Dina Marx, geb. Strauss

Geboren:
03.02.1900, Binswangen
Gestorben:
25.11.1941, Kaunas (Kowno), Litauen

Wohnorte

Binswangen, Hausnummer 171 (heute Hauptstraße 30)
Augsburg, Schrannenstraße 6
München, Walhallastraße 60
München, Herzog-Heinrich-Straße 3

Letzter freiwilliger Wohnort

Orte der Verfolgung

Deportation
am 20. November 1941
von München-Milbertshofen
nach Kaunas (Kowno), Litauen

Biografie
NS-Kennkartenfoto von Dina Marx, geb. Strauß. (Foto: Stadtarchiv München (StadtAM), Kennkartendoppel 2647)

Angaben zum Leben von Dina Marx, geb. Strauß,
und ihren Kindern Gert und Joel

Dina Marx wurde am 3. Februar 1900 in Binswangen geboren. In dem Dorf bei Wertingen lebten damals noch 109 Juden, das entspricht 11,6% der Bewohner. Dinas Vater war der „Landesproduktenhändler“ Salomon Strauß (Hausnummer 171, heute Hauptstraße 30), dem auch ein Lagerhaus in Lauingen gehörte. Ihre Mutter Betty, geb. Binswanger stammte ebenfalls aus Binswangen. Dina hatte drei ältere Brüder: Martin (geb. 1886, gefallen 1918), Theodor (geb. 1888) und Friedrich (geb.1890). Theodor starb 1941 in Fürth. Friedrich wurde 1942 nach Piaski deportiert und ermordet (siehe Biografie Friedrich Strauß).

Dina besuchte von 1911 bis 1916 die Klassen 1 bis 5 des Maria-Theresia-Gymnasiums in Augsburg, die bis 1914 „Städtische Töchterschule“ hieß. 1913 zog ihre Familie nach Augsburg, kaufte das Haus Schrannenstraße 6 und betrieb dort die Getreidegroßhandlung J.J. Strauß, genannt nach dem Firmengründer, Salomons Vater Josef Jeremias Strauß. Ab 1916 machte die Tochter eine Ausbildung zur Opernsängerin am Konservatorium in Augsburg. Es ist überliefert, dass sie bei der Bat Mizwa-Feier 1935 in der Synagoge gesungen hat.

Am 26.6.1929 heiratete Dina Strauß in Augsburg den drei Jahre älteren Kaufmann Leo Marx aus dem Saarland. Die junge Familie wohnte im Haus Schrannenstraße 6, das seit dem Tod des Vaters 1923 neben ihrer Mutter und ihrem Bruder Theodor zu einem Drittel Dina Marx gehörte. Ihr Mann Leo arbeitete bei Musikhandlungen, z.B. bei Musik Durner. Von 1928 bis April 1934 betrieb er selbst ein Geschäft für Grammophone und Lautsprecher in der Frauentorstraße.

Der 1930 geborene Sohn Heinz wurde nur ein Jahr alt. Gert wurde 1932 geboren. Nach dem Verkauf des Hauses durch die Erbengemeinschaft 1934 wohnte das Ehepaar noch dort und zog 1937 nach München in das eigene Haus Walhallastraße 60. Leo hatte nun eine Provisionsvertretung für Herrenwäsche. In München wurden zwei Kinder geboren: Brigitte (1937), die schon drei Wochen nach der Geburt starb, und Joel (1939).

Marx hatte früh unter Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu leiden. Von Oktober 1934 bis November 1935 wurde er in Dachau und von Juni 1938 bis April 1939 in Sachsenhausen inhaftiert, insgesamt also fast 2 Jahre. Er war 1938 eines von etwa 10.000 Opfern der Verhaftungswelle „Arbeitsscheu Reich“, darunter ca. 2.500 Juden. 824 waren es, die nach Sachsenhausen verschleppt wurden und dort besonders brutalen Schikanen ausgesetzt waren. Oft hatten die Verhafteten eine angewiesene Arbeit abgelehnt oder waren vorbestraft. Bei Leo Marx könnte eine Vorstrafe wegen Beleidigung aus dem Jahr 1926 eine Rolle gespielt haben. Sein Haus wurde zwangsverkauft, der Erlös auf ein Sperrkoto gelegt und sein Auto enteignet.

Seine Frau wurde - vermutlich im März 1939 - auf Grund der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens der Juden“ gezwungen, zwei Kunstgegenstände aus Silber abzugeben. Es handelte sich um ein Gewürzgefäß von 1815/16 des Augsburger Silberschmieds Johann Balthasar Stenglin und einen 16 cm hohen vergoldeten Pokal eines unbekannten Augsburger Meisters aus der Zeit von ca. 1625. Die Objekte wurden mit dem Materialwert von 10 bzw. 15 RM angegeben und vermutlich so vergütet. Sie wurden dem Bayerischen Nationalmuseum übergeben und befinden sich noch dort. (Stand Okt. 2018)

Gewürzgefäß eines Augsburger Silberschmieds von 1815/16 aus dem Besitz von Dina Marx. (Foto: Bayerisches Nationalmuseum)

Leo Marx gelang nach seiner Entlassung aus dem KZ im Juni 1939 die Emigration. Von Bremen aus gelangte er mit dem Lloyddampfer „Gneisenau“ nach Schanghai. Es war das einzige Ziel, das Juden einigermaßen problemlos erreichen konnten, das „Exil der kleinen Leute“. Allerdings waren die Lebensbedingungen erbärmlich, man lebte in Massenquartieren in einem Ghetto. Als Erwerb von Marx wird nun Kapellmeister, als Unterkunft Tongshan Road 599 angegeben. Es ist bekannt, dass von den jüdischen Auswanderern ein reges kulturelles Leben entfaltet wurde. Leo Marx blieb noch bis 1948 in Shanghai und heiratete dort 1947 eine in Korea geborene jüdische Frau. Im Dezember 1948 kehrte er zurück nach Saarbrücken. Die Ehe wurde 1957 geschieden und Marx heiratete ein Jahr später die Nichtjüdin Erika Anita Allmann. 1972 starb er in Saarbrücken.

Zwischen 1956 und 1960 machte Leo Marx Zeugenaussagen bei den Strafprozessen gegen die Mörder von Sachsenhausen Gustav Sorge, Wilhelm Schubert, Otto Kaiser und Dr. Heinz Baumkötter.

Leos Frau Dina blieb 1939 mit den Kindern in München zurück. Sie musste in die Herzog-Heinrich-Straße 3 umziehen. Es gelang ihr nicht nach Schanghai nachzukommen. Sie wird am 20. November 1941 zur Deportation gezwungen. Nach einem kurzen Aufenthalt im Barackenlager Milbertshofen, das Münchner Juden in Zwangsarbeit hatten bauen müssen, wird sie in dreitägiger Zugfahrt nach Kaunas in Litauen verschleppt. Es war die erste Deportation aus Bayern. Drei weitere ehemalige Maria-Theresia-Schülerinnen waren ebenfalls auf dem Transport. Nach zwei Nächten in der heruntergekommenen Festung des Forts IX wurden alle wehrlosen Opfer von der SS-Einsatzgruppe 3 in einer Massenerschießung ermordet. Etwa 1.000 sind es allein vom Münchner Transport. Leichen und Verletzte werden mit Erde bedeckt. Bis 1944 werden mehr als 50.000 Juden in den Forts von Kaunas erschossen. Der verantwortliche SS-Standartenführer Karl Jäger nennt in seinem Bericht über das Massaker 1941 in Kaunas 1.159 Juden, 1.600 Jüdinnen und 175 Judenkinder. Unter letzteren sind auch Gert und Joel, Dinas neun- und noch nicht dreijährige Söhne. Gert war seit Oktober 1939 im jüdischen Kinderheim in der Antonienstraße untergebracht. Mit ihm wurden bei diesem Transport 20 Kinder dieses Heims ermordet. Um die Verbrechen zu verschleiern, ließ die Gestapo die Leichen ausgraben und verbrennen und die Asche verstreuen. Jäger lebte bis 1959 unbehelligt unter seinem richtigen Namen in Freiheit und erhängte sich dann in der Untersuchungshaft.

Alfred Hausmann

Quellen- und Literaturverzeichnis
Unveröffentlichte Quellen:

Stadtarchiv Augsburg (StadtAA)
Hausbogen (HB):
– HB Schrannenstraße 6

Familienbogen (FB):
– FB Leo Marx, 31.07.1898

Meldekarten (MK):
– MK Leo Marx

Staatsarchiv Augsburg (StAA)
Amtsgericht Augsburg (AG Augsburg):
– AG Augsburg, Nachlassakte Salomon Strauß

Stadtarchiv München (StadtAM)
– Auskunft von Frau Barbara Hutzelmann vom 19.06.2018

Stadtarchiv Saarbrücken (StadtASB)
– Sterbeurkunde, Meldekarten, Auskunft vom 25.07.2018

Landesarchiv des Saarlandes (LandASL)
– Akten des Wiedergutmachungsverfahrens Leo Marx

Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau
– Auskunft Herr Pearman vom 10.07.2018

Archiv KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen
– Auskunft vom 12.07.2018

Internet:
Literatur:

Georg Armbrüster (Hg.), Exil Shanghai, Teetz 2000.Andreas Heusler/Elisabeth Angermair, Verzogen - unbekannt wohin, Zürich-München, 2000 S. 13-24.

Andreas Heusler/Brigitte Schmidt/Eva Ohlen/Tobias Weger/Simone Dicke unter Mitarbeit von Maximilian Strnad: Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945, Bd. 2 (M–Z), hrsg. vom Stadtarchiv München, München 2007, S. 48f., 52 u. 54.

Ludwig Reissler, Geschichte und Schicksal der Juden in Binswangen in: Der Landkreis Dillingen a. d. Donau in Geschichte und Gegenwart, Dillingen 2005.

Stefanie Schüler-Springorum, Masseneinweisungen in Konzentrationslager: Aktion „Arbeitsscheu Reich“, Novemberpogrom, Aktion „Gewitter“ in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors, München, 2005, S. 156-164.

„Und keiner hat für uns Kaddisch gesagt..“ Deportationen aus Frankfurt am Main 1941 bis 1945 (Ausstellungskatalog), Frankfurt a. M., o. J.