Fritz Loeb

Geboren:
19.03.1925, Göggingen
Gestorben:
Todestag und Todesort nicht bekannt

Wohnorte

Göggingen, Augsburger Straße 67
Augsburg, Prinzregentenstraße 4

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 2. April 1942
von Augsburg
über München-Milbertshofen
nach Piaski

Biografie
Fritz Loeb. (© JMAS/Sammlung Gernot Römer)

Fritz Loeb, der Sohn von Bernhard und Rosa Loeb, wurde 1925 geboren.

Sein Großvater war der in Zweibrücken geborene Leo Loeb (ca. 1863-1933). Dieser heiratete am 15. Dezember 1891 im pfälzischen Landau die 1866 in Albersweiler geborene Rosalie Benedikt.1 Als das Paar nach Augsburg gezogen war, wechselte es häufig den Wohnsitz: 1895 wohnte es Philippine-Welser-Straße 9, 1899 Bismarckstraße 10, 1901 Stephanienstraße 16, 1912 Untere Maxstraße D1 (Moritzplatz 2) und 1916 Bürgermeister-Fischer-Straße 12.2 Ihr Sohn Bernhard wurde am 22. Februar 1893 geboren, ihre Tochter Elise am 21. September 1895.3

Leo Loeb war Mitinhaber des angesehenen Modegeschäfts Max Ginsberger & Co im Weberhaus am heutigen Moritzplatz 2, bekannt u.a. für eine große Auswahl an Damenhüten.4 1906 kaufte Leos Ehefrau Rosalie die Immobilie.5 Das Haus blieb aber keine zehn Jahre in ihrem Besitz; im Augsburger Adressbuch von 1913 ist die Stadtgemeinde Augsburg als Besitzerin eingetragen.6

Max Ginsberger & Co im Weberhaus. (Alemannia Judaica)

Bernhard Loeb, der Sohn des Ehepaares, heiratete Rosa Gruenhut (*10. September 1895) aus Regensburg7 und übernahm vermutlich zu diesem Zeitpunkt von seinem Vater die Leitung des Modegeschäfts Max Ginsberger & Co.8 Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, am 2. Februar 1921 die Tochter Gertrud und am 19. März 1925 der Sohn Fritz, der in Göggingen geboren wurde.9 Zu dieser Zeit lebte die Familie dort in der Augsburger Straße 67; 1934/1935 zog sie wieder nach Augsburg, in die Prinzregentenstraße 4, dritter Stock.10 Bis 1936 war Carl Heilbronn(er) sein Teilhaber.11 Rosa Loeb war allem Anschein nach nicht berufstätig und blieb vermutlich zu Hause, um für Haushalt und Kinder zu sorgen.

Lotte Neuburger, Gertrud Loeb, Fritz Loeb und Susie Neuburger. (© JMAS/Sammlung Gernot Römer)

Von 1931-1937 besuchte Gertrud Loeb, die Schwester von Fritz, die Maria-Theresia-Schule in der Gutenbergstraße 1.12 Welche Schule(n) Fritz besuchte, ist derzeit nicht bekannt.

Von dem reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 war sehr wahrscheinlich auch das Geschäft der Loebs betroffen: Es wurde im Boykottaufruf vom 31. März 1933 namentlich erwähnt.13 Zur Zeit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 gab es in Augsburg etwa 175 Unternehmen, die sich ganz oder teilweise in jüdischem Besitz befanden. Meist handelte es sich um Groß- und Einzelhandelsbetriebe.14 Aufgrund der anhaltenden antijüdischen Ausgrenzungen in den Folgejahren verzeichnete das Geschäft der Loebs immer stärkere Geschäftsrückgänge und stand 1936 kurz vor dem Konkurs. Fritz' Vater sah sich gezwungen, das Geschäft zu verkaufen, wobei ein weiterer Grund wohl entscheidend dafür war: Das Weberhaus war im Besitz der Stadt Augsburg, und das städtische Grundstücksreferat verweigerte die Verlängerung des Mietvertrags. Das Geschäft wurde an die Kommanditgesellschaft Bendel & Co. verkauft.15

Trotz der immer weiter verschärften Verschlechterung der Lebensverhältnisse für Juden in Augsburg konnte Gertrud Loeb 1935 ihre „Konfirmation“ (Bat Mizwa) in der Synagoge Augsburg feiern.16

Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurden reichsweit Synagogen in Brand gesetzt und etwa 30.000 jüdische Männer verhaftet.17 Auch Fritz' Vater wurde in sog. Schutzhaft genommen. Nach einigen Tagen wurden die Unter-50-Jährigen in das KZ nach Dachau verbracht, während die Älteren im Augsburger Gefängnis blieben.18 Bernhard Loeb, zu dieser Zeit 45 Jahre alt, wurde fast einen Monat im KZ Dachau festgehalten, bis er schließlich am 8. Dezember 1938 entlassen wurde und zu seiner Familie zurückkehren konnte.19

Ab dem Jahr 1939 wurde jüdischen Frauen und Männern vorgeschrieben, ihrem Vornamen 'Sara' bzw. 'Israel' hinzuzufügen, um die jüdische Identität hervorzuheben.20 Aus Fritz Loeb wurde in offiziellen Dokumenten nun Fritz Israel Loeb, und auch seine Schwester und Eltern mussten die Zwangsnamen tragen.21 Während des Zweiten Weltkriegs musste Fritz‘ Schwester Gertrud vom 1. September 1941 bis zum 30. März 1942 Zwangsarbeit in der Ballonfabrik Augsburg leisten.22

Am 4. April 1942 wurden Fritz und Gertrud ebenso wie ihre Eltern Rosa und Bernhard Loeb von München-Milbertshofen nach Piaski deportiert.23 Der Ort, ein kleines Städtchen im Distrikt Lublin in Polen, war hauptsächlich von Sümpfen, Sand und Wäldern umgeben. Schon vor der Zeit des Nationalsozialismus lebten dort Juden in ärmlichen Verhältnissen. Viele von ihnen wurden vor der Ankunft der Deportierten aus Bayern umgebracht.24 Insgesamt wurden 987 Menschen aus Schwaben, Oberbayern, Niederbayern, Franken und der Oberpfalz am 4. April 1942 nach Piaski verschleppt, wo sie katastrophale Lebensbedingungen vorfanden.25 Fritz Loeb war zu diesem Zeitpunkt 17, seine Schwester Gertrud 21 Jahre alt. Die beiden Jugendlichen und ihre Eltern gelten als verschollen, keiner von ihnen hat die Deportation überlebt.

Ihre Namen sind auf der Erinnerungstafel im Augsburger Rathaus eingraviert.

Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Julia Edelmann, Schülerin des Oberstufenjahrgangs 2014/2016 am Rudolf-Diesel-Gymnasium Augsburg, im Rahmen des W-Seminars „Augsburger Juden zur Zeit des Nationalsozialismus“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.

Fußnoten
  1. Sie wurde am 31.7.1942 deportiert und starb am 21.8.1942 in Theresienstadt, angeblich an Herzschwäche. http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/CEM-AUG-NECROLOGY.pdf, S. 96 (aufgerufen am 25.10.2016); http://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=11582277&ind=47 (aufgerufen am 04.09.2017); http://www.holocaust.cz/de/datenbank-der-digitalisierten-dokumenten/dokument/80090-l-b-rosa-todesfallanzeige-ghetto-theresienstadt/ (aufgerufen am 04.09.2017).
  2. Adressbücher von Augsburg 1895, 1899, 1901, 1904, 1904; 1912, 1916.
  3. http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/CEM-AUG-NECROLOGY.pdf, S. 96 (aufgerufen am 25.10.2016).
  4. http://www.alemannia-judaica.de/augsburg_texte.htm#Modewarengesch%C3%A4ft%20Max%20Ginsberger%20%28 Ecke%20Untere%20Maximilianstra%C3%9Fe%29 (aufgerufen am 17.02.2015).
  5. StAA, Kataster Augsburg-Stadt, Grundsteuer Kataster Umschreibeheft; vgl. z. B.: Adreß-Buch der Stadt Augsburg für das Jahr 1912, II. Teil. Häuser-Verzeichnis mit Angabe der Hausbesitzer und Anwohner, Augsburg 1912, S. 53.
  6. Adreßbuch der Stadt Augsburg 1913, II. Teil. Häuser-Verzeichnis mit Angabe der Hausbesitzer und Anwohner, Augsburg 1913, S. 55.
  7. Gernot Römer/Ellen Römer, Der Leidensweg der Juden in Schwaben. Schicksale von 1933–1945 in Berichten, Dokumenten und Zahlen, Augsburg 1983, S. 167; http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/content/content_biografien-liste-L.htm (aufgerufen am 28.08.2017).
  8. http://www.alemannia-judaica.de/augsburg_texte.htm#Modewarengesch%C3%A4ft%20Max%20Ginsberger%20%28Ecke%20 Untere%20Maximilianstra%C3%9Fe%29 (aufgerufen am 17.02.2015).; http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/CEM-AUG-NECROLOGY.pdf (aufgerufen am 11.09.2017).
  9. Gernot Römer/Ellen Römer, 1983, S. 166; http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/content/content_biografien-liste-L.htm (aufgerufen am 28.08.2017); StadtAA, Bestand MK II, Fritz Loeb.
  10. Adreß-Buch der Marktgemeinde Göggingen 1927, 3. Teil Alphabetisches Verzeichnis der selbstständigen Einwohner Göggingens, Augsburg 1927, S. 22; Adreßbuch der Marktgemeinde Göggingen 1931/32, 1. Teil Alphabetisches Verzeichnis der selbstständigen Einwohner Göggingens, Augsburg 1931, S. 29. Bernhard Loeb ist zum ersten Mal 1935 im Einwohnerbuch der Stadt Augsburg verzeichnet, siehe Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1935, Augsburg 1935, S. 267. Leo Loeb wohnte im gleichen Haus.
  11. Maren Janetzko, Die „Arisierung“ mittelständischer jüdischer Unternehmer in Bayern 1933-1939. Ein interregionaler Vergleich, Ansbach 2012, S. 116; Einwohnerbuch der Stadt Augsburg 1936, Augsburg 1936.
  12. http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/index_extern.html (aufgerufen am 04.09.2017).
  13. Karl Filser/Hans Thieme (Hg.), Hakenkreuz und Zirbelnuß. Augsburg im Dritten Reich, Augsburg 1983, S. 42.
  14. Maren Janetzko, Anfänge der „Arisierung“ in Augsburg, in: Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto (Hg.), „Machtergreifung“ in Augsburg. Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937, Augsburg 2008, S. 159.
  15. Maren Janetzko, 2012, S. 115-121.
  16. http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/content/pop-up-biografien-loeb_gertrud.htm (aufgerufen am 19.02.2015).
  17. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung/novemberpogrom-1938/ (aufgerufen am 21.11.2017).
  18. Gernot Römer/Ellen Römer, 1983, S. 37.
  19. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de917589 (aufgerufen am 21.11.2017).
  20. Erlass des Reichsministeriums des Innern vom 18.08.1938, siehe Joseph Walk (Hg.), Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, 2. Auflage, Heidelberg 1996, S. 237.
  21. http://www.ushmm.org/online/hsv/person_view.php?PersonId=6162545 (aufgerufen am 05.11.2015).
  22. http://www.datenmatrix.de/projekte/hdbg/spurensuche/content/pop-up-biografien-loeb_gertrud.htm (aufgerufen am 19.02.2016).
  23. http://www.statistik-des-holocaust.de/OT420404-40.jpg (aufgerufen am 21.11.2017).
  24. Arnold Hindls, Einer kehrte zurück. Bericht eines Deportierten, Stuttgart 1965, S. 16f.
  25. http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_bay_420404.html (Blatt 40, aufgerufen am 21.11.2017); Arnold Hindls, 1965, S. 17f.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Staatsarchiv Augsburg (StAA)
Kataster Augsburg-Stadt, Grundsteuer Kataster Umschreibeheft

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Meldekarte II (MK II):
Fritz Loeb

Internet:
Literatur:

Karl Filser/Hans Thieme (Hg.), Hakenkreuz und Zirbelnuß. Augsburg im Dritten Reich, Augsburg 1983.

Maren Janetzko, Anfänge der „Arisierung“ in Augsburg, in: Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto (Hg.), „Machtergreifung“ in Augsburg. Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937, Augsburg 2008.

Arnold Hindls, Einer kehrte zurück. Bericht eines Deportierten, Stuttgart 1965.

Maren Janetzko, Die „Arisierung“ mittelständischer jüdischer Unternehmer in Bayern 1933-1939. Ein interregionaler Vergleich, Ansbach 2012.

Gernot Römer/Ellen Römer, Der Leidensweg der Juden in Schwaben. Schicksale von 1933–1945 in Berichten, Dokumenten und Zahlen, Augsburg 1983.

Joseph Walk (Hg.), Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, 2. Auflage, Heidelberg 1996.