landsberg
KZ Dachau
Tötungsanstalt Hartheim/Linz
Georg Johann Kantmann ist am 22. November 1897 in Augsburg geboren. Seine Eltern sind der evangelische Fabrikarbeiter Johann Evangelist aus Holzheim, BA Dillingen, und seine Ehefrau Magdalene Margarete Kantmann, geb. Waller aus Augsburg.1 Sein Vater arbeitet seit September 1893 in der Augsburger Kattunfabrik zu einem Wochenlohn von 12 Reichsmark und erhält im gleichen Jahr das hiesige Heimatrecht.2
Bis zum 19. Lebensjahr wohnt er bei seinen Eltern in der Peutingerstraße 20 und später im Meister-Veits-Gässchen 17 in Augsburg. Johann hat 3 Schwestern, Sofie Margarete, geb.18943 und die Zwillingsschwestern Babette und Wilhelmine, geb. 11. November 1895. Letztere verstirbt am 17. Februar 1916.4
Von Beruf ist Georg Kraftwagenführer, manchmal arbeitet er als Laufbursche bzw. Postkutscher.5 Während des I. Weltkrieges leistet er im Reservelazarett München über das Kriegsende hinaus seine allgemeine Wehrpflicht als Krankenwärter im Lazarett.
Wir verfügen über wenige Informationen, wie sich Georg Johann zwischen 1919 und 1936 durchs Leben schlägt. Er ist überwiegend in Augsburg gemeldet. 1925 scheint er als Laufbursche beim Hotel 3 Mohren beschäftigt gewesen zu sein.6 Zwischendurch ist er auch am Gansbühl 21 und am Vorderen Lech 8 gemeldet.7 Am 22. August 1936 meldet er sich vom Wohnsitz der Eltern ab, ist aber nach 4 Monaten wiederum dort gemeldet.
Laut der Meldekarte8 befindet sich Johann ab 29. November 1938 in Untersuchungshaft im Strafgefängnis Landsberg am Lech. Ab dem 9. Februar 1939 sitzt er dort als verurteilter Strafgefangener für 2 Jahre und 3 Monate ein. Im Anschluss an die Haft erteilt die Staatsanwaltschaft Augsburg Georg Kantmann 5 Jahre Ehrverlust, beginnend mit dem Ende der Haft am 27. Mai 1941.9 Wir kennen die Gründe hierfür nicht, jedenfalls ist er nach den rigiden Ordnungsprinzipien des NS-Staates straffällig geworden.
Am 8. August 1941 kommt Georg Kantmann ins KZ Dachau mit der Haftkategorie: „polizeiliche Sicherungsverwahrung“.10 Er hat die Haftnummer 26880.
Gemäß dem am 14.12.1933 erlassenen „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung“11 konnten rückfällige Straftäter, d.h. zweimal rechtskräftig verurteilte Personen bei einer dritten Straftat in Sicherheitsverwahrung genommen werden, sofern der Delinquent als Gewohnheitsverbrecher taxiert wurde12 und dies im Interesse der öffentlichen Sicherheit notwendig erschien. Damit konnten die Strafen von rückfälligen Straftätern über Gebühr verlängert werden. Ab 1941 war sogar die Verhängung der Todesstrafe möglich: Der gefährliche Gewohnheitsverbrecher (§ 20a des Strafgesetzbuchs) und der Sittlichkeitsverbrecher (§§ 176 bis 178 des Strafgesetzbuchs) verfallen der Todesstrafe, wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es erfordert.“13
Georg verbleibt keine 10 Monate im KZ Dachau. In einem sogenannten „Invalidentransport“14 kommt Georg Kantmann am 6. Mai 1942 zusammen mit 59 weiteren Häftlingen der Buchstaben G-K in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz. Allein diese „Selektion“ zeigt den menschenverachtenden Charakter dieses Mordsystems.
Nach Einstellung der Krankenmorde im August 1941 werden im Rahmen der Aktion 14f13 nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge zu ihrer Ermordung nach Hartheim bei Linz gebracht und meist am gleichen Tag durch Gas ermordet.15
Vom 3. bis 7. September 1941 begutachteten Prof. Hermann Nitsche, Prof. Werner Heyde, Dr. Theodor Steinmeyer, Dr. Rudolf Lonauer und andere rund 2.000 Häftlinge im KZ Dachau. Für kranke und invalide Häftlinge gab es in Dachau ein eigenes Invalidenlager.16
Im Verlauf der „Sonderbehandlung 14f13“ wurden Häftlinge auch unabhängig von der T4 Gutachtergruppe selektiert. Kranke und arbeitsunfähige Gefangene wurden direkt aus den Revieren und Blocks zusammengeholt und in ein Ärztezimmer geführt. Die Häftlinge wurden aber nicht untersucht, sondern die Selektion wurde rein nach ihrem Aussehen vorgenommen.
Im Januar 1942 erfolgte der erste Invalidentransport nach Hartheim. Georg Kantmann wird am 6. Mai 1942 mit der „zweiten Welle“ auf einem der 6 Transporte nach Hartheim verbracht. Die Häftlinge mussten sich im Häftlingsbad ausziehen, ihre Krücken, Prothesen, Brillen und Kleider ablegen und wurden mit alter Kleidung ausgestattet. Anschließend wurden diese Häftlinge auf LKWs verladen und abtransportiert.17
Die erste der 5 Wellen (15.1.–3.3.42) umfasste 15 Transporte mit 1.452 Häftlingen, die zweite (4.5.–11.6.42) sechs Transporte mit 561 Häftlingen, die dritte (10.–12.8.42) zwei Transporte mit 181 Häftlingen, die vierte (7.–14.10.42) drei Transporte mit 330 Häftlingen, die fünfte (27.11.–8.12.42) sechs Transporte mit 69 Häftlingen.
Die Behörden teilen seinen Schwestern Sofie Margarete und Babette mit – die Eltern sind in der Zwischenzeit nicht mehr am Leben18 –, dass Georg am 29. Juni 1942 in Dachau verstorben sei. Als Todesursachen werden in der Todesurkunde Versagen von Herz- und Kreislauf bei Ascites und Ödemen angegeben.
Todesursache, Todesdatum und Todesort sind fingiert, um den Mord an den Häftlingen zu vertuschen.19
Wir wollen an Georg Kantmann mit einer Opferbiografie und einem Stolperstein erinnern.
Biografie erstellt von Dr. Bernhard Lehmann Gegen Vergessen – Für Demokratie, RAG Augsburg-Schwaben, 86368 Gersthofen, Haydnstr. 53
ITS Bad Arolsen
– 10673456 Georg Kantmann
Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldekartei 2 (MK 2)
– Johann Kantmann
Meldebogen (MB)
– Georg Kantmann
Jörg Kinzig, Die Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung, NJW 4/2011, S. 177-182.
Florian Schwanninger, „Wenn du nicht arbeiten kannst, schicken wir dich zum Vergasen.“ Die „Sonderbehandlung 14f13“ im Schloss Hartheim 1941–1944, in: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, 2. Auflage, Linz 2008, S. 155-208.